Damit diese Welt wärmer und heller wirdFaszination Osterfeuer

Seit dem achten Jahrhundert hat das Osterfeuer Eingang in die Liturgie der Osterfeier gefunden. Vermutlich hat es das heidnisch-germanische Frühlingsfeuer verdrängt und die Symbolik aufgegriffen, die die Germanen mit dem Feuer verbanden. Das Feuer soll das Alte verbrennen, damit neues Leben auferstehen kann. Diese Symbolik ist in vielen Religionen und Kulturen mit dem Feuer verbunden.

Das Feuer bedeutet auf der einen Seite das Weltende, auf der anderen Seite die Erneuerung des Kosmos. Diese Symbolik hat die christliche Liturgie aufgegriffen: Der Tod Jesu am Kreuz bedeutet für den hl. Paulus, dass durch das Kreuz „mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Gal 6,14). Die alte Welt, in der nur Erfolg und Anerkennung gilt, ist durchgestrichen. Die Auferstehung bedeutet die neue Welt, die Welt der Freiheit und Lebendigkeit, der Klarheit und des Lichtes.
In der christlichen Liturgie hat man das Osterfeuer bewusst aus dem Stein geschlagen. Das alte Weihegebet spricht das aus: „Diesem neuen Feuer, das wir zu unserem Dienst aus dem Stein geschlagen, gib deine Weihe.“ So wie der Funke aus dem Stein, so geht Christus aus dem verschlossenen Grab hervor. Und er steigt als das wahre Licht, das alle Dunkelheit vertreibt, aus dem Grab. Am Osterfeuer wird dann die Osterkerze entzündet. Der Diakon besingt im wunderbaren Lied des Exsultet das Licht der Osterkerze: „Geweiht zum Ruhm deines Namens leuchte die Kerze fort, um in dieser Nacht das Dunkel zu vertreiben… Sie leuchte, bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht, dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt in österlichem Licht.“

Symbolik des Feuers beim Exodus

Beim Auszug aus Ägypten spielt die Symbolik des Feuers eine wichtige Rolle. Gott selbst erscheint dem Mose im brennenden Dornbusch. Doch es ist ein eigenartiges Feuer. Der Dornbusch brennt, ohne zu verbrennen. Für die frühen Kirchenväter ist das ein Bild für uns Menschen. In uns brennt das göttliche Feuer. Aber wir bleiben ganz und gar Mensch, so wie der Dornbusch seine Gestalt nicht verliert. Aus dem brennenden Dornbusch heraus gibt Gott dem Mose den Auftrag, sein Volk aus Ägypten herauszuführen. In der Nacht, bevor das Volk aus Ägypten auszieht, soll es ein Lamm über dem Feuer braten. Man darf nichts vom Lamm übrig lassen. Alles, was übrig bleibt, soll man im Feuer verbrennen (vgl. Ex 12,8–10). Beim Auszug begleitet Gott selbst das Volk in der Nacht in einer Feuersäule. Es sind drei Bedeutungen, die das Feuer hier hat:
Zum einen: Das Feuer macht das rohe Fleisch essbar. Es ist – auch in anderen Kulturen – etwas Kostbares, das Gott dem Menschen geschenkt hat, damit die Gaben der Schöpfung für ihn genießbar werden. Die Griechen verehrten „Hera“ als die Herdgöttin. Das Herdfeuer durfte nicht ausgehen. Zum anderen: Das Feuer verbrennt das, was wir nicht mit auf den Weg nehmen können. Es verbrennt alles Überflüssige, was uns hindert auf unserem Weg. In vielen Völkern verbrennt das Feuer das Unreine, um uns zu reinigen. Das Osterfeuer möchte alles verbrennen, was wir gerne begraben möchten. Bei unseren Osterkursen haben wir die Teilnehmer oft eingeladen, am Karsamstag auf einen Zettel zu schreiben, was sie gerne begraben, was sie gerne loslassen möchten. Diese Zettel konnten sie dann nach der Osterliturgie in das große Osterfeuer werfen, das wir gemeinsam entzündet haben. Und schließlich: Das Feuer leuchtet uns auf unserem Weg. Es spendet uns Licht in der Nacht. In diesem Sinn deutet der österliche Lobgesang des Exsultet das österliche Licht: „Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat.“ Die Feuersäule, in der Gott dem Volk Israel vorausgeht, vertreibt nicht nur die Dunkelheit, sondern auch die Sünde, die unsere Seele verdunkelt.

