Am Freitag fährt der Bäcker vor der Firma vor. Er packt Biobrote aus und frischen Kuchen. Die Angestellten und Arbeiter decken sich fürs Wochenende ein. Ihr Gemüse und ihre Bio-Produkte sind schon unter der Woche angeliefert worden, ebenfalls am Arbeitsplatz. Ein paar Mütter und Väter stiefeln zur alten Villa auf dem Betriebsgelände und holen ihre Kinder aus der Waldorf-Kindertagesstätte ab. Dann geht es beschwingt ins Wochenende.
Alles im Angebot: vom Kindergarten bis zum Besuchsdienst für kranke Kinder
Ein Traum? Nein. In der deutschen Niederlassung des Kosmetikherstellers Weleda in Schwäbisch-Gmünd wird Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz praktiziert. Für ihre rund 680 Mitarbeiter hat die Firma eine betriebseigene Waldorf-Kindertagesstätte eingerichtet. 17 Ganztagesplätze bietet die Kita, Mütter und Väter können ihre Kinder allerdings auch nur halbtags hinschicken. Um den Familienalltag zu erleichtern, wurde auch der Einkaufsservice geschaffen. Und jetzt baut das Unternehmen ein Generationennetzwerk auf. Ein Netzwerk, das vom jüngsten Nachwuchs bis zum Weleda-Ruheständler reicht. Im Schaukasten im Foyer hängen die Gesuche und Angebote: Hilfe bei Haus und Garten, Besuchsdienst für kranke Kinder, ein Urlaubsheim für Haustiere. Außerdem will die Weleda-Niederlassung jetzt eine Krabbelgruppe einrichten. Für ihre familienorientierte Unternehmenskultur hat Bundesfamilienministerin Renate Schmidt dem schwäbischen Betrieb 2003 das Grundzertifikat zum Audit "Beruf und Familie" der Hertie-Stiftung überreicht.
"Neun von zehn Eltern wünschen sich, dass sich auch Arbeitgeber und Unternehmen für gute Kinderbetreuung engagieren", weiß das Meinungsforschungsinstitut forsa. Eine aktuelle Studie des Instituts zeigt, wie unzufrieden vor allem junge Eltern mit der Kinderbetreuung sind. Knapp 60 Prozent der 18- bis 29-jährigen Mütter und Väter vermissen Angebote für unter Dreijährige. Mit 2,7 Plätzen pro 100 Kinder hat Westdeutschland eine extrem niedrige Ausstattung für die Kleinsten.
Klappt die Kinderbetreuung, ist die Motivation der Mitarbeiterinnen hoch
Die Mitarbeiter der Journalistenagentur Zeitenspiegel machten deshalb ihr eigenes Ding. Vor sieben Jahren haben die Reporter aus der schwäbischen Weinstadt einen Kindergarten gegründet. "Zeitenspiel", heißt er, und ist gleich unten in der Agentur. "Wir wollten unsere Frauen halten", sagt Uschi Entenmann, selbst Schreiberin und Mutter von zwei Töchtern. Für die Presseleute war das eine klare Sache. Gute Journalistinnen sind gefragt, wieso soll man nach ihrer Schwangerschaft drei Jahre auf sie warten? Da es am Ort keine Einrichtung für Unter-Dreijährige gab, gründeten die Fotografen und Schreiber einen Verein und eröffneten einen Kindergarten.
Heute werden im Kindergarten "Zeitenspiel" 15 Kinder vom Krabbelalter bis zur Einschulung von zwei Erzieherinnen betreut. Um halb acht Uhr morgens kommen die ersten Kinder, um 13.30 Uhr ist Feierabend. Die Eltern zahlen 290 Euro monatlich für die Kleinsten und 150 Euro monatlich für Drei- bis Sechsjährige. Außerdem gibt es Zuschüsse von Stadt und Land, und die Journalisten versteigern einmal im Jahr Werke von befreundeten Künstlern, um Gelder in ihre Kindergartenkasse zu spülen.
Verschiedene Bedürfnisse führen zu vielerlei Lösungswegen
Für die Kinderversorgung am Arbeitsplatz gibt es viele Modelle: Beim Autobauer Ford etwa können Eltern ihre Kleinen in Ausnahmefällen im Notkindergarten abliefern. Für 22 Euro am Tag springt er ein, wenn die Tagesmutter ausfällt, der reguläre Kindergarten schließt oder wenn die Eltern Sonderschichten schieben oder auf Dienstreise müssen. Die Einrichtung befindet sich direkt am Werksgelände und hat täglich von 6.30 bis 17.00 Uhr geöffnet.
In Bremen haben sich vier Firmen zusammengeschlossen, nachdem Anfang der neunziger Jahre eine Umfrage gezeigt hatte, dass die Hälfte der befragten Mitarbeiter, ihre Kinder aus Mangel an öffentlicher Kinderbetreuung privat betreuen lassen müssen. Daraufhin schlossen sich die Unternehmen - darunter Airbus und die Straßenbahn AG - zusammen und gründeten einen Verein zur Schaffung eines überbetrieblichen Betriebskindergartens. 50 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren haben in der Kindertagesstätte Hünefeldstrasse Platz. Ihre Eltern können zwischen Halbtags-, Teilzeit- und Ganztagsbetreuung wählen.
Familienfreundlichkeit rechnet sich auch für die Unternehmen
Es ist nicht nur eine gute Tat, wenn Firmen etwas für Mütter und Väter tun. Im Gegenteil: Familienfreundlichkeit rechnet sich, das zeigte eine Studie der Prognos AG im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. 25 Prozent zusätzliche Rendite machten Unternehmen dank familienfreundlicher Ideen. Auch für kleinere Betriebe, etwa Handwerksbetriebe, zahlte sich Familienfreundlichkeit aus. Gute Mitarbeiter sind schließlich gefragt. Und, so stellt es das Bundesfamilienministerium fest: "Zufriedene Eltern arbeiten besser, motivierter, produktiver und konzentrierter."