Interview mit Dirk Bingener (BDKJ)Von der Mission, einem guten Stern zu folgen

Gemeinsam mit dem Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ organisiert der Bund der Deutschen Katholischen Jugend die Aktion Dreikönigssingen. Im Gespräch mit dem Anzeiger für die Seelsorge geht Bundespräses Pfarrer Dirk Bingener auf die einmalige „weltkirchliche ErfolgsAktion“ der katholischen Kirche in Deutschland ein.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend ist zusammen mit dem Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ Träger der Aktion Dreikönigssingen. Was bedeutet die gemeinsame Trägerschaft für den BDKJ?
Der BDKJ vertritt die Interessen von 660.000 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland, die in 17 Jugendverbänden organisiert sind. Viele dieser jungen Menschen engagieren sich als Sternsingerinnen und Sternsinger sowie als Begleitende beim Sternsingen. Sie tragen die Aktion Dreikönigssingen in den Gemeinden und Verbänden mit und sind Teil einer beeindruckenden Bewegung von Kindern für Kinder. Als Dachverband unterstützen wir dieses Engagement auf vielfältige Weise. So erarbeiten wir gemeinsam mit dem Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ die Kernmaterialien zur Aktion und setzen uns besonders für eine kinderund jugendgerechte Darstellung der Schwerpunktthemen ein. Zugleich bringen wir – etwa über die Sozialen Medien, aber auch über die Vernetzung des BDKJ in Politik und Gesellschaft – die Themen und Anliegen der Aktion Dreikönigssingen in den gesellschaftlichen Diskurs ein.

Welche Rolle spielen die Diözesanverbände bei der Durchführung der Aktion?
Die Diözesanverbände des BDKJ tragen entscheidend dazu bei, die Aktion und das jeweilige Schwerpunktthema in den Bistümern zu vermitteln. Sie veranstalten Workshops für Verantwortliche und nutzen ihre Kanäle und diözesanen Kontakte, um für die Teilnahme an der Aktion zu werben. Jeder Diözesanverband entsendet zudem eine Vertreterin oder einen Vertreter in die Jahreskonferenz der Aktion Dreikönigssingen. Dort wird über Motto und Plakat der jeweils nächsten Aktion ebenso entschieden wie über die Themenschwerpunkte und Beispielländer der Folgejahre. Zudem berät die Jahreskonferenz über die strategische Weiterentwicklung der Aktion und gibt Impulse, die der Bundesverband gemeinsam mit dem Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ in der kontinuierlichen Arbeit an den Materialien und der Öffentlichkeitsarbeit aufgreift und umsetzt.

Welche Gedanken leiten Sie beider Auswahl des Themas und des Beispiellands?
Für uns ist das Thema der jeweiligen Aktion immer ein wichtiges Signal in die deutsche Öffentlichkeit: Als Christinnen und Christen setzen wir uns ein für weltweite Solidarität und Gerechtigkeit. Dabei ist es uns besonders wichtig, die hergebrachten Klischees von „armen Kindern“ zu vermeiden und stattdessen darauf zu schauen, wie wir Kinder angesichts oft ausweglos scheinender Situationen stark machen können. So greift die Aktion Dreikönigssingen Themen von hoher gesellschaftlicher Relevanz auf, die für Kinder und Jugendliche bei uns genauso wichtig sind wie für ihre Altersgenossen in den Ländern des Südens. „Respekt“ oder „Schöpfung“ – das sind Themen, die junge Menschen bei uns angehen und sie beschäftigen, genauso wie in Bolivien, in Kenia oder wo auch immer auf dieser Welt. Dabei möchten wir immer wieder zeigen, was es bedeutet, wenn Jungen und Mädchen sich selbst in Veränderungsprozesse einbringen, wie sie einander und damit auch der Gesellschaft, in der sie leben, helfen können, Ausgrenzung und Ungerechtigkeit zu bekämpfen und letztlich Not und Elend zu überwinden.

Wie bildet sich dieser Anspruch in den Projekten der Aktion Dreikönigssingen ab?
Die Projekte, die mit den Sternsingergeldern unterstützt werden, sind auf Nachhaltigkeit angelegt. Ihr Ziel ist es, die Menschen vor Ort zu befähigen, ihre Situation nach und nach aus eigener Kraft zu verändern. In vielen Gegenden unserer Welt ist es immer  noch so, dass Kinder und Jugendliche ihre grundlegenden Rechte nicht kennen, geschweige denn einklagen können. Deshalb unterstützt die Aktion Dreikönigssingen besonders viele Bildungsprojekte, aber auch Programme und Maßnahmen, die Kindern und Familien Wege aus den Strukturen von Ausbeutung und Unterdrückung bahnen. Wenn unsere Partner in der Welt von Naturkatastrophen, Krisen und Kriegen heimgesucht werden, unterstützen wir sie auch mit Nothilfen. Diese Solidarität ist wichtig und rettet Leben. Dennoch steht die langfristige, nachhaltige Hilfe für Kinder und Jugendliche im Schwerpunkt der Projektarbeit, damit junge Menschen zu starken Persönlichkeiten heranwachsen können, die dazu beitragen, ungerechte Strukturen zu überwinden und Frieden zu stiften.

Welche Rolle spielt der BDKJ konkret bei der Begleitung der Hilfsprojekte?
Die Projekte, die die Aktion Dreikönigssingen fördert, werden zunächst von den Partnern in Afrika, Lateinamerika, Asien und Osteuropa beantragt. Diese Anträge gehen   beim  Kindermissionswerk

‚Die Sternsinger‘ ein und werden dort von den Fachund Länderreferenten geprüft, die die Situation vor Ort gut kennen, den Hilfsbedarf einschätzen und die geplanten Maßnahmen einordnen können. Vier Mal jährlich prüft und entscheidet die Vergabekonferenz über die Vergabe der Mittel aus der Aktion Dreikönigssingen und wählt die Projekte aus, die gefördert werden. An dieser Vergabekonferenz nimmt – neben Vertretern des Kindermissionswerks, anderer Hilfswerke sowie der Diözesen und der  Deutschen Bischofskonferenz – auch der BDKJ teil. So entscheiden wir mit über die Schwerpunkte, die die Aktion Dreikönigssingen in ihrer Projektarbeit setzt, und helfen, sicherzustellen, dass die Spenden der Sternsinger sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden.

Sind Werte wie Solidarität und Engagement für die Eine Welt für Kinder und Jugendliche hierzulande überhaupt noch interessant?
Meine persönliche Erfahrung, aber auch aktuelle Studien zeigen mir immer wieder: Kinder und Jugendliche sind bewegt von Themen der Gerechtigkeit und Solidarität, auch wenn sie sie vielleicht nicht in diesen eher abstrakten Begriffen fassen. So führt die Frage nach Fairem Handel oder das Thema des Kritischen Konsums junge Menschen ganz unmittelbar zum Thema der Kinderarbeit. Kein Kind will, dass Gleichaltrige ausgebeutet werden. Deshalb haben wir das Thema der Kinderarbeit in der Aktion 2018 so aufgegriffen, dass wir zeigen, was es für Kinder konkret bedeutet, arbeiten zu müssen. Wir lassen sie selbst berichten und geben ihnen in den Materialien und im Film zur Aktion eine Stimme. Die Berichte von arbeitenden Kindern greifen wir wiederum auf, um zu erklären, welche strukturellen Ursachen Kinderarbeit hat – und, vor allem, wie wir in Deutschland dazu beitragen können, sie zu bekämpfen. Dabei möchten wir den Sternsingern vermitteln: Ihr seid handelnde Menschen in dieser Welt, euer Engagement, eure Stimme kann etwas verändern. Dass das so ist, zeigen nicht allein die beeindruckenden Spendenergebnisse. Vor allem wird es deutlich an der Freude der Menschen, die die Sternsinger besuchen, und an der Anerkennung und dem Respekt, die sie für ihren Einsatz erfahren – bis hin zu den großen Empfängen im Kanzleramt, beim Bundespräsidenten und in zahllosen öffentlichen Einrichtungen in ganz Deutschland.

Welchen Bezug haben die Themen der Einen Welt, die ja von vielen Akteuren aufgegriffen werden, zum Glauben und zur religiösen Orientierung von Kindern und Jugendlichen?
Für uns als BDKJ ist es zunächst einmal sehr wichtig, wahrzunehmen, wo junge Menschen in Deutschland stehen, welche Themen sie beschäftigen und welche Anliegen sie haben. Deshalb haben wir unter anderem bei der großen SINUS-Studie „Wie ticken Jugendliche?“ danach gefragt, wo Menschen im Alter von 14 bis 17 Jahren stehen, auch in Bezug auf ihre Haltung zur Kirche und zum Glauben. Dabei ist noch einmal ganz deutlich geworden: Bei aller Skepsis gegenüber Institutionen, auch gegenüber der Kirche, sind Jugendliche interessiert an Sinnfragen, orientieren sich an Werten und fordern diese auch von der Gesellschaft ein. Zugleich erleben wir bei jungen Menschen in Deutschland Skepsis, ob sie selbst etwas beitragen können zu einer gerechteren Welt. Vor diesem Hintergrund ist es für mich – gerade beim Beitrag des BDKJ zur Aktion Dreikönigssingen – entscheidend, dass wir nicht theoretisch von „der Einen Welt“ sprechen und Engagement oder Solidarität als solche einfordern. Vielmehr möchten wir Kindern und Jugendlichen in der Aktion Dreikönigssingen ein Angebot machen: Lass dich ein auf Menschen, die vielleicht weit weg leben, aber oft ganz ähnliche Wünsche und Sehnsüchte haben wie du selbst. Und lass dich bewegen, dich als Sternsinger oder Begleiterin ganz konkret für Kinder in Not einzusetzen. Wenn diese Motivation da ist, wenn klar wird, dass der eigene Beitrag Teil von etwas Großem ist, das tatsächlich Folgen hat, Not lindert und neue Perspektiven aufzeigt, dann hat das für die Kinder und Jugendlichen auch ganz stark mit ihrer eigenen Sehnsucht nach Sinn zu tun. Diesen Sinn des Sternsingens geben nicht wir als Verbände oder die Pfarrgemeinde als Organisator der Aktion Dreikönigssingen vor – die Kinder und Jugendlichen schaffen ihn durch ihr Tun selbst.

Sie betonen den Aspekt des Engagements junger Menschen für eine „gute Sache“.  Ist das für  Sie der Kern der Aktion Dreikönigssingen?
Ja, das Engagement, der Einsatz für andere oder, christlich ausgedrückt, die tätige Nächstenliebe, die die Sternsinger üben, gehören zum Kern der Aktion Dreikönigssingen. Doch es gibt einen weiteren zentralen Aspekt: Sternsinger sind nicht aus ethischen Überlegungen heraus unterwegs. Sie werden „ausgesandt“. Ich darf das persönlich immer sehr eindrucksvoll bei der Feier der bundesweiten Aussendung der Sternsinger erleben, die stets in einem anderen deutschen Bistum stattfindet, mitorganisiert vom jeweiligen BDKJ-Diözesanverband. Da kommen dann zwischen 1.000 und 2.000, manchmal sogar bis zu 4.000 Kinder und Jugendliche zusammen, füllen eine große Kirche oder den Dom, und auf einmal wird mir und allen, die da sind, klar, was es heißt, dass die Sternsingeraktion die weltweit größte Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder ist. Was da im Großen stattfindet, ereignet sich zur Sternsingerzeit in ganz Deutschland vor Ort – in den Bistümern, den Dekanaten und Pfarrgemeinden: Sternsinger kommen in die Kirche, zur Krippe, und werden ausgesandt zu den Menschen, um den Segen zu bringen. Für mich drückt sich in diesem Gedanken der Sendung etwas aus, das besonders junge Menschen ganz fundamental anspricht: Ein Ziel zu haben, eine Mission, einem guten Stern zu folgen, Segen zu sein und Segen zu bringen. Das gehört für mich untrennbar zum praktischen Einsatz der Sternsingerinnen und Sternsinger für eine bessere Welt dazu.

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