Das Feuer und der Heilige Geist

Im Lukasevangelium sagt Jesus das Wort: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.“ (Lk 12,49) Manche Exegeten deuten diese Worte vom Gerichtsfeuer her. Aber wenn wir von Lukas herdenken, ist das Feuer ein Bild für den Heiligen Geist, den Jesus uns sendet. Und er möchte, dass dieser Heilige Geist in uns brennt. Wer Jesus wirklich verstanden hat, wer von seinem Geist gekostet hat, der soll selbst brennen. In diesem Sinn hat Jesus ein Wort gesprochen, das im Thomasevangelium überliefert ist und das von vielen Exegeten als wirkliches Wort Jesu verstanden wird: „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe.“ Für mich bedeutet das: Wer Jesus wirklich verstanden hat, in dem brennt ein Feuer. Wir sagen ja auch von einem Menschen, dass er für etwas brennt, wenn er von etwas begeistert ist. Oder wir sprechen von einem feurigen Menschen, von einem Menschen, in dem nicht verbrannte Asche, sondern loderndes Feuer ist. Das ist für uns ein Bild eines lebendigen, begeisterungsfähigen Menschen und das Bild eines Menschen, von dem auch ein Feuer ausgehen kann, der auch andere zu begeistern vermag.
Die frühen Mönche interpretierten das Wort Jesu, dass er gekommen sei, Feuer auf die Erde zu werfen, immer im mystischen Sinn, wie wir weiter unten sehen werden. Jesus will, dass in uns das Feuer des Heiligen Geistes brennt, dass in uns die Erfahrung Gottes unser Herz entflammt.
Dass Lukas den Heiligen Geist mit dem Feuer verbindet, zeigt auch seine Schilderung des Pfingstereignisses: Als der Heilige Geist wie ein heftiger Sturm über die Jünger kommt, heißt es: „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu sprechen, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg 2,3f.) Hier wird das Feuer nicht nur mit dem Heiligen Geist in Verbindung gebracht, sondern auch mit der Sprache. Der Heilige Geist bewirkt in uns eine Sprache, die andere Menschen wärmt, eine Sprache, bei der ein Funke überspringt. Wir kennen in unserer Gesellschaft oft eine kalte Sprache. Eine Frau erzählte mir, bei einer Podiumsdiskussion sei sie neben einem Mann gesessen. Wenn der geredet habe, dann habe sie gefroren. Von Jesus sagen die Emmausjünger: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns sprach.“ (Lk 24,32)
Wenn einer nur sachlich redet, kann er niemanden begeistern, kann er niemanden anstecken. Nur der, in dem selbst Feuer ist, dessen Herz brennt, vermag andere mit seiner Sprache zu wärmen. Die Kirchenväter sprechen davon, dass wir mit unserer Sprache ein Haus bauen. Die Sprache, die uns der Heilige Geist schenkt, baut ein Haus auf, in dem Menschen sich zuhause fühlen, in dem sie sich in ihrem Herzen berührt fühlen. So können sie aus dem Haus als verwandelte Menschen heraustreten und mit neuer Kraft ihrer Arbeit nachgehen.
Johannes spricht über den Heiligen Geist gerne im Bild des Wassers und der Quelle. Lukas liebt dagegen das Bild des Feuers und das Bild der Glut. Der Heilige Geist entzündet in unserem Inneren eine Glut. Wir sind nicht ausgebrannt, so wie sich heute manche Menschen fühlen. In uns ist eine Glut. Diese Glut erfüllt uns mit Wärme, mit Liebe, mit Energie, mit Tatendrang. Aus dieser Glut heraus können wir uns für andere Menschen einsetzen.
Ich erlebe immer wieder Menschen, die für etwas brennen. Ich erlebe sie in Firmen. Sie wollen etwas bewegen in ihrer Firma. Sie wollen eine neue Kultur schaffen, eine Kultur des Miteinanders. Sie haben neue Ideen. Sie bleiben nicht stehen. Wir brauchen solche Menschen, in denen ein Feuer brennt. Von ihnen geht etwas aus, das unserer Welt guttut.

