Sakramentenkatechese in der„rush hour“ des LebensFirmkatechese angesichts Herausforderungen

Bereits vor 25 Jahren konstatierten die deutschen Bischöfe im Dokument „Sakramentenpastoral im Wandel“, dass die Firmung für viele Heranwachsende zum „Abschiedsfest von der Kirche“ geworden ist, insbesondere dort, wo vor dem Hintergrund noch vorhandener volkskirchlicher Strukturen fast alle noch gefirmt wurden, ohne vorher oder nachher einen Bezug zur Gemeinde zu haben. Auch wenn es eine jahrgangsweise Firmung bis heute in manchen Regionen gibt, so sind es inzwischen mindestens zwei Generationen der Kinder und Jugendlichen, die kaum noch in volkskirchlichen Strukturen aufgewachsen sind. Es ist nicht zu leugnen, dass die private Religiosität – nicht nur von Kindern und Jugendlichen – und die kirchlich vermittelte Gestalt von Religion immer weiter auseinandertreten. Dies stellt die Firmkatechese vor neue Herausforderungen.

Fazit

In der Katechese Tätige kommen nicht umhin, differenzierte Formate anzubieten, diese aber immer wieder auch im Blick auf ihre Möglichkeiten zu reflektieren, Beziehungen aufzubauen und Glaubensinhalte zu erarbeiten. Hilfreich wären empirisch belastbare Untersuchungen zu Erleben und Wirkung der Firmkatechese auf die Glaubensentwicklung unter Berücksichtigung der vielfältigen Modelle. Auch die Chancen, Firmkatechese als Arbeit mit jungen Erwachsenen zu verstehen und weniger als weitere Form der Katechese mit Kindern und Jugendlichen, sind kaum ausgelotet. Versteht man dieses Alter als „rush hour“ des Lebens, wäre hier ein Sakrament der Bestärkung im Glauben sinnvoll verortet.

Trotz der wachsenden Distanz zwischen Glaubenslehre und kirchlicher Praxis einerseits und privater Lebensgestaltung andererseits kann nicht davon gesprochen werden, dass Menschen nicht religiös sind, denn bei den meisten steht eine irgendwie geartete religiöse oder spirituelle Haltung und eben nicht nur die Aussicht auf Geschenke hinter dem Wunsch nach einem Sakrament. Die aktuellen Herausforderungen an die Firmkatechese sollen unter folgenden Perspektiven beleuchtet werden: Wie leben und glauben Kinder und Jugendliche heute? Welche Theologie kann zu einer zeitgemäßen Firmkatechese beitragen und welche didaktischen Aspekte sind zu berücksichtigen?

Wie leben Kinder und Jugendliche heute?

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts (2016) sind ca. 18,4 Prozent der Bevölkerung jünger als 20 Jahre, während 27,6 Prozent älter als 60 Jahre sind. Dies kann erklären, warum sich Kinder und Jugendliche in kirchlichen Kontexten als Minderheit „unter alten Menschen“ sehen, unter Menschen, die völlig andere Lebensfragen und Interessen haben. Fragen der Migration spielen für die Firmung vor allem dann eine Rolle, wenn sich katholisch getaufte Jugendliche, deren Familien z. B. aus Polen, Kroatien oder Indonesien nach Deutschland kamen, nicht in einer sogenannten muttersprachlichen Gemeinde firmen lassen.
Als typisch für das Anforderungsprofil in der Kinder- und Jugendzeit wird erwartet, dass junge Menschen eine soziale und berufliche Handlungsfähigkeit erlangen (Qualifizierung), dass sie zunehmend Verantwortung für sich übernehmen (Verselbstständigung) und dass sie eine Balance zwischen subjektiver Freiheit und sozialer Zugehörigkeit ausbilden. Diese Aufgaben werden nicht nur im typischen Jugendalter bewältigt, sondern auch noch im jungen Erwachsenenalter. Heute wird von einer „Scholarisierung“ des Kindes- und Schulalters gesprochen, da sich nicht nur die wöchentliche Schulzeit ausdehnt, sondern auch der Alltag und die Beziehungen in der Familie zunehmend von schulischen Themen beeinflusst werden. Eine zentrale Bedeutung wird Beziehungen beigemessen: zunächst den Beziehungen zu den Eltern, mit wachsendem Alter zunehmend auch zu den Peers und dann innerhalb einer Partnerschaft. Um sich Dinge zu finanzieren, ist für viele Jugendliche „Geld verdienen“ ein wichtiges Thema und sie übernehmen kleinere Jobs neben der Schule oder Nebentätigkeiten in den Ferienzeiten. Als „digital natives“ sind Kinder und Jugendliche in hohem Maße digital vernetzt. Im Internet surfen, lernen und recherchieren, Musik hören und downloaden, sich verabreden und mit Gleichaltrigen oder der Familie zusammen sein – all dies findet online und offline statt. Das ständige Online-Sein im Alltag bietet zahlreiche Möglichkeiten, fordert den jungen Menschen aber auch konstant Entscheidungen ab, sodass sie häufig Sorge haben, etwas zu verpassen oder nicht rechtzeitig auf Kommunikationsanfragen zu reagieren.

