Was macht wirklich gesund?

Der Soziologe Mac Luy hat vor einigen Jahren Archive ausgewertet und die Lebenszeit von 11.500 Mönchen und Nonnen in zwölf deutschen Klöstern im Zeitraum von 1890-1995 untersucht: Die Lebenserwartung von Mönchen liegt demnach signifikant höher – um vier Jahre – , als die der Männer außerhalb der Klostermauern. Eine andere Studie sagt, dass Nonnen gegen Alzheimer resistenter sind. Lebt sich´s gesünder im Kloster? Woran könnte das liegen? Sicher nicht an einem geheimen Wissen, das außerhalb der Klostermauern nur bei Kräuterweibern und Bauerndoktoren überlebt hätte.

Aber eine Quelle der Inspiration für gesundes Leben ist die klösterliche Tradition, auch wenn sie in manchem so „unmodern“ scheint. Die heilige Ärztin des Mittelalters, Hildegard von Bingen, spricht von der „viriditas“ (Grünkraft) aus dem Lebensgrund: Diese Lebenskraft ist für sie das Herz Gottes und die Grundkraft des Menschen. Ist es vielleicht genau das, was wichtig wäre, auch für unser Gesundheitsverständnis heute: ein anderer Blick aufs Leben?

Klöster kann man als Gegenwelten zum hektischen, krankmachenden Alltag sehen. Von Atemholen, von Stille und Ruhe ist da oft die Rede, von Achtsamkeit gegenüber Leib und Seele, von einem angemessenen Rhythmus des Lebens, von der Bezogenheit auf die Schöpfung, in der Natur nicht verzweckt oder nur geschröpft wird. Da werden Gärten noch poetisch gesehen, als Lobpreis Gottes. Aber es werden auch praktische Konsequenzen gezogen: in ökologischer Landwirtschaft oder alternativer Energiegewinnung etwa: Dinge, die guttun – dem einzelnen und der Gesellschaft.

Da kommt auch ein umfassendes Gesundheitsverständnis in den Blick. Der Medizinhistoriker Heinrich Schipperges hat es einmal so gesagt: „Gesund ist, wer jeden Tag geschenkten Lebens als Chance nimmt und sich zeitlebens im Prozess des Geborenwerdens weiß.“ Gemeint ist also keineswegs permanentes Wohlfühlen.

„Gar nicht krank, ist auch nicht gesund“: Der Satz stammt von Karl Valentin. Und der ist damit dem Gesundheitsverständnis Hildegards oder Benedikts vermutlich näher als man-che heutigen Fitnessfanatiker oder Pillenapostel. Dass man krank werden und trotzdem „heil“ sein kann, weiß die spirituelle Tradition nämlich.

Klöster sind vielleicht ein Anachronismus gegenüber dem Zeitgeist mit seiner gestressten Kurzatmigkeit und seiner gedopten Leistungsversessenheit. Aber gerade in der Widerständigkeit einer solchen Lebensform könnte der Schlüssel zu einem Leben in Balance liegen, das viele suchen.

Der Benediktinermönch David Steindl- Rast wurde einmal gefragt: „Was kann ein Einzelner tun, um nicht nur seine eigene Gesundheit zu fördern?“ Er antwortete: „Wann haben Sie zuletzt eine Nacht in einem Schlafzimmer mit einem einzigen kleinen Moskito verbracht? Sie werden festgestellt haben: Eine einzige Stechmücke kann einen die ganze Nacht wachhalten. Und darauf kommt es doch an: die Welt wachzuhalten.“

Du musst aufwachen – und dein Leben ändern, will das sagen. Denn nur so kann sich auch eine kranke Gesellschaft und eine marode Umwelt verändern.

Und für die Einzelnen? Dass Mönche älter werden, fasziniert auch in einer Gesellschaft, die immer älter wird, immer noch. Aber vielleicht geht es gar nicht darum, dem Leben noch mehr Jahre, sondern den Jahren mehr Gesundheit, mehr Lebensfreude, mehr Geschmack zu geben!

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