Der Monatsspruch im Februar 2022

Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.
Epheser 4,26

Sarah sitzt auf ihrem Sofa und erholt sich von der Arbeit. Sie scrollt auf ihrem Handy, nebenbei läuft das Radio. Pling. Eine Whats-App-Nachricht ist auf Sarahs Handy eingegangen. Eine Nachricht von einer Kollegin. Eine Nachricht mit bösen Unterstellungen. Die Worte treffen Sarah schwer. Die Unterstellungen stimmen nicht. Und das macht Sarah richtig wütend. Aufgebracht wirft sie ihr Handy auf dem Sofa von sich weg. Ihre Gedanken bleiben trotzdem bei der Nachricht. Heute Vormittag haben sie noch zusammengearbeitet, da war nichts an Feindseligkeit zu spüren, und jetzt so was. Sarah ist enttäuscht und auch ziemlich fassungslos, was ihr da unterstellt wird. Ihre ersten Gedanken, nett formuliert: „So eine blöde Kuh.“ – „Was will sie damit erreichen?“ – „Was habe ich ihr getan, dass sie so gegen mich ist?“ – „Die hat sie doch nicht mehr alle.“

Sarah macht dicht und steigert sich in ihre Wut hinein. Ihr Blick ist finster. Ihr Blut kocht und sie weiß gar nicht, wohin mit all der negativen Energie. Doch eigentlich weiß sie es ganz genau. Am liebsten würde sie jetzt die Geheimnisse ihrer Kollegin den anderen erzählen. Sie will sie beim Chef anschwärzen und am liebsten den Kaffeebecher über ihre Unterlagen schütten, so wütend ist sie.

Wie gehen wir um mit unserem Zorn und unserer Wut? Geben wir dem ersten Impuls nach und laden selber Schuld auf uns? Wut und Zorn sind starke Emotionen, die sich schwer kontrollieren lassen. Also ja, manchmal passiert das wohl, dass Menschen aus ihrer Emotion heraus Dinge sagen oder machen, die sie im Nachhinein bereuen und die der Situation auch nicht unbedingt geholfen haben. Aber was hilft denn in einer solchen Situation? Was hilft, um mit der eigenen Wut umzugehen? Es gibt die alte Weisheit: Hilfreich ist es, nach einer vorwurfsvollen Nachricht erst mal eine Nacht drüber zu schlafen, damit eben dieser erste krasse negative Impuls nachlässt und mein Kopf wieder frei wird, damit ich denken kann. Wenn ich denken kann, kann ich auch angemessen handeln.

Unser Monatsspruch empfiehlt das genaue Gegenteil: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ Sprich: Klär deinen Konflikt, dein Problem, deine Wut, bevor du schlafen gehst. Dahinter steht der Gedanke, dass alles andere, also vor allem das Warten oder gar Nichtstun, eine unchristliche Haltung ist. Denn eine christliche Lebensweise zielt auf Versöhnung und Beziehung. Keinen Kontakt aufzunehmen heißt dann: Beziehungsabbruch. Versöhnung ist nicht gewollt.

Sarah wurde verletzt und es hat sie richtig wütend gemacht. Die Whats-App-Nachricht geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sarah hat allen Grund dazu, wütend zu sein, und sie lässt den Zorn zu. Sie versteckt ihn nicht, sondern sie spürt ihm genau nach. Greift sich ihr Kissen und brüllt hinein. Knapp ist der Grad, dass aus ihrer Wut Aggression wird. Es fehlt nicht viel. Aber dann ist da dieser alte Vers aus der Bibel, der ihr in den Sinn kommt: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ Das ist eine alte Sitte der Pythagoräer. Sie haben sich vor Sonnenuntergang die Hände gereicht und gingen mit einem Gruß nach Haus, obwohl sie sich vorher gestritten hatten. Ihre Lebensphilosophie war es, sich um Harmonie in menschlichen Beziehungen zu bemühen.

Sarah atmet ein paar Mal tief durch, ordnet ihre Gedanken und greift zum Telefon. Sie wählt die Nummer ihrer Kollegin. Sie will die Unterstellung aus der Welt schaffen, will klarstellen, will nachfragen, will Frieden. Nicht die Tatsache, dass sie wütend ist, führt zu Schuld und Sünde. Vielmehr würde Sarah sich schuldig machen, wenn sie ihre Kollegin ignorierte. Wenn sie sich ihrer nicht annähme. Aber Sarah ruft sie an und bittet um Klärung. Sarah geht auf ihre Kollegin ein, fragt sie nach den Gründen der Unterstellung, und dann ist da Gespräch und Kontakt und vor allem ist da die Möglichkeit, den Konflikt aus der Welt zu schaffen. Es ist kein angenehmes Gespräch, aber: Da ist die Möglichkeit, dass Zerbrochenes und Verletztes wieder heilen kann, indem Sarah sich um ein gutes Verhältnis bemüht. Ja, sie darf ihre Kollegin auch zurechtweisen und mahnen, so etwas nie wieder zu tun. Diese Klarheit hilft gestörten Verhältnissen. Darüber hinaus braucht es aber ein Friedensangebot, eine Möglichkeit, wieder Schritte aufeinander zuzugehen.

Am nächsten Morgen begegnen sich Sarah und ihre Kollegin bei der Arbeit. Sie blicken sich in die Augen und wissen, langsam muss das Vertrauen wieder wachsen, aber es ist wieder möglich, miteinander zu arbeiten. Es ist möglich, gute Worte zu wechseln. Es ist möglich, aber es braucht Zeit und vor allem beiderseitige Bereitschaft.

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