Ekelreduktion beim WickelnMir wird übel - was kann ich tun?

Wie lassen sich Ekelgefühle bei der Pflege von Kleinstkindern aktiv abschwächen? Das Beispiel einer Wickelsituation zeigt: Gute Vorbereitung und responsives Handling können betroffenen Fachkräften dabei helfen.

Mir wird übel - was kann ich tun ?
© Harald Neumann

Anna (37) ist seit einigen Jahren als Erzieherin in einer Krippe tätig. Die Arbeit mit den Jüngsten bereitet ihr viel Freude – doch in Wickelsituationen leidet sie manchmal immer noch unter starken Ekelgefühlen. Mit Unterstützung ihres Teams sowie erprobten Routinen weiß sich Anna mittlerweile zu helfen, wie folgendes Beispiel zeigt.

Anna assistiert Jakob (2;4) gerade beim Ausziehen in der Garderobe, als sie versehentlich mit seinen Ausscheidungen in Berührung kommt. Die Windel des Jungen ist ausgelaufen, was Anna zunächst nicht bemerkt hatte. Der direkte körperliche Kontakt mit dem Stuhl des Kindes führt bei ihr sofort zu heftigen Ekelreaktionen, die überwiegend über ihren Tastsinn ausgelöst werden.
Anna reagiert mit starker Übelkeit und kämpft gegen das Erbrechen an. In Absprache mit ihrer Kollegin Luisa verlässt Anna die Garderobe, um sich ihre Hände zu waschen, gründlich zu desinfizieren und zügig den Wickelbereich für Jakobs Pflege vorzubereiten. Der Junge bleibt derweil mit Luisa und den anderen Kindern in der Garderobe. Die Fachkraft erklärt Jakob, dass Anna gleich wieder kommt und ihn dann wickeln wird.

Alles am Platz?

Anna hat die Erfahrung gemacht, dass ihr eine durchdachte und gut vorbereitete Umgebung hilft, Wickelinteraktionen als weniger belastend zu erleben. Der Wickelbereich ihrer Kita wurde in einem hellen Raum eingerichtet und verfügt über ein Fenster. So können die Fachkräfte durchlüften und haben Tageslicht. Die Wände sind in einem freundlichen Gelbton gestrichen. Die Beleuchtung lässt sich dimmen, das schafft eine angenehme, warme Atmosphäre.
Routiniert legt Anna alle Utensilien, die sie für Jakobs Pflege benötigt, in greifbarer Nähe neben dem Stehwickeltisch bereit. Dazu gehören eine frische Windel, eine Schüssel mit warmem Wasser und Waschlappen, ausreichend Papier sowie frische Kleidung für den Jungen. Neben dem Wickeltisch befindet sich in Annas Stehhöhe ein großes, tiefes Waschbecken, das ggf. auch dafür genutzt werden kann, die Kinder mit einem ausziehbaren Wasserhahn abzuduschen. Anna vergewissert sich außerdem schon im Vorfeld, dass Seife und Handdesinfektion für ihre eigene Hygiene vorhanden sind. Für die anschließende Reinigung des Wickelplatzes ist Desinfektionsmittel auf einem erhöhten – und damit für die Kinder unerreichbaren – Wandregal gelagert.
Da Anna regelmäßig vor der Herausforderung steht, aufkommende Ekelgefühle zu bewältigen, weiß sie mittlerweile genau, was ihr in diesen akuten Situationen hilft. Über die reine Vorbereitung des Wickelplatzes hinaus legt sie sich deshalb auch Einmalhandschuhe, eine selbst genähte Mund-Nasen-Bedeckung mit lustigen Tiermotiven und eine farbenfrohe Schürze aus Baumwollstoff bereit.

Partizipation ermöglichen

Nach Abschluss ihrer Vorbereitungen geht Anna zurück in die Garderobe, wo Jakob auf sie wartet; zusammen gehen die beiden nun zum Wickelbereich. Während der Junge schon mal selbstständig die Stufen zum Stehwickeltisch hinaufsteigt, zündet Anna noch das Teelicht einer Duftlampe an. Sie zieht sich die Handschuhe an, setzt die Maske auf und bindet sich die Schürze um. An den Sprossen der Seitenwände kann sich Jakob stehend gut festhalten. Das ermöglicht es ihm, beim Aus- und Anziehen zu partizipieren und kooperieren, indem er bspw. ein Bein anhebt, während Anna das Hosenbein über seinen Fuß streift. Auch Anna kann durch den Stehwickeltisch eine entspannte Körperhaltung einnehmen: Während der gesamten Wickelinteraktion sitzt sie auf einem höhenverstellbaren Hocker.
Daran, dass Anna beim Wickeln eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, haben sich Jakob und die anderen Kinder gewöhnt. Sie hat viele verschiedene Masken mit unterschiedlichen bunten Motiven, die während der Pflege von den Kindern mit Interesse gemustert werden und oft Gesprächsanlässe bieten.

Perspektivwechsel

Nachdem Jakob aus der Hose gestiegen ist, zieht Anna ihm die ausgelaufene Windel aus. Dank ihrer Mund-Nasen-Bedeckung und der Duftlampe nimmt Anna den beißenden Geruch nur leicht wahr. Auch, dass der Mülleimer automatisch jede Windel einzeln in der Mülltüte verpackt und damit unangenehme Gerüche und Keime sicher eingeschlossen werden, hilft Anna sehr. Dennoch: Der Anblick der flüssigen Stuhlkonsistenz verstärkt ihre Ekelgefühle wieder, die jetzt gleich über mehrere Sinneskanäle ausgelöst werden, ihren Seh- und Geruchssinn.
Anna versucht, Ruhe zu bewahren und sich auf die Pflege von Jakob zu konzentrieren. Sie möchte nicht, dass das Kind ihren Widerwillen bemerkt. Sie lenkt sich von ihren Emotionen ab, indem sie sich ganz auf die nötigen Handlungsschritte und Bedürfnisse von Jakob konzentriert. Anna taucht den Waschlappen in das warme Wasser und wäscht das Kind damit gründlich ab. Währenddessen verbalisiert sie ihre Handlungen und beschreibt Jakob konkret, was sie gerade tut.
Durch den bewusst vollzogenen Perspektivwechsel, die Konzentration auf die Handlung und die sprachliche Begleitung gelingt es Anna, ihre Ekelgefühle etwas zu reduzieren. Gleichzeitig fühlt sich Jakob wahrgenommen und kann sich durch Annas anschauliche Erklärungen darauf einstellen, welcher Schritt als nächstes folgt – das wiederum ermöglicht es ihm, mit seiner Erzieherin zu kooperieren. Anna bittet Jakob etwa, in die Hocke zu gehen, als sie ihm die neue Windel anlegen will, was der Junge gerne macht. Anschließend unterstützt er Anna beim Schließen der Windel und auch beim Anziehen seiner frischen Kleidung hilft er mit: Anna hält ihm nacheinander je ein gerafftes Hosenbein hin, Jakob schlüpft hinein und zieht danach seine Hose selbstständig hoch.
Als der Junge frisch gewickelt die Treppe des Wickeltischs hinuntersteigt, wäscht und desinfiziert Anna ihre Hände, bevor sie den Wickelplatz reinigt und ebenfalls desinfiziert. Sie öffnet kurz das Fenster. Dann gehen Jakob und Anna zurück zu den anderen Kindern.

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