Houellebecq und der IslamBekennender Unwissender

In seinem Text „Einige Monate in meinem Leben“ entschuldigt sich Michel Houellebecq für islamfeindliche Äußerungen. Und zeigt sich plötzlich als bekennender Unwissender.

Isabel Barragán
Isabel Barragán, freie Journalistin© privat

Wer darf eigentlich dumm sein? Und entschuldigt Dummheit eigenes Fehlverhalten? Mit dem Erscheinen seines Buches „Einige Monate in meinem Leben“ sorgt der französische Skandalschriftsteller Michel Houellebecq für neue Diskussionen: Wenige Monate zuvor war ein 45-seitiges umstrittenes Interview in der rechten französischen Zeitschrift „Front Populaire“ veröffentlicht worden: Darin warnt der Schriftsteller vor einer bürgerkriegsähnlichen Zukunft, in der es „Attacken und Schießereien gegen Moscheen und Cafés in Territorien unter islamischer Kontrolle“ geben könnte. Eine Art „umgekehrtes Bataclan“. Der Rektor der Pariser Moschee zeigte sich daraufhin empört und erstattete Anzeige. Kritiker warfen dem Schriftsteller islamfeindliche Äußerungen vor.

In seinem Buch rudert Houellebecq nun ein Stück zurück und entschuldigt sich bei „allen Muslimen, die sich von dem Text möglicherweise angegriffen fühlten – das heißt, ich fürchte, bei so ziemlich allen Muslimen“. Und weiter: „Ich denke immer mehr, dass das Problem nicht der Islam, sondern die Kriminalität ist.“ Er sei damals einer „kollektiven Dummheit“ verfallen gewesen.

Auch wenn man Houellebecqs spontaner Erleuchtung Glauben schenken möchte: Die Wortwahl ist doch bemerkenswert. Schon 2001 musste sich Houellebecq vor Gericht verantworten: In einem Interview mit der französischen Literaturzeitschrift „Lire“ bezeichnete er den Islam damals als „nun wirklich die dümmste aller Religionen“. Er empfinde dem Islam gegenüber nur Hass. Vier islamische Verbände verklagten den Schriftsteller wegen rassistischer Beleidigung. Houellebecq wurde freigesprochen, unter Verweis auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit.

2015 erschien Houellebecqs wohl umstrittenster Roman „Unterwerfung“. In seiner Dystopie beschreibt er das Szenario eines intellektuell verrohten Frankreichs, das sich per demokratischer Wahlen in einen islamischen Gottesstaat umbauen lässt. Auch hier bringt Houellebecq Dummheit mit dem Islam in Verbindung: Die Aufklärung, so der Schriftsteller in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, habe „den Menschen die Religion genommen“. Der Islam gewinne deshalb in Europa an Boden, „weil ich überzeugt bin, dass im Grunde nur Zivilisationen überleben können, die auf einer Religion fußen“.

Houellebecqs Bekenntnis zur eigenen Dummheit innerhalb der „kollektiven Dummheit“ ist damit absurd tröstlich. Denn so herabwertend sein Urteil auch bleibt: Indem er auch sich selbst desselben Attributs bezichtigt wie zur Beschreibung des Islam, begibt er sich in dieser Logik zumindest auf Augenhöhe mit ihm.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

Herder Korrespondenz-Newsletter

Ja, ich möchte den kostenlosen Herder Korrespondenz-Newsletter abonnieren und willige in die Verwendung meiner Kontaktdaten zum Zweck des E-Mail-Marketings durch den Verlag Herder ein. Den Newsletter oder die E-Mail-Werbung kann ich jederzeit abbestellen.
Ich bin einverstanden, dass mein personenbezogenes Nutzungsverhalten in Newsletter und E-Mail-Werbung erfasst und ausgewertet wird, um die Inhalte besser auf meine Interessen auszurichten. Über einen Link in Newsletter oder E-Mail kann ich diese Funktion jederzeit ausschalten.
Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.