BuchbesprechungStille Herzenswärme

Eine aktualisierte Biografie über Frère Roger unterstreicht die ökumenische Hoffnung des Taizé-Gründers.

Oh, Taizé, dieser kleine Frühling!“ – mit diesem Bonmot nahm Papst Johannes XXIII. während des Zweiten Vatikanischen Konzils zwei Brüder der Communauté von Taizé in Empfang. Einer von ihnen war ihr Gründer Frère Roger. Diese warme Begrüßung fehlt nicht in Kathryn Spinks Buch, das 1986 erstmals erschienen ist, mehrfach aktualisiert und jetzt neu aufgelegt wurde.

Heute kennt man Taizé in aller Welt – aber wer war dieser ruhige und bescheidene Mann im weißen Gewand, der alles möglich gemacht hat? Roger Louis Schutz-Marsauche wurde 1915 in der französischen Westschweiz als jüngstes von neun Kindern geboren und evangelisch getauft. Anhand etlicher Zitate aus seinen Büchern und Gesprächen, die sie kommentierend ergänzt, zeichnet die für ihre Biographien bekannte Autorin Kathryn Spink das Bild eines nachdenklichen, auch von Selbstzweifeln geplagten Menschen. Im Glauben verwurzelt zu sein bedeutete für den Schweizer, der eigentlich Schriftsteller werden wollte, auch die Enge einzelner Konfessionen zu überwinden und seine protestantischen Wurzeln mit einem „Katholizismus in seiner ganzen Weite“ zu verknüpfen.

Im Buch geht es teils sprunghaft zu, doch ein roter Faden bleibt erkennbar: von der Ankunft des jungen Theologiestudenten im Sommer 1940 in Taizé über sein Verstecken von Juden und Oppositionellen bis 1942, seine Zeit in Genf, wo er mit drei Freunden eine kleine Gemeinschaft gründete, bis zu seiner Rückkehr nach Taizé im Jahr 1944 und seinem Wunsch, auch dort die Idee einer Gemeinschaft zu realisieren, „in der die Güte des Herzens konkret gelebt wird und die Liebe im Mittelpunkt von allem steht“.

Seit Gründung der kleinen, bald wachsenden Communauté im Jahr 1949 stand Roger Schutz ihr als Prior vor und blieb es bis zu seinem gewaltsamen Tod im August 2005. Im Buch werden wesentliche Schritte skizziert, so die frühe, wegweisende Erlaubnis der Mitnutzung der romanischen Dorfkirche durch den katholischen Ortsbischof oder auch die Einweihung der Versöhnungskirche von Taizé im Jahre 1962 in Anwesenheit einer bis dahin einmaligen Ansammlung von Vertretern der evangelischen, katholischen, orthodoxen und anglikanischen Kirche.

Mit der dauerhaften Aufnahme des ersten katholischen Bruders an Ostern 1969 wurde die Communauté de Taizé zur ersten ökumenischen Brüdergemeinschaft der Kirchengeschichte. Ihren Weg hin zu einem einzigartigen geistlichen Treffpunkt für junge Menschen aus aller Welt erklärt die Autorin anhand von Beispielen und Zitaten, dokumentiert auch die jährlichen Papstaudienzen Frère Rogers in Vertrauen und Freundschaft, spart aber auch ökumenische Rückschritte und Enttäuschungen nicht aus. Und unterstreicht immer wieder das tiefe, von Liebe und Hoffnung getragene Vertrauen des Priors in die junge Generation, die ihm mindestens ebenso am Herzen lag wie die Überwindung konfessioneller Gegensätze.

Ein wichtiges Kapitel widmet sich dem Auftrag, dem sich Frère Roger und seine Brüder mit den Jahren immer mehr verschrieben: hinauszugehen, buchstäblich bis ans Ende der Welt, zu den Armen in den Elendsvierteln von Kalkutta und Nairobi, Chile und Hongkong, ins Südafrika der Apartheid und ins kommunistische Osteuropa. In der Neuauflage geht die Autorin auch auf die Entstehung neuer Fraternitäten etwa auf Kuba ein und auf die bleibende Faszination von Taizé vor allem für junge Menschen aus aller Welt.

Die Herzenswärme dieses stillen Charismatikers begegnet Leserinnen und Lesern oft in diesem Buch, auch seine Nachdenklichkeit. Man wünscht sich mehr davon – mehr solcher Bücher, mehr solcher Herzenswärme.

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