Chancen und Herausforderungen gemeindlicher PartnerschaftenDamit die Hilfe der Sternsinger ein Gesicht bekommt

Die Geburtsstunde des Kindermissionswerks fällt in eine Zeit der Horizonterweiterungen. Große Fortschritte und neue Erkennt- nisse, besonders auch der beginnende Kolonialismus, hatten viel Gewohntes in Frage gestellt und erkennen lassen, dass die Welt weitaus größer ist, als der eigene Horizont reicht.

All dies warf viele Fragen auf: Wie sollte man die zuvor unbekannten Kulturen deuten und bewerten? Sollte es das Ziel sein, die Menschen in den neu erschlossenen Territorien in die eigene Kultur, die man als höher entwickelt betrachtete, einzuführen? Oder sollte der kulturelle Unterschied den Kolonialherren gar das Recht geben, über die als rückständig bewerteten Völker nach eigenen Vorstellungen zu herrschen und sich ihrer Arbeitskraft und der Schätze ihrer Länder zu bedienen?
Dieser holzschnittartige Aufriss der Situation, in der sich Europa im Jahr 1846, dem Gründungsjahr des Kindermissionswerks, befand, kann einen Eindruck davon geben, welche großen Fragen die Gesellschaft beschäftigten. Und man fand sehr unterschiedliche Antworten auf diese Fragen. Auguste von Sartorius, das 15-jährige Mädchen, das den Anstoß zur Gründung des Kindermissionswerks gab, war ein Kind dieser Zeit. Sie hatte von der Situation von Kindern in fernen Ländern erfahren und mobilisierte zunächst andere Jungen und Mädchen in ihrem Umfeld. Sie war davon überzeugt, dass alle Kinder der Welt Gottes Geschöpfe sind, denen auch die gleiche Würde zukommt. Und für diese Würde müsse man sich einsetzen. Der Kolonialgedanke war indes ein anderer.
Der Handlungsimpuls, der sich aus diesem Zwiespalt ergab, führte zur Gründung zahlreicher Missionsorden und mobilisierte, vor allem in Frankreich und Deutschland, auch Laien, sich für das missionarische Wirken der Kirche einzusetzen. Man übernahm Verantwortung für die Menschen in der Ferne. Menschen aus Europa setzten sich ein für Menschen in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika. Zweifellos entsprang dieses Engagement dem Willen, aus christlicher Motivation die Situation anderer Menschen zu verbessern. In der Rückschau wird man heute sagen müssen, dass darin auch einige problematische Aspekte lagen. Von einem „Export“ der europäischen Werte, einer Dominanz der abendländischen Kultur gegenüber den Kulturen der Völker des Südens wurde in der kritischen Rückschau gesprochen – und dies sicherlich nicht zu Unrecht.

Globalisierung der Solidarität

Die Globalisierung der Wirtschaft ist den Ländern der Welt seit der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert mit großer Wucht zu Bewusstsein gekommen. Bankenpleiten und Wirtschaftskrisen sind, so wurde deutlich, nicht mehr nur Sache einzelner Länder. Ökonomische Entwicklungen machen nicht an nationalen Grenzen halt. Diese globale Entgrenzung gilt nicht nur für die Ökonomie, sondern auch für ökologische und soziale Entwicklungen. Die Auswirkungen der globalen Erderwärmung, deren Verursacher vor allem die Industrieländer sind, führen zur Ausbreitung der Wüsten. Das Kaufverhalten der Bürger in den Industrieländern befördert ausbeuterische Arbeitsbedingungen in vielen Ländern, auch Kinderarbeit. Es drängt sich die Frage auf: Ist es zu verantworten, eine Globalisierung der Ökonomie zu denken, ohne eine Globalisierung der Solidarität mitzudenken?

