Diakonia 4/2019

Heft 4/2019Katholische Erwachsenenbildung – ein Auslaufmodell?

Inhalt
1. Auflage 2019
Bestellnummer: Z060029
Erscheinungstermin PDF: 2019
Bestellnummer PDF: D100424

Oft wird der katholischen Erwachsenenbildung im Sinne der Konstitution »Gaudium et Spes« des 2. Vatikanischen Konzils zugeschrieben, ein »Fenster zur Welt« im kirchlichen Sinne zu sein. Eine solche funktionale Zuschreibung geht implizit von einem dualistischen Kirchen- und Weltbild aus, das spätestens seit der letzten Jahrtausendwende deutlich bröckelt, weil Kirche und Welt heute nicht mehr als Gegenüber begriffen werden können. Wenn Kirche für Menschen und Gesellschaft als bedeutend, als sinnstiftend, als hilfreich und lebensrelevant erlebt werden will, dann muss sie sich einmischen, muss greifbar werden in echten Beziehungsangeboten. Das heißt, sie muss Stellung beziehen, muss Menschen in Not begleiten, sie muss ihre Irrtümer bekennen und sich öffnen für die eigenen Unzulänglichkeiten und die der Welt, weil sie selbst Teil der Geschichte ist. Dann erst ist sie mitten in der Gesellschaft angekommen und kann ihre religiöse Botschaft auf dem Hintergrund ständiger Veränderungen verkünden.

Um das zu tun, benötigt sie Menschen und Institutionen, die offen, dialogisch und diakonisch orientiert auf Menschen zugehen. Im Konzert solcher Institutionen, wie caritative Einrichtungen, Schulen und Verbände, steht die Erwachsenenbildung mit ihren Ansprüchen, ihren aus dem christlichen Menschbild begründeten Bildungsidealen als ein Instrument zur Verfügung. Denn katholische Erwachsenenbildung versteht sich als kulturelle Diakonie in dem Sinne, dass sie eine Lebensbegleiterin sein will, die Orientierung und Hilfen bietet, indem sie Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung begleitet. Sie versteht sich als Diskursplattform, die politische und soziale Fragestellungen aufgreift und sie unvoreingenommen diskutierbar macht. Auf diese Weise will sie Kirche in der Welt mitgestalten. Ob ihr das gelingt, zeigt die Resonanz auf ihr Angebot, zeigt sich bei den Zielgruppen, die sie ansprechen kann, und darin, ob sie Menschen unterschiedlicher Herkünfte, Milieus und Lebensorientierung einen interessanten Bildungsrahmen bietet. Erst dann lässt sich die Frage beantworten, ob sie ein Auslaufmodell ist oder ob sie eine kirchliche Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit an die Menschen ist. Die Beiträge in diesem Heft werfen Schlaglichter auf Ansprüche und Wirklichkeiten und auf Möglichkeiten und Grenzen der katholischen Erwachsenenbildung und geben so spannende Impulse für ihre Verortung und Bedeutung in der Kirche und ihr Wirken in der Gesellschaft.

Über diese Ausgabe

Beiträge

  • Plus S. 218-225

    Sehnsucht nach AuthentizitätKatholische Erwachsenenbildung als Beziehungs- und Dialogangebot

    Die Katholische Erwachsenenbildung will vor dem Hintergrund des christlichen Welt- und Menschenbildes einen Beitrag zur Subjektwerdung des Menschen und zur Humanisierung der Gesellschaft leisten. Sie will dem Individuum Glaubens- und Lebenshilfe zuteilwerden lassen, d. h. lebensbegleitend die Fähigkeit des Menschen zu sinn- und wertebezogenem Handeln stärken.

  • Plus S. 226-233

    Bildung als kulturelle Diakonie

    Wie sieht eine rekontextualisierte, sich kulturell diakonisch verstehende kirchliche Erwachsenenbildung heute aus? Wie ist heute die Beziehung von Diakonie, Bildung und Kultur zu beschreiben?

  • Plus S. 234-241

    BildungsgerechtigkeitAus der Perspektive der Erwachsenenbildung

    In einem emphatischen Sinne strebt Katholische Erwachsenenbildung nach Bildungsgerechtigkeit. Doch zugleich droht sie selber durch ihre Hermeneutik und Praxis Ungerechtigkeit zu produzieren. So scheint sie beides zu sein: Ort der Suche nach Bildungsgerechtigkeit, nach Inklusion und zugleich Ort vollzogener Exklusion.