Wie glauben Jugendliche heute?

Im Hinblick auf Glaube und Religion hat in den letzten Jahrzehnten eine Pluralisierung stattgefunden und es kann nicht mehr von einer volkskirchlichen Situation ausgegangen werden. Neben der Erweiterung des Spektrums christlicher religiöser Gemeinschaften (z. B. Freikirchen, charismatische und evangelikale Gruppierungen) hat vor allem der Islam in Europa an Bedeutung gewonnen. Die SINUS-Jugendstudien belegen, dass sich Jugendliche – egal ob christlich, muslimisch oder konfessionslos – generell für die Fragen des Lebens interessieren: Woher kommen wir? Wohin gehen wir nach dem Tod? Was ist gerecht und moralisch? Diese Fragen haben jedoch nur selten mit Kirche oder kirchlicher Praxis zu tun. Nur ca. 38 Prozent der Jugendlichen mit christlichem Hintergrund finden den Glauben an Gott wichtig. Die wenigsten erwarten von den Kirchen hilfreiche Antworten auf die Fragen des eigenen Alltags. Als „religiöse Touristen“ befriedigen Jugendliche ihre religiösen Bedürfnisse mit einem individuell zusammengestellten Patchwork. Dieser „persönliche Glaube“ ist veränderbar und individuell, während Religion und Kirche eher als institutionell und damit unbeweglich wahrgenommen werden. Lediglich die Jugendlichen der eher traditionellen Milieus mit gehobener Bildung halten stärker an traditionellen Glaubensvorstellungen fest. Trotzdem gehört nach wie vor die Mehrheit junger Menschen in Deutschland einer Glaubensgemeinschaft oder Kirche an. Konfessionslos sind laut der aktuellen Shell-Jugendstudie nur 23 Prozent der 12- bis 25-Jährigen in Deutschland. Konflikte, in denen der Islam eine Rolle spielt, nehmen Jugendliche oft sehr differenziert wahr und versuchen, zwischen dem Islam als Religion, verschiedenen Auslegungen des Korans und religiös begründeter Gewalt zu unterscheiden. Letztere lehnen Jugendliche aller Religionen aufs Schärfste ab.

Entwicklungspsychologische und theologische Überlegungen zum Firmalter

Je nachdem, welche Bedeutung der Firmung zugewiesen wird, variieren die Vorstellungen vom idealen Firmalter ebenso wie die Praxis in den Diözesen. Entwicklungspsychologisch macht es jedoch einen Unterschied, ob Jugendliche mit ca. 12 Jahren, mit 15 Jahren oder mit 18 Jahren gefirmt werden. Soll die Erneuerung des Taufversprechens im Mittelpunkt stehen, spricht nichts gegen ein Alter zwischen 12 und 14 Jahren, sofern das Taufversprechen nicht mit der (in diesem Alter nicht einzuholenden) Mündigkeitserklärung und Zeugenschaft verbunden wird. Firmung als Bestärkung im 13 Glauben zu Beginn des Jugendalters geht von einem geringeren Alter aus als Firmung im Sinne von Glaubensmündigkeit. An der Lebenswende des Übergangs von Schule zu Studium oder Arbeitswelt ist eine Firmspendung erst ab dem 17./18. Lebensjahr sinnvoll. Entwicklungspsychologisch steht ab dem Alter von 14 bis 16 Jahren ein schrittweises Erreichen innerer Selbstständigkeit an. Teil dieses Prozesses ist eine zeitweise Abgrenzung von den Vorgaben Erwachsener. Daher ist eine Verpflichtung in der Gemeinde diesem Alter wenig angemessen. Soll die ursprüngliche Reihenfolge der Initiation wiederhergestellt werden, so könnte Firmung als Übergangsritual bei der Einschulung gespendet werden und wäre hier als Begleitung einer Lebenswende, nämlich dem Schuleintritt, erlebbar. Kritisch ist jedoch einzuwenden, dass sich die Sakramentenspendung im Grundschulalter, und damit in nur einer entwicklungspsychologischen Phase, verdichten würde.