Sternsingen und globale Verantwortung

Der Gedanke einer globalen Verantwortung der Menschen füreinander, der im 19. Jahrhundert zur Entstehung der beschriebenen sozialen und missionarischen Bewegungen führte, wirkt, wenn auch in gewandelter Form, bis heute fort. Im Jahr 2018 findet die 60. Aktion Dreikönigssingen statt. Die Tradition des Sternsingens gibt es, mit regionalen Unterschieden und Eigenheiten, bereits seit dem Mittelalter. Als die Deutsche Bischofskonferenz und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend den Beschluss fassten, die Initiative für das Dreikönigssingen in den katholischen Gemeinden Deutschlands zu ergreifen, spielte der Aspekt der globalen Verantwortung eine entscheidende Rolle. Kinder bringen den Weihnachtssegen von der Krippe zu den Häusern und bitten um Spenden für Not leidende Kinder in der Welt. Von kleinen und bescheidenen Anfängen hat sich diese Initiative zur weltweit größten Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder entwickelt.
Das Sternsingen ist jedoch keine reine Spendensammlung – es ist auch ein Ort des Globalen Lernens. So ist die Vorbereitung auf das Sternsingen weit mehr als die Anprobe der Gewänder, das Üben der Lieder und der Einteilung der Gruppen. Die Aktion Dreikönigssingen nimmt jedes Jahr exemplarisch ein Thema in den Fokus, das die Situation von Kindern in einem Land in Afrika, Asien, Lateinamerika, Osteuropa oder Ozeanien vorstellt. Dazu werden Filme, Lieder und Arbeitsmaterialien erstellt, die den Gemeinden und Gruppen dabei helfen, die Kinder und Jugendlichen aufs Sternsingen vorzubereiten. Dadurch erfahren Kinder nicht nur beispielhaft, wofür das von ihnen gesammelte Spendengeld verwendet wird. Sie erhalten auch Einblick in die Lebensrealität von Kindern in anderen Ländern, erfahren von ihren Tagesabläufen, ihren Herausforderungen, ihrer Glaubenspraxis. Auf kindgerechte Weise wird ihnen ermöglicht, nicht allein Faktenwissen zu erwerben, sondern auch ihre eigene Lebenssituation zu reflektieren. So werden die Sternsinger Teil einer Bewegung, deren Charakter das Motto
„Kinder helfen Kindern“ auf den Punkt bringt.

Partnerschaft bekommt ein Gesicht

Das Engagement der Sternsinger für Kinder in der Welt wird durch das Kindermissionswerk nicht allein durch Bildungsangebote und Materialien unterstützt. Das Werk sorgt auch dafür, dass die Spenden, die die Sternsinger sammeln, in Projekten weltweit ihre Wirkung entfalten. Jährlich stellt die Aktion Dreikönigssingen beispielhaft Kinderprojekte in ausgewählten Ländern vor, doch das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ fördert insgesamt etwa
2.200 verschiedene Projekte in 122 Ländern. Über die Mittelvergabe entscheidet eine Vergabekommission, der neben Vertretern der kirchlichen Hilfswerke auch Vertreter des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, der deutschen Bistümer und der Deutschen Bischofskonferenz angehören.
Manchmal gibt es bereits bestehende Kontakte von Pfarreien zu einem Kinderprojekt im Süden. Eine Partnerschaft, die hieraus entstehen kann, baut sich dann oft über Jahre auf. Eine solche Lebens-, Lernund Solidargemeinschaft kann im konkreten Fall bedeuten, den Kontakt und den Austausch zu pflegen. Sicherlich ist der Fortgang des Projektes, das mit den Sternsingerspenden unterstützt wird, von ganz besonderem Interesse. Zu erfahren, wie es den Partnern in der Ferne geht und wie ihre Arbeit Früchte trägt, kann der Gemeinde Motivation geben. Der Kontakt mit den Partnern kann aber auch bedeuten, sich über Fragen des Glaubens auszutauschen und füreinander zu beten – und er kann Aspekte gegenseitiger Beratung umfassen. Begegnungen sind in Deutschland und im Partnerland möglich. Auf diese und ähnliche Weise gibt ein lebendiger, partnerschaftlicher Kontakt zwischen Nord und Süd der Weltkirche ein konkretes Gesicht.
Das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘, das sämtliche Sternsingerspenden der Aktion Dreikönigssingen verwaltet, steht diesen Partnerschaften mit professioneller Unterstützung zur Seite. Es sorgt für eine nachhaltige, wirksame und transparente Mittelverwendung und berät die Projekte, sich professionell für die Zukunft aufzustellen. Dazu ist es nötig, dass das Kindermissionswerk frühzeitig in die Überlegungen zur Planung, Finanzierung und Durchführung des betreffenden Projektes einbezogen wird. Durch seine engen Kontakte in die Partnerländer gewährleistet das Kindermissionswerk, dass die Spenden sinnvoll und wirksam eingesetzt werden und Missbräuche ausgeschlossen sind. Dennoch sollte es dem Partnerprojekt ermöglicht werden, sich selber zu helfen und aus der „Abhängigkeit“ ausländischer Hilfen zu befreien. Durch Hilfe zur Selbsthilfe kann echtes Miteinander auf Augenhöhe gelingen.

Von der Patenschaft zur Partnerschaft

Eine Patenschaft einzugehen folgt der Absicht, Verantwortung für andere zu übernehmen. Dieser Grundsatz prägte lange Zeit das weltkirchlich-missionarische Engagement der Ordensgemeinschaften, Verbände und Gemeinden. Das Motto „Not sehen und handeln“, das auf Lorenz Werthmann, den Gründer der Caritas, zurückgeht, fasst die Haltung des „Wirfür-euch“ zusammen. Sicherlich ist es auch geboten, an Not nicht vorbeizusehen und bedürftige Menschen allein zu lassen. Die Motivation, Not zu lindern und durch gezieltes Wirken Maßnahmen zu ihrer Beseitigung durchzuführen, hat lange Zeit das weltkirchlichmissionarische Wirken geprägt und tut dies sicherlich auch noch heute.
Inzwischen wird das Verständnis weltkirchlichen Handelns als reines „Wir-für-euch“ indes differenzierter gesehen. Es hatte sich gezeigt, dass sich aus dem Mitund Zueinander von Helfern und Hilfsempfängern nicht selten eine Situation des Oben und Unten entwickelte. Dies aber widerspricht dem Ziel eines geschwisterlichen Miteinanders, das über die Grenzen der Länder und Kulturen hinweg ein wesentliches Merkmal der Kirche ist. Im Schreiben der deutschen Bischöfe „Allen Völkern sein Heil“ aus dem Jahre 2004 heißt es hierzu: Die Weltkirche ist „als Glaubensgemeinschaft gleichermaßen eine Lerngemeinschaft, eine Gebetsgemeinschaft und eine Solidargemeinschaft.“ Als Erläuterung führt das bischöfliche Wort eine Lebensweisheit an, die in asiatischen Ortskirchen überliefert wird: „Niemand ist so reich, dass er nichts zu empfangen hätte, und niemand ist so arm, dass er nichts zu geben hätte.“ Weltkirchliches Engagement ist also nicht (nur) ein reines „Wir-für-euch“, sondern immer auch ein Miteinander.
Dieses Miteinander drückt sich im Begriff der „Partnerschaft“ aus. Im Unterschied zur Patenschaft kann sie den Horizont beider Partner weiten und die alleinige Fokussierung auf die Hilfsleistung vermeiden. Immer mehr kommt ins Bewusstsein, dass die Weltkirche mit ihrem Reichtum an Ausdrucksformen, spirituellen Traditionen und Kulturen ein großer Schatz ist, der gerade dann gehoben werden kann, wenn sich die Kirche auf den Weg des gemeinsamen Lernens, des Betens und der Solidarität macht.

Segen bringen – Segen sein

Die drei Weisen, so die biblische Überlieferung, folgten dem Stern, der sie zur Krippe nach Betlehem führte. Die Symbolik der Dreizahl ist vielfältig; eine wichtige Bedeutung ist: Aus allen (damals bekannten) Kontinenten der Erde kommen Menschen, um Jesus zu sehen. ihm Ehre zu bezeugen und die Kunde von der Geburt des Gottessohnes in ihre Heimat zu bringen. Anders ausgedrückt: Die froh machende Botschaft geht alle an!
Heute drückt das Sternsingen genau dies aus: Der Segen, der von der Krippe kommt, ist nichts Exklusives, sondern ein Zeichen der Heilszusage für alle Welt. Das globale Engagement der Sternsingeraktion ist eine wichtige Facette dieser universalen Botschaft. Dies ist gerade dann erfahrbar, wenn Partnerschaftlichkeit über Grenzen hinweg gelebt wird.

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