Feuer als mystische Erfahrung

Im Mönchtum ist das Bild des Feuers beliebt, um Menschen zu beschreiben, die eine tiefe Erfahrung Gottes gemacht haben. Es gibt viele Vätersprüche, die vom inneren Feuer sprechen. Mein Mitbruder, P. Fidelis Ruppert, hat diese Vätersprüche gesammelt und kommentiert. So möchte ich nur einige anführen. Im vierten Jahrhundert gibt es den Väterspruch, in dem Abba Joseph zu Abba Lot sagt: „Du kannst nicht Mönch werden, wenn du nicht ganz entflammt wirst wie Feuer.“ (Apo Joseph 6) Mit diesem Bild des Feuers meint Abba Joseph nicht nur eine rein menschliche Begeisterung, sondern die Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Die Erfahrung des Feuers machten die Mönche dabei vor allem beim Gebet. Wenn Abba Joseph seine Hände zum Gebet erhob, wurden sei- ne Finger „wie zehn Leuchten aus Feuer“. Das Ziel des Gebetes war für die Mönche, von diesem göttlichen Feuer ergriffen zu werden. Die Mönche versuchten, diese Erfahrung vor anderen zu verbergen. Aber manchmal sahen die Schüler, wie ihr Altvater in seinem Kellion betete und selber ganz wie Feuer wurde.
Das Feuer, das der Mönch im Gebet spürt, hat für ihn auch eine reinigende Wirkung. Und es bewahrt ihn vor mancher Versuchung durch negative Gedanken. So hält Abba Poimen einem Schüler dieses Bild vor Augen: „Wenn unter dem Kessel Feuer ist, kann keine Fliege oder eines der anderen Kriechtiere ihn berühren. Wenn er aber kalt ist, dann setzen sie sich auf ihn. So auch der Mönch: Solange er in seinen geistlichen Übungen bleibt, findet der Feind nichts, ihn zu stürzen.“ (Poimen III) Das Gebet und die geistlichen Übungen halten gleichsam das Feuer unter dem Kessel am Brennen. Und solange das Feuer im Mönch lebendig ist, können negative Gedanken und Leidenschaften keine Macht über ihn ausüben.
In einem Väterspruch wird von einem Bischof erzählt, der einen Priester bat, die Liturgie zu feiern. Während der Liturgie sah der Bischof den Priester „ganz in Feuer im Inneren, ohne sich zu verbrennen“. Als sie nach der Liturgie darüber sprachen, meinte der Priester: „Gibt es überhaupt einen Bischof oder Priester, der den heiligen Mysterien beiwohnt, ohne in das göttliche Feuer einzutreten?“ Für ihn war es also selbstverständlich, dass der, der sich ganz auf die Eucharistie einlässt, innerlich brennt. Dies Erfahrung stellt uns heute vor die Frage, ob wir noch fähig sind, uns ganz auf die Liturgie einzulassen und durch sie in das göttliche Feuer einzutreten. Wenn die Teilnehmer an der Eucharistie im Zelebranten etwas von diesem Feuer spüren, dann werden sie sich nicht an äußeren Formen stoßen, dann werden sie angeregt, sich auch dem göttlichen Feuer zu öffnen.
Origenes begrenzt das göttliche Feuer nicht auf die Priester. Er spricht davon, dass wir Christen ja alle Priester Gottes sind. So mahnt er alle Christen: „Wenn du also das Priestertum für dein Herz ausüben willst, soll das Feuer nie auf deinem Altar erlöschen.“ (Vgl. Ruppert, 51) Wenn wir das Osterfeuer entzünden und wenn der Priester es in der Osternacht segnet, dann sollten wir daran denken: Es ist unsere Aufgabe, dieses Feuer in unserem Herzen brennen zu lassen. Die Mönche lieben das Bild, das auch die Bibel kennt: Das Gold wird im Feuer geläutert. So wird auch in uns durch das göttliche Feuer alles, was unrein ist, alles, was in uns an krankhaften Lebensmustern ist, durch das Feuer geläutert. Das Ziel dieser Läuterung ist, dass wir das innere Gold entdecken, dass wir den Goldglanz unserer Seele erkennen.

Faszination Osterfeuer

Wir sind vom Osterfeuer ausgegangen und haben gesehen, wie vielfältig das Bild des Feuers ist. Wir brauchen solche Rituale wie das Osterfeuer, um das Geheimnis unserer christlichen Existenz zu erfahren. Wenn wir die Osterliturgie feiern, sollten wir ein wirkliches Feuer entfachen, um daran die Osterkerze zu entzünden. Und wir können auch nach der liturgischen Feier – so wie wir es bei den Jugendkursen gemacht haben – ein großes Osterfeuer entzünden. Wir können darin manches verbrennen, was uns am Leben hindert. Oder wir können einfach fasziniert auf das Feuer schauen und uns vorstellen, dass unsere Augen zu glänzen beginnen, dass das Feuer uns verbindet. Viele haben diese verbindende Erfahrung am Lagerfeuer gemacht. Das übt immer eine Faszination auf die Menschen aus. So kann auch das Osterfeuer uns an viele Feuererfahrungen erinnern und unser Herz und unseren Geist öffnen für das göttliche Feuer, das in uns brennen will, damit durch uns, durch unsere Ausstrahlung, durch unser Sprechen und unser Handeln diese Welt wärmer und heller wird.

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