Sitzen Jungs in der Bildungsfalle?Verlierer im Erziehungs- und Bildungssystem?

Viele Studien sehen Jungen als Verlierer unseres Bildungssystems. Das muss aber nicht sein. Es ist wichtig, unseren Kindern keine Stereotypen vorzuleben und unser modernes Bildungssystem voll zu akzeptieren. Nur so kann eine gleichwertige Bildung für alle erreicht werden.

Verlierer im Erziehungs- und Bildungssystem
© romrodinka - iStock

Jungen sind laut einer Studie des Aktionsrats Bildung, ein Expertengremium renommierter Bildungswissenschaftler, die großen Verlierer des deutschen Bildungssystems. Sie stellen mit 58 Prozent die Mehrheit unter den Hauptschülern und Schulabbrechern, besuchen häufiger als Mädchen Förderschulen und wurden inzwischen auch beim Abitur von ihnen zahlenmäßig überholt. Die Ursache dafür sehen Experten unter anderem darin, dass zu wenige Männer in Kindergärten und Grundschulen arbeiten. Frauen dominieren das Erziehungs- und Bildungssystem. Der Anteil männlicher Erzieher in den Kindergärten liegt unter zehn Prozent, in den Grundschulen machen Lehrer gerade mal zwölf Prozent aus. Woran das liegt? Es ist vor allem die schlechte Bezahlung und das geringe Sozialprestige, das Männer vor der Wahl der typischen Frauenberufe zurückschrecken lässt. Die Studie hat aber auch Kritiker auf den Plan gerufen. Einer von ihnen ist Detlef Pech, Professor für Grundschulpädagogik an der Berliner Humboldt-Universität. In der Tat würden mehr Jungen scheitern als Mädchen, meint auch Pech. Bedroht seien aber keineswegs alle Jungen, sondern vor allem die aus schwachen sozialen Milieus, darunter viele mit Migrationshintergrund.

Schule darf keine Stereotypen vermitteln

So oder so. Fakt ist, dass viele Jungen mit den in der Schule üblichen Lehrformen und Methoden oft nicht so gut klarkommen wie Mädchen. Die sind nun mal nachweislich besser in Selbstorganisation, Teamarbeit, Ausdauer und Konzentration. Das erforschende und handlungsorientierte Lernen, das vielen Jungs entgegenkommt, gibt es immer noch viel zu selten. Familienministerin Ursula von der Leyen hat deshalb vor einer weiteren Benachteiligung der Jungen gewarnt. Dass vom Bildungszuwachs vor allem die Mädchen profitieren, liege an deren besonderer Förderung in der Vergangenheit. Zugleich habe man aber übersehen, dass Jungen in einer sich verändernden Welt neue Vorbilder bräuchten, sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". Solche Vorbilder könnten auch Lehrer sein. Ob da eine "Männerquote" hilft, wie sie der Pädagoge Klaus Hurrelmann fordert, um in den Schulen für mehr Lehrer zu sorgen? Doch nicht jeder neu eingestellte Mann taugt auch gleich zur Identifikationsfigur. "Viel zu viele Lehrer setzen immer noch auf stereotype Interessen von Jungen und Mädchen", sagt der Grundschulpädagoge Detlef Pech. Lehrer sollten beiden Geschlechtern die Vielfalt der Möglichkeiten zeigen. Je breiter das Angebot, desto höher die Chance, dass jedes Kind etwas zum Identifizieren findet.

Jungs brauchen männliche Vorbilder

Eines hat die Studie auf jeden Fall erreicht: Sie hat den öffentlichen Diskurs in Gang gebracht und wichtige Anregungen für veränderte Bildungskonzepte formuliert. Doch bis die Realität sind, ist es für die Erziehung von Jungen umso wichtiger, dass sie sich im Alltag ausprobieren können, ihre Grenzen ausloten und sich an Vorbildern reiben und orientieren. Noch nötiger als vorbildhafte Lehrer, meint Ursula von der Leyen, "sind präsente Väter". Eine Spezies, die sich im Familienalltag oft genug rar macht. Väter müssen die nötige Zeit und Energie aufbringen wollen, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Und wenn sie das aus beruflichen Gründen in der Woche kaum schaffen, ist ihre Präsenz am Wochenende umso wichtiger. Väter, die ihren Söhnen Geschichten vorlesen, die kleine Geschwister wickeln, einkaufen und kochen, aber auch raufen und toben, schaffen zudem beste Voraussetzungen dafür, dass Jungen ihre Geschlechterrolle nicht nur eindimensional erleben.

Eltern helfen bei der Rollenfindung

Väter und Mütter können außerdem in der Erziehung von Jungen von Anfang an viel dafür tun, damit sie unterschiedliche Beziehungen zu männlichen Vorbildern aufbauen. Indem sie Großväter, Onkel oder Freunde durch gemeinsame Aktionen, Ausflüge oder Babysitten in den Familienalltag einbinden. Opas erzählen ihren Enkeln zum Beispiel nur zu gerne aus der Vergangenheit. Und sie sind meist geduldiger beim handwerklich-technischen Arbeiten oder Basteln mit ihren Enkelsöhnen. Auch bei der Freizeitgestaltung und den Hobbys ihrer Söhne können Eltern dafür sorgen, dass es den Söhnen nicht an männlichen Vorbildern mangelt, indem sie in Vereinen, Familienzentren oder Musikschulen gezielt nach qualifizierten Trainern, Kursleitern oder Lehrern Ausschau halten. So sind es gerade im Vereinssport oft Männer, die sich engagieren und für viele Jungs wichtige Bezugspersonen sind.

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