Nach der Beerdigung ist vor dem Weiterleben – Gedanken zur Gestaltung einer Feier nach dem Begräbnis

Es gibt eine Tradition bei Beerdigungen, die in den letzten Jahren allmählich ausstirbt- der Leichenschmaus. Ein Wort, das in unseren Ohren abstoßend klingen mag und die Kinder erschreckt. Deshalb hat man es wohl auch in den »Beerdigungskaffee« umbenannt. Aber auch dieser findet nicht mehr sehr oft statt. Die Gründe dafür sind zahlreich. Aber dieses Treffen nach dem Gang zum offenen Grab, nach dem Absenken des Sarges und dem symbolischen letzten Gruß hatte etwas Befreiendes. Es wärmte an nasskalten Tagen den Körper und allemal die Seele. Anekdoten wurden erzählt, Erinnerungen kamen hoch, über manche Gewohnheiten und Eigenheiten des Verstorbenen durfte geschmunzelt werden. Das aufgestellte große Foto aus guten Tagen stand im Raum und wurde durch die Menschen, die mit dem Toten gelebt hatten, zu einem lebendigen Porträt.

Es lag ein Trost in dieser Stunde, die den Übergang zwischen Abschied und Neubeginn darstellte. Wie bei den Menschen, von denen der folgende Bericht handelt:

Nach der Beerdigung und dem anschließenden Kaffeetrinken im Pfarrsaal saßen die erwachsenen Kinder noch unschlüssig beieinander. Das Protokoll, das dem Sterben folgt, war abgearbeitet. Nun breitete sich Ratlosigkeit und Traurigkeit aus.

Die Tische waren schon abgeräumt, das Geschirr in der Spülmaschine. Sie hätten gehen können, aber es zog sie nicht nach Hause. Diese vier Wände waren durch die Anwesenheit der Mutter zum Ort der Geborgenheit geworden. Sie würde nie mehr die Tür öffnen, ihnen um den Hals fallen, ihr Lieblingsessen kochen, den Tisch für alle decken, sich nach ihren Erlebnissen erkundigen und sich für alles interessieren, was sie beschäftigte.

Seltsam, dass man für Eltern immer ein Kind blieb, egal wie erwachsen man für den Rest der Welt war. »Wisst ihr noch…«, begann die Älteste und erzählte die Geschichte von der ersten neuen Wohnung, die sie zum Beginn der Ausbildung in einer anderen Stadt bezogen hatte; und wie die Mutter mit einem fantastischen Fresskorb erschien und eine Einweihungsfeier improvisierte. »Sie sagte, wenn wir jetzt nicht auf den Neubeginn anstoßen und feiern, dann sitzen wir womöglich an verschiedenen Orten und vergießen Tränen wegen dem Abschied!«

Ja, das hatte sie ihren Kindern beigebracht und konsequent vorgelebt:

in Krisen die Chance wittern, das Glas immer für halbvoll halten, das Runde im Eckigen entdecken. So war sie auch den Leidensweg durch ihre unheilbare Krankheit gegangen.

Die anderen Geschwister steuerten jetzt ebenfalls ihre beste Erinnerung an die Lebens-Philosophie ihrer Mutter bei. Bilder wurden wachgerufen, die Stimmung war auf einmal warm und freundlich. Alle spürten die Verbindung untereinander und mit der Person, durch die sie für immer zusammengehören würden. Es war, als hätte sie sich zu Wort gemeldet und das traurige Grüppchen ermahnt, in ihrer einzigartigen Weise, so, wie nur Mütter, Väter und beste Freunde sprechen:

»Was seid ihr so bestürzt? Ich bin doch nicht weg, nur weil ich nicht da bin! Jetzt mal los, Fleisch bei die Knochen, wie soll die Zukunft aussehen? Das Leben ist zu kurz, um es zu vertrauern! Ihr alle wisst, worauf es ankommt, wir haben es zusammen gelebt. Ich will nicht noch einmal bei Adam und Eva anfangen, euch zu predigen, ich fasse mich kurz: Es ist die Liebe, die zählt, sonst nichts. Bleibt als Brüder und Schwestern in liebevoller Verbindung. Dann werdet ihr spüren, dass ich da bin. Und verschwendet das, was ihr übrig habt, für andere. Alles was ihr gebt, kommt verwandelt zu euch zurück. Geht mit offenen Augen durchs Leben. Die Welt braucht euch!«

Etwas Ähnliches haben die ersten Jünger erfahren, als sie nach Jesu Tod beisammen saßen und die Osterbotschaft noch nicht begriffen hatten. Als Christinnen und Christen haben wir eine Hoffnung, die über alle verbindenden Erfahrungen dieser Welt weit hinausreicht. Aber diese Hoffnung ist so groß und so unfassbar, dass wir sie ein Leben lang lernen müssen. Wie die ersten Jüngerinnen und Jünger tragen wir Erfahrungen wie einzelne Stücke des Gewebes aus Hoffnungsschimmer zusammen. Wir fügen sie zusammen, verbinden sie gemeinschaftlich. Wir knüpfen einen Teppich, auf dem wir fliegen können! Kein Märchen, sondern eine wahre Geschichte Gottes mit uns Menschen, wie sie im Buch der Bücher steht. Buchstabieren wir sie immer neu! So wird sie zur besten Botschaft!

Regina Groot Bramel

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