"Na, freust du dich schon auf die Schule?" "Nein." Peng! Das hat gesessen. Die Patentante, die doch mit einer ganz anderen Antwort gerechnet hatte, wendet sich mit irritiertem Lächeln ab. Ein Kind, das sich nicht auf den Schuleintritt freut... Irgendwie unnatürlich ist das...
In vielen Familien gleicht der Schuleintritt einem Initiationsritus: Vom "Ernst des Lebens" wird da gesprochen und davon, dass das Kind bald ein "großes Schulkind" sein werde. Übergroß sind die Erwartungen, die manche Eltern an diese neue Lebensphase knüpfen, und darum oft unrealistisch und übersteigert die Vorstellungen der Kinder. Und schlimm ist die Enttäuschung, wenn die Schule dann nicht ganz so ist, wie ein Kind sich das gedacht hat. Marie zum Beispiel kommt am zweiten Schultag traurig nach Hause, weil sie noch immer nicht lesen und schreiben kann. Ein Schulkind lernt lesen und schreiben, hat man ihr gesagt, und sie ist doch nun ein Schulkind! Dass das Lernen Zeit braucht, dass es ein langer und manchmal mühsamer Prozess ist, das hat ihr niemand gesagt. Oder Andreas. Neue Freunde werde er in der Schule bekommen, haben ihm die Eltern versprochen. Und nun, nach einer Woche, sind ihm die Mitschüler noch fremd. Er ist geknickt, und sein positives Bild von der Schule hat einen ersten trüben Fleck bekommen.
Die Schule nicht idealisieren
Realistisch sollte das Bild sein, das wir unseren Kindern über den bevorstehenden Schuleintritt vermitteln, selbst wenn dann die Euphorie auf der Strecke bleibt, wie bei dem Kind im Anfangsbeispiel. Das hat nichts damit zu tun, dem Kind die Freude zu nehmen: Der Einkauf von Federmäppchen und Ranzen, eine liebevoll bestückte Schultüte - das sind Dinge, die dem Kind Freude bereiten.
Aber sie sollten nicht verknüpft werden mit einem idealisierten Bild von Schule, das nur enttäuscht werden kann. Seien Sie vorsichtig mit Versprechungen. Das Kind wird in seiner Schulzeit viele schöne und wichtige Erlebnisse haben, aber auch weniger gute. Es wird Freunde bekommen, aber auch Kinder kennen lernen, mit denen es sich streitet und die gemein zu ihm sind. Es wird viele Dinge lernen, aber manchmal Mühe mit dem Lernen haben. Es wird einige Lehrer lieben und verehren und andere absolut nicht mögen. Es wird an einigen Tagen gern zur Schule gehen und sie an anderen Tagen hassen. Das ist ganz natürlich.
Auch das Lernen muss man lernen
Und die Leistungen? Jede Mutter, jeder Vater wünscht sich ein Kind, das erfolgreich im Leben steht und dafür in der Schule die Weichen stellt. Und oft sind die Eltern dann noch ungeduldiger als die Kinder, üben mit ihnen Lesen, Rechnen und Schreiben, versuchen sie fit zu machen für die neuen Anforderungen. Wenn dadurch die Freude am Denken und die Neugier angefacht werden, ist nichts dagegen zu sagen. Ist aber Druck die treibende Kraft, schadet ein solches Engagement der Eltern eher als dass es nützt. Denn in den ersten Schuljahren gibt es viele Lernziele, die nicht sichtbar in den Heften nach Hause getragen werden: sich in eine Gemeinschaft einzufügen zum Beispiel, still zu sitzen und zuzuhören, wenn andere reden, seine Schüchternheit zu überwinden und sich einzubringen in ein Gespräch, selbstständig eine Aufgabe zu bewältigen und vieles mehr sind die "unsichtbaren" Lernerfolge, die die Eltern oft gar nicht deutlich bemerken, die aber die Grundlage bilden für erfolgreiches Lernen. Das Lernen zu lernen ist in der Grundschule das wichtigste Ziel, viel wichtiger als gerade Linien auf dem Papier oder das kleine Einmaleins. Dafür braucht das Kind liebevolle Begleitung durch seine Eltern, eine gute Portion Optimismus und wache Neugier.
Allmählich in die Schule hinein wachsen
Wie viele unterschiedliche Erfahrungen und Grundlagen bringen doch die Kinder einer Klasse aus ihrer Familie mit! Die einen sind behütet in einer intakten Familie aufgewachsen, die anderen haben Streitigkeiten und Trennung ihrer Eltern miterlebt. Die einen sind liebevoll betreut und gefördert, die anderen vom Fernseher erzogen worden. Die einen haben schon gelernt zu diskutieren und zu argumentieren, für die anderen ist Deutsch eine Fremdsprache, die sie nur mit Mühe verstehen. Die einen sind in soziale Kontakte durch Freunde und Geschwister hinein gewachsen, die anderen haben noch kaum Erfahrung darin, sich in einer Gruppe von mehreren Kindern zu bewegen. So unterschiedliche Lebenssituationen, so unterschiedliche Anfangsvoraussetzungen. Wie kann ein Lehrer da allen gerecht werden? In vielen Bundesländern wird darum die sogenannte flexible Eingangsstufe erprobt: Alle schulpflichtigen Kinder eines Jahrgangs werden eingeschult und haben drei Jahre lang Zeit, in den Schulbetrieb hineinzuwachsen. In offenem, projektorientiertem Unterricht lernen sie in dieser Zeit den Stoff der ersten beiden Grundschulklassen und werden dabei individuell und ihren jeweiligen Voraussetzungen gemäß unterrichtet.
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Merkhilfe:
Immer wieder vergisst Ihr Kind die nötigen Utensilien in die Schule mitzunehmen? Vielleicht braucht es eine kleine Merkhilfe: Malen Sie einen dicken roten Punkt auf ein Stück Papier. Wenn am nächsten Tag etwas Besonderes mitgenommen werden muss, hängt Ihr Kind abends den roten Punkt an die Wohnungstür. Beim Herausgehen signalisiert er: Stopp! Und schnell wird noch der Turnbeutel geschnappt...
Die Pädagogen können damit auf die unterschiedlichen Startbedingungen der Kinder eingehen und jedes von ihnen gemäß seinem Entwicklungsstand und seiner Belastbarkeit unterrichten. Die Kinder wiederum haben Zeit, sich allmählich an den Schulbetrieb zu gewöhnen und Defizite aufzuholen.
Die Ruhe bewahren
Zeit und Gelassenheit, sich allmählich in die neuen Bedingungen und Anforderungen einzufinden, braucht jedes Kind. Darum ist Ungeduld in den ersten Jahren fehl am Platz. Das Kind hat zu Hause einen teuren Schreibtisch im Kinderzimmer und macht doch seine Schwungübungen lieber am Küchentisch in der Nähe der Mutter? Lassen Sie es gewähren! Es merkt selbst, wie viel Ruhe oder Nähe es braucht, um sich wohl zu fühlen, und der Schreibtisch wird sicher später noch seine Aufgabe erfüllen. Das Kind ist noch verspielt und verträumt und vergisst ständig etwas mitzunehmen? Machen Sie kein Drama daraus. Helfen Sie ihm, seine Konzentrationsfähigkeit zu steigern (siehe Kasten), und zeigen Sie ihm im übrigen, dass sie die Schule wichtig nehmen, aber nicht als Lebensinhalt sehen. Ihr Kind ist ein Prachtstück, auch wenn es eine Weile dafür braucht, bis es seinen Ranzen in Ordnung halten oder ein Gedicht auswendig lernen kann.