KinderärzteGesundes Vertrauen

Den richtigen Kinderarzt zu finden ist nicht einfach. Kinder und Kinderärzte müssen genau so ein Vertrauensverhältnis aufbauen wie die Eltern mit dem Arzt. Aber auch ein Facharzt für Kinder erwartet Grundsätzliches von den Eltern der kleinen Patienten.

Kinderärzte: Gesundes Vertrauen
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Was macht einen "guten" Kinderarzt aus? Ist er einfühlsam, nimmt er sich Zeit, spricht er kindgerecht mit dem kleinen Patienten, steht er in Notfällen zur Verfügung? Die meisten Eltern haben hierzu einige wichtige Punkte auf ihrer Liste.

Doch wie sieht das andersherum aus? Wie wünschen sich Kinderärzte das Verhältnis zu den Mamas und Papas? Immerhin sitzen im Sprechzimmer immer zwei Patienten, nämlich ein kleiner und ein großer: Eltern kommen mit vielen Sorgen, Fragen und Bedenken in die Sprechstunde. Sie müssen dem Arzt und seiner Therapie vertrauen, dafür sorgen, dass das Kind die nötige Medizin regelmäßig einnimmt und Kontrolltermine wahrnimmt.

Eltern beobachten ihre Kinder heute genauer

Dr. Ulrich Fegeler, Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, spricht den Eltern insgesamt ein Lob aus: "Eltern wissen in der Regel intuitiv, wie sie den Arzt unterstützen können und befolgen die Therapieangaben meist zuverlässig." Allerdings hat der Mediziner im Laufe der Jahre bemerkt, dass Eltern heute anders reagieren als früher: "Sie beobachten ihr Kind sehr genau und registrieren jede noch so geringe Abweichung von der Norm - sei es beim Atmen, Husten oder Stuhlgang." Das ist einerseits natürlich hilfreich, um Krankheiten früh zu erkennen. Allerdings muss nicht die geringste Veränderung schon das ernsthafte Symptom einer Krankheit sein. "Insbesondere Fieber - was ja zunächst nur eine sinnvolle Abwehrreaktion des Körpers ist - löst unter jungen Eltern oft unnötige Panik aus."

Dr. Fegeler findet zwar, dass es zum Beruf des Kinderarztes gehöre, mit den Ängsten und Ansichten der Eltern umgehen zu können, in der Praxis stoße aber jeder Kollege bisweilen an Grenzen. Beispiel Masern: Wegen der möglichen ernsten Komplikationen empfehlen die meisten Kinderärzte eine vorbeugende Impfung. "Alle wissenschaftlichen Fakten sprechen hier eine deutliche Sprache", sagt Dr. Fegeler. Doch das reiche manchmal nicht aus, wenn Halbwissen oder esotherische Ansichten im Spiel seien. "Wenn Eltern mir erklären, sie lehnen die Impfung ab, weil Masern eine 'Karma-Erfahrung für das Kind' seien, dann muss ich mir eingestehen, dass ich nicht jeden Menschen überzeugen kann."

Selbstdiagnosen sollten für Eltern tabu sein

Der Ulmer Kinderarzt Prof. Dr. Harald Bode hat die Erfahrung gemacht, dass Eltern generell "kritischer, fordernder und anspruchsvoller geworden sind" und das sei durchaus positiv. "Wir Ärzte wünschen uns ja den mündigen Patienten!" Er gibt allerdings zu bedenken, dass der Laie aus der verwirrenden Fülle an Informationen, wie sie in Medien und Internet kursieren, nicht immer die richtigen Schlüsse ziehen kann. "Ich freue mich, wenn jemand sich vorab schlau gemacht hat. Eine andere Sache ist es, wenn Eltern selbst Diagnosen stellen oder genau zu wissen glauben, welches Medikament oder welche Therapie das Kind braucht."

Ein Beispiel ist die "Globulisierung" der Kindermedizin. Eltern fragen gezielt nach den homöopathischen Kügelchen oder haben schon einiges an alternativen Methoden probiert, bevor sie in die Praxis kommen. "Unseren Untersuchungen zufolge werden mindestens die Hälfte der Kinder von ihren Eltern auch alternativ behandelt. Das ist an sich keineswegs verwerflich", meint Dr. Harald Bode, "solange medizinisch nötige Maßnahmen deswegen nicht unterbleiben." Der Kinderarzt sollte es unbedingt wissen, wenn Eltern auch auf Homöopathie, Schüssler-Salze oder andere Heilmethoden setzen. Nur dann kann er nämlich die Grenzen dieser Behandlungen ansprechen: "Einem Kind mit einem epileptischen Anfall das antiepileptische Medikament nicht zu geben, wäre fast ein Verbrechen."

Nicht jede Abweichung von der Norm muss therapiert werden

Professor Bode ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin und in dieser Funktion liegt ihm ein weiteres Thema sehr am Herzen: "Wir beobachten eine bedenkliche Tendenz: 30 Prozent der Kinder eines Jahrgangs erhalten heute schon im Vorschulalter professionelle Förder- und Therapiemaßnahmen, also etwa Krankengymnastik, Ergotherapie oder logopädische Behandlung." Es werde therapiert, obwohl es sich oft nur um eine Normvariante der kindlichen Entwicklung handele: Der eine läuft, spricht oder krabbelt eben früher, der andere später. Was die Nachbarstochter schon kann, lernt der gleichaltrige Sohnemann eben ein paar Wochen später. "Viele Eltern wünschen sich aber zu jedem Zeitpunkt das perfekte und reibungslos funktionierende Kind - und schicken es in überflüssige und manchmal sogar schädliche Behandlungen." Er rät daher zu mehr Gelassenheit und positiver Zuwendung im Umgang mit den individuellen Eigenheiten des Kindes. Und das wünschen sich die meisten Eltern ja schließlich auch vom Kinderarzt...