  • Plus S. 250-255

    Mehr Diakonie wagen ...

    Seit den 2000er Jahren hat die Milieutheorie in der kirchlichen Praxis eine erstaunliche Karriere erlebt. Dies gilt insbesondere für die Sinus-Kirchenstudie aus dem Jahr 2005, die besonders eindrucksvoll in den damals neuen pastoralen Arbeitsfeldern wie Jugendkirchen oder Projekte der City-Seelsorge rezipiert worden ist, die aber auch für die pastoralen Planungsprozesse in den Pastoraldezernaten der Diözesen eine wichtige Arbeitshilfe war. Auch das gesamte Feld der Erwachsenenbildung (allgemeine wie berufliche Weiterbildung) profitierte von der Milieutheorie.

  • Plus S. 256-261

    Katholische ErwachsenenbildungIhre Identität in Zeiten kirchlicher Umbrüche

    Wenn sich also die Bischöfe am Ersten Advent gemeinsam mit den Vertretungen des deutschen Laienkatholizismus auf einen zweijährigen »Synodalen Weg« begeben, dann bedeutet das eine kompromisslos reformorientierte Auseinandersetzung mit den Themenfelder »Macht / Partizipation / Gewaltenteilung«, »Sexualität / Sexualmoral«, »Priesterliche Lebensform« und »Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche«. So wichtig diese vier Themenbereiche sind, Katholische Erwachsenenbildung scheint durch sie nicht tangiert zu sein – oder etwa doch?

  • Plus S. 262-267

    Wohin geht die Familienbildung?

    Familienbildung hat sich mit ihren Aufgaben seit der Zeit der »Mütterschulen« stark verändert. Sie stellt sich der Aufgabe, Familien in all ihren Facetten zu begleiten und zu unterstützen. Sie fordert von der Kirche eine Öffnung auf die bunte Realität des Familienlebens und zeigt sich selbst als Raum, Glauben zu leben in Auseinandersetzung mit allen Lebenslagen von Menschen und ihren Herausforderungen.

Best Practice

  • Plus S. 268-272

    Kulturmittlerin und KulturmittlerQualifizierung im Haus der Familie Münster: Bereicherung und Herausforderung

    Deutschland ist gewollt oder nicht gewollt im Verlauf der letzten Jahrzehnte zum Einwanderungsland geworden. Diese Tatsache hat Konsequenzen für alle Lebensbereiche, bietet Chancen und Herausforderungen für Institutionen, Organisationen, Einrichtungen. Das gilt auch für das Haus der Familie Münster – Katholisches Bildungsforum im Stadtdekanat Münster e. V. Konkret bedeutet dies, dass Konzepte, Planungen und Angebote sich daran messen lassen müssen, inwieweit interkulturelle und interreligiöse Blickwinkel Berücksichtigung finden. Nur dann kann sich Katholische Familien- und Erwachsenenbildung auf dem Bildungsmarkt mit ihrer integrativ orientierten Bildungsarbeit profilieren.

  • Plus S. 273-278

    Mentoring – ein Gewinn für die Kirche

    »Wenn ich mich verändere, verändert sich alles um mich herum.« Diese Erfahrung brachte sechs Monate nach dem Start unseres Mentoring-Programms eine junge Nachwuchskraft ins Wort.

  • Plus S. 279-284

    Die große (Zukunfts-)Chance für Träger!

    Anhand des Angebots der Katholischen Akademie »Beratung von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen« für ambulante Pflegedienste wird gezeigt, wie Einrichtungen und Träger bei Transformationsprozessen der pflegerischen Versorgung individuell begleitet werden, so dass sie sich zukunftsorientiert aufstellen können.

Aus dem Fuchsbau

  • Plus S. 285-287

    Firmung als Basis der Erwachsenenbildung

    Ein besonders interessantes theologisches Profil gewinnt die kirchliche Erwachsenenbildung auf dem Hintergrund einer Firmpastoral, die dieses Sakrament bekanntlich als Sakrament der »Mündigkeit« zu erfassen versucht und damit ein entsprechendes Bildungsverständnis mobilisiert.