Ein schöner Besuch, ein gutes Gespräch – mag vorher noch so viel Zeitdruck gewesen sein, jetzt und danach ist auf einmal mehr davon da, und das nicht nur gefühlt! Der Ton macht die Musik, der Geist entscheidet weit mehr als die Uhr! Zeit, zumal erfüllte, ist Leben. Es ist also eine höchst originelle Idee, das christliche Bekenntnis zum Heiligen Geist just auf diese kostbare Ressource zu beziehen, die in der kapitalistischen Welt sogar mit Geld gleichgesetzt wird. „Zeit ist Geld“, lautet da das Mantra; entsprechend ist „keine Zeit“ die höchst paradoxe Chiffre für Unentbehrlichkeit und Bedeutung. Wer dagegen Zeit hat oder gar schenkt, ist verhaltensauffällig. Der Geist des Christentums ist da von anderer Art. Da nämlich wird das Zeitliche gesegnet und nicht künstlich verknappt; da wird alles erst gezeitigt und entsprechend als Gottes gewährende Schöpfung praktiziert. Was also ist wann an der Zeit? Und wofür „haben“ wir Zeit und „gewinnen“ sie noch?
Dass der Autor gestandener Familienvater, promovierter Theologe und gelernter Krankenpfleger in einer Person ist, kommt diesem dichten Buch und seiner leichten Lesbarkeit zugute: nicht nur der Titelwahl, sondern dem klaren Duktus der Gedanken und der zupackenden Sprache. Nicht zufällig wird ja die Rede vom Schöpfer-Geist schon biblisch verbunden mit der Erfahrung von Wind und Wetter, von Luft und Atem; die ganze Geschichte mit Jesus dient dazu, dass wir aufatmen lernen und in rechten Rhythmus kommen. Zu Anfang also spricht Neuhaus von den allgegenwärtigen Atemnöten unserer Zeit, von der rasenden Mobilmachung, deren Folgen ständige Unruhe, strukturelle Hektik, zunehmende Erschöpfung und Ermüdung sind. Gesucht wird ein „Jenseits von Melancholie und Inhumanität“.
Der treffenden Diagnose folgen Therapievorschläge zuerst mit schöpferischen Erinnerungen an frühere Medikationen und Arzneien. Das geht von Momos Zeit-Spiritualität, die ja ihrerseits von weit her kommt, über Hannah Arendt zurück in die Schatzkammer christlicher Mystik und biblischer Weisheit. „Mit Gott kannst du nichts versäumen“, heißt es zum Beispiel bei Meister Eckhart. Eigene Abschnitte sind der bildenden Kunst und der Musik gewidmet, die natürlich besondere Erfahrungs- und Gestaltungsräume kreativer Zeit- und Geisterfahrung öffnen und gestalten. Neuhaus zeigt sich vielseitig belesen und verknüpft seine Überlegungen reichlich mit guten Zitaten; das freilich nimmt dem Duktus nichts von seinem überzeugenden Schwung.
Der (etwas zu) knappe dritte Teil schlägt unter der Überschrift „Atemübungen“ Kontraindikationen vor, wie der förmlich strukturellen Asthmatik unserer Verhältnisse heilend beizukommen sei. Hoffen, Beten und Lieben werden als basale Haltungen angesprochen. Der flott geschriebene Band schließt mit einem Versuch über Franz Kafka und seine zutiefst jüdische Wort-Mystik. Der Kürze des Ganzen geschuldet, bleiben manche Gedanken und Bezüge etwas plakativ und laden zu weiteren Vertiefungen ein (etwa Richtung „Unterscheidung der Geister“), aber gerade die gelungene Mischung von klaren Leitgedanken und zupackender Sprache machen das Buch zu einer erfrischenden Pfingstlektüre. Dass gleichermaßen der therapeutisch-mystische wie der politisch-gesellschaftliche Schwerpunkt solch elliptischer Theologie federführend sind, ist ersichtlich auch dem Werk des Dominikaners Tiemo Rainer Peters zu verdanken: Der kundige Schüler gibt seinem theologischen Lehrer die Ehre, und der Leserschaft viele Anregungen.