Symbole tiefer verstehenKerze

In der Adventszeit zünden wir gerne eine Kerze an. Ihr Licht strahlt Geborgenheit und Milde aus, weckt das Gefühl von Heimat in uns oder die Sehnsucht danach. Das Brennen der Kerze kann auch Bild für das Leben sein und uns zu Fragen nach dem Sinn unseres Lebens anregen. Oder es bereitet uns – wie die vier Kerzen des Adventskranzes – spirituell auf Weihnachten vor.

Kerze
„Auch ist mir kein Weihnachten, wo es auch war, vergangen, ohne dass es hinter meinen geschlossenen Augen für eine Sekunde unbeschreiblich hell wurde.“ Rainer Maria Rilke (in einem Brief an seine Mutter)© iStock by Getty Images: diephosi

Hell und warm

Wenn wir in einem dunklen Zimmer eine Kerze anzünden, dann wird das Zimmer hell, aber nicht total ausgeleuchtet. Es ist vielmehr hell-dunkel. Das Dunkle ist nicht unheimlich, sondern angenehm. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Besser, als über die Finsternis zu klagen, ist es, ein kleines Licht anzuzünden.“ So kann die Kerze nicht nur die Dunkelheit im Zimmer erhellen, sondern auch die Finsternis unseres Herzens. Es gibt manchmal düstere Stimmungen, depressive Gefühle in uns. Das milde Licht der Kerze kann eine Hilfe sein, diese düsteren Stimmungen aus unserem Herzen zu vertreiben. Das Licht der Kerze erhellt und wärmt unser Herz.

Sehnsucht

Die Adventszeit ist die Zeit des Wartens. Wir warten auf das Kommen Jesu, der das wahre Licht der Welt ist. Und die Adventszeit ist die Zeit, in der wir in Berührung kommen mit unserer Sehnsucht. Wir schauen auf die Kerze und spüren in uns, wie da alte Sehnsüchte in uns auftauchen, Sehnsucht nach Heimat, nach Geborgenheit, nach Liebe, nach Erfüllung. Wenn wir an Heimat denken, denken wir an die Kindheit. Aber Heimat ist auch etwas, was vor uns liegt. Ernst Bloch, der jüdische Philosoph, hat Heimat einmal so definiert: „Heimat ist das, was jedem in die Kindheit scheint, und worin noch niemand war.“ Diese Sehnsucht nach Heimat ist in jedem von uns. Das Licht der Kerze erinnert uns an diese Sehnsucht. Die Psychologie sagt uns: Die vielen Süchte, unter denen heute zahlreiche Menschen leiden, sind letztlich verdrängte Sehnsucht. So ist es heilsam für uns, uns vor die brennende Kerze zu setzen. Wenn wir unsere Sehnsucht spüren, dann befreit uns das von unseren Süchten. Unsere Sucht kann wieder in Sehnsucht verwandelt werden. Wir sehnen uns nach absoluter Geborgenheit und Liebe. Aber wer das sofort haben will, wer das durch Alkohol oder Drogen erreichen will, der wird süchtig. Und er schadet sich selbst. Wenn wir aber die Sehnsucht in uns wachhalten, dann erkennen wir: die absolute Geborgenheit und Liebe können wir uns nicht selbst machen. Sie vermag allein Gott zu erfüllen.

Wofür brenne ich?

Die brennende Kerze verzehrt das Wachs, aus dem sie geschaffen wurde. Das ist ein Bild auch für uns Menschen. Wenn wir zum Licht für andere werden wollen, geht das nur, wenn wir uns für andere hingeben. Wir erkennen in der Kerze bildhaft den Sinn unseres Lebens. Der Sinn unseres Lebens besteht nicht in erster Linie darin, dass wir um unser eigenes Wohlgefühl kreisen, dass wir ständig glücklich sind. Wer das möchte, der ist meistens höchst unglücklich. Wahrhaftes Glück ist: sich hinzugeben und das Leben anderer Menschen dadurch heller und heiler werden zu lassen. Das Wachs, das sich in der Flamme verzehrt, ist ein Bild für diese Hingabe, durch die wir zum Segen werden für andere Menschen. Es gibt Kerzen, die nur Zierde sind. Sie werden nie angezündet. So gibt es auch Menschen, von denen wir sagen: Er hat nie gebrannt. Er hat sich nie entzünden lassen für etwas, was ihn begeistert. Er ist nur um sich gekreist, damit ihm ja nichts fehlt. Aber es fehlt ihm das Brennen. Wer nie gebrannt hat, dessen Leben ist langweilig, dunkel, sinnlos. Die entscheidende Frage an mich selbst ist: Wofür brenne ich? Wofür lasse ich mich begeistern?

Die vier Adventskerzen

In der Adventszeit zünden wir an jedem Adventssonntag eine Kerze mehr am Adventskranz an. Die vier Kerzen haben eine jeweils andere Bedeutung: Die erste Kerze, die wir anzünden, ist ein Bild für das Einswerden. Für die Griechen war die große Sehnsucht: eins zu werden, eins zu werden mit sich selbst, mit der Natur und mit allen Menschen. Zerrissenheit ist eine große innere Not bis heute. So zünden wir am ersten Adventssonntag die eine Kerze an, damit wir aus der Zerrissenheit in die Einheit kommen, als der Spaltung zur Ganzheit. Die zweite Kerze steht für die Polarität. Der Gegensatz von Mann und Frau, von rechts und links, von jung und alt möge durch das Licht Christi erleuchtet und dadurch zu einem einzigen Licht werden. Die dritte Kerze symbolisiert drei Bereiche im Menschen: Geist, Seele und Leib, oder Verstand, Wille und Gedächtnis. Alle drei Bereiche sollen erleuchtet werden. Und die vierte Kerze steht für das Irdische, Alltägliche. Unser Alltag möge vom Licht Christi erhellt werden, die Konflikte mögen sich auflösen und in die Verstrickungen möge Klarheit kommen.

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