Ungeklärte Firmtheologie als Erschwernis

Die Variationsbreite dieser Zielsetzungen spiegelt letztlich die Uneindeutigkeit der Firmtheologie. Seit ca. fünfzig Jahren wird die Bedeutung der Firmung als eigenständiges Sakrament sowie die Rückkehr zur ursprünglichen Reihenfolge Taufe – Firmung – Erstkommunion immer wieder diskutiert. Das Anliegen eines bewussten Bekenntnisses im Jugendalter findet in der Liturgie der Firmung keinen wirklichen Anhaltspunkt, da die Texte weniger auf die aktuelle Situation Heranwachsender als auf die Firmung als Endpunkt der Initiation bezogen sind. Viele Jugendliche erleben eine (ungewohnte) Liturgie der Firmung. Die Firmspendung durch einen ihnen meist fremden Priester aus der Diözesanleitung unterstreicht für viele die Bedeutung dieses Aktes, führt jedoch nicht zu einer Verbindung mit der Gemeinde. Verstärkt wird die Diskrepanz noch dadurch, dass dem Fest der Firmung sowohl in den Gemeinden als auch in den Familien weniger Bedeutung zugewiesen wird als der Erstkommunion. So ist es vor dem Hintergrund ihrer Lebenssituation verständlich, dass Jugendliche katechetische Erwartungen kritischer bewerten und sich häufiger gegen die Firmung entscheiden, wenn die Anforderungssituation ihnen zu hoch erscheint. Daher ist zu prüfen, ob Firmung nicht vielmehr als „Anschub zur geistlichen Vollreife“ (Markus Schulte) oder als „Wegmarke einer wachsenden Beziehung“ (Patrik C. Höring) in einem lebensgeschichtlichen Prozess verstanden werden sollte, der mit der Taufe beginnt und im Laufe der Lebensgeschichte zum Ende kommt. Diese sind jedoch nur als solche erfahrbar, wenn jeder Wegmarke eine eigenständige Bedeutung zukommt und dies auch erlebbar wird. Eine andere Überlegung ist, inwieweit der Gedanke der „Besiegelung“ durch den der Bestärkung ersetzt werden kann, die dann an weiteren Wegmarken im Leben erneut gespendet werden könnte, wie ja auch die Krankensalbung mehrfach möglich ist.

Didaktische Herausforderungen

Inhalte und Beziehung sind, wie es die deutschen Bischöfe in „Katechese in veränderter Zeit“ beschreiben, als zwei Seiten des Glaubenlernens zu verstehen. Daher hat eine Überbetonung von Inhalten eine Schlagseite: Katechese dient dann vorrangig dem Ziel der Vermittlung von Inhalten, d.h. als Verlängerung des Religionsunterrichts. Die – meist implizite – Didaktik entspricht eher schulischem Unterricht als den Leitvorstellungen der Gemeindekatechese. Es ist zu bezweifeln, dass dieses „Mehr an schulischer Didaktik“ angesichts begrenzter Zeit langfristigen Erfolg hat. Die Chance der Katechese liegt stärker auf der Beziehungsebene. In diesem Anliegen sollten sich Katechese und Religionsunterricht deutlicher ergänzen. Eine vorschnelle Rückverlegung in die Schule, die aus organisatorischen Gründen naheliegen mag, würde die katechetischen Chancen behindern. Ebenso einseitig ist eine Schwerpunktsetzung auf Erlebnisorientierung. Jugendliche nehmen Gemeinden und ihre Formen der Vergemeinschaftung nur bedingt als attraktiven Erfahrungsraum für den eigenen Glauben wahr. Stärker gefragt als längerfristige Gruppen sind Events und Vergemeinschaftungen über wenige Tage: