Der Weltkirchenrat und die russisch-orthodoxe KircheRote Linien

Mit Blick auf die russisch-orthodoxe Kirche wäre es hilfreich, würde auch in Genf beim ÖRK ein gewisser Realismus einziehen.

Benjamin Lassiwe
Benjamin Lassiwe, ständiger Mitarbeiter der Herder Korrespondenz© Ralf Zöllner

Ein russisch-orthodoxes Kirchengericht hat sich dafür ausgesprochen, den Priester Ioann Kowal in den Laienstand zurückzuversetzen: Er habe in einem Gottesdienst statt für den russischen Sieg in der Ukraine für den Frieden gebetet. Das berichtete die "Katholische Nachrichten-Agentur" Mitte Mai.

Eine Woche später gab es wieder Nachrichten aus Moskau: Eine Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) war unter Leitung von dessen Generalsekretär Jerry Pillay in Moskau, um ein Gespräch mit Patriarch Kyrill zu führen. Zuvor war man bereits in der Ukraine vor Ort. Das Ziel: Die Besuche sollten „Brücken des Friedens und der Versöhnung durch Begegnung und Dialoge bauen und dazu beitragen, militärische Konflikte, Kriege und Gewalt zu beenden“, hieß es in einer Pressemitteilung. Nach dem Besuch las sich die Mitteilung des ÖRK bescheidener. Kyrill sei bereit, an einem Runden Tisch zu solch einer Thematik teilzunehmen, müsse das aber zuvor noch intern besprechen.

Mit Verlaub, das war erwartbar. Es ehrt den Weltkirchenrat, dass er alles versucht, was in seiner Macht steht, um Frieden zu schaffen. Aber wie will man das Oberhaupt einer Kirche, die einen für Frieden betenden Priester laisieren will, zu irgendwelchen Zugeständnissen bewegen? Es wäre deswegen hilfreich, würde auch in Genf ein gewisser Realismus einziehen. Und dazu gehört, dass man sich vor der Frage nach Friedensgesprächen zunächst eine andere Frage stellt: Wie kann es eigentlich sein, dass ein Geistlicher einer Mitgliedskirche des ÖRK für ein Friedensgebet bestraft wird? Eigentlich hätte es hier einen Aufschrei sämtlicher anderer Mitgliedskirchen und der ÖRK-Zentrale geben müssen. 

Und auch die Mitgliedschaft der russisch-orthodoxen Kirche im ÖRK sollte wieder Thema werden: Im Umfeld der ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe im vergangenen Jahr erschien es sinnvoll, die Mitgliedschaft der russisch-orthodoxen Kirche im Weltkirchenrat nicht zu suspendieren, um weiter eine Brücke nach Moskau zu haben. Doch mittlerweile ist viel Wasser die Rhone, die Moskwa und den Dnipro heruntergeflossen. Die russisch-orthodoxe Kirche hat sich weiter radikalisiert. Da sollte sich auch der Weltkirchenrat fragen, wo seine roten Linien sind. Denn mit einer Kirche, die einen Geistlichen für ein Friedensgebet bestraft, kann man nicht ernsthaft über Frieden sprechen. Und sie gehört schon gar nicht in den ÖRK.

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