Die Jahreslosung 2021

Barmherzig. Ein grandioses Wort in unserer Sprache, finde ich. Es fügt einige Wörter zu einem neuen Wort zusammen. „Beim Armen das Herz haben“. „B Arm Herz“. Barmherzig.
So ist Gott. Er verliert sein Herz nicht an sonst was. Er hat sein Herz beim Armen.
So erzählt Jesus von ihm.
Gott ist barmherzig. Barmherzig wie ein Vater, der sich um den verlorenen Sohn sorgt und ihn nicht gekränkt abblockt. Barmherzig auch dem anständigen älteren Sohn gegenüber, der so klug und bockig weiß, was der Vater alles besser machen müsste.
Er ist barmherzig. Wie ein Hirte, dessen Herz nicht nur bei den 99 Schafen ist, die sich geborgen und zufrieden um ihn scharen, sondern auch bei diesem einen verloren gegangenen Schaf, das irgendwo in der Weltgeschichte herumirrt.
Er ist barmherzig. So haben wir ihn an Weihnachten gefeiert. Den Gott, dem es nicht reicht, in sich zu ruhen. Ein Gott, der ein Menschenkind wird. Verletzlich, gefährdet, arm. So sehr hat er sein Herz bei den Armen.

Aber wer ist überhaupt arm?
Wer zu wenig Geld hat und jeden Euro zweimal umdrehen muss, sicher. Wer zu wenig Liebe geschenkt bekommt, auch. Und wer sich groß aufspielt, aber im Grunde armselig ist, ja, der auch. Und die, die gerade todtraurig sind. Oder erschöpft, weil das Leben so anstrengend geworden ist. Und wer nicht weiterweiß. Oder sich nicht weiter traut, weil er Angst hat, Fehler zu machen. Und alle, die wissen, wie sich das anfühlt, wenn einem elend zumute ist.

Seid barmherzig mit ihnen, sagt Jesus. Seid auch barmherzig mit euch selbst. Gott jedenfalls ist es. Er hat sein Herz längst schon bei euch.
Vor dem muss ich mich nicht anders und toller darstellen als ich bin. Nichts schönreden und nichts unter den Teppich kehren. Und gnadenlos runtermachen muss ich mich auch nicht.
Arm sein ist nicht grandios. Aber dass Gott sein Herz bei den Armen hat, das schon. Das ist Balsam für die Seele.
Es ist wunderbar, wenn jemand das persönlich nimmt, zaghaft darüber staunt und sagt: „Danke, Gott!“
Das ist sozusagen Level 1.
Level 2 bietet dann eine neue Herausforderung. „Seid barmherzig!“ Spätestens wenn ich zu etwas aufgefordert werden muss, ist klar: Darin bin ich nicht von Haus aus Weltmeisterin. Das ist offenbar etwas zum Üben. Immer wieder.
„Seid barmherzig!“
Schaut gut hin. Verschließt die Augen nicht, wenn jemand zu wenig hat. Haltet es nicht für normal, wenn Gewalt im Spiel ist oder menschenverachtende Sprüche über jemanden geklopft werden. Wechselt nicht die Straßenseite, wenn ihr die Frau seht, deren Mann und Kind ums Leben gekommen sind. Besucht den Sangesbruder, der seit einiger Zeit dement ist. Und wenn jemand Unrecht getan hat, dann redet Klartext mit ihm. Auch das ist eine Art, für jemanden da zu sein.
Stellt euch auf die Seite der Armen, der Trostbedürftigen, auf die Seite derer, die Zuspruch brauchen oder tatkräftige Hilfe.
Seid barmherzig. Und handelt auch so.

Wie wäre es also mit einem Jahr der Barmherzigkeit?
Ein Jahr, in dem wir feiern, dass Gott barmherzig ist. Das können wir spätestens jeden Sonntag zusammen feiern, im Gottesdienst.
Daraus können wir Kraft und Mut schöpfen, selbst barmherzig zu sein – mit uns und unsren guten Vorsätzen und hehren Erwartungen. Und mit den lieben Familienmitgliedern und Nachbarn und Freundinnen und Arbeitskollegen und Politikerinnen und überhaupt.
Ein Jahr wie ein Trainingslager. Wir üben, barmherzig zu sein.
Nur sonntags, da wird nicht geübt, da wird gefeiert. Ein Hoch auf Gott, der sein Herz beim Armen hat. Bei uns auch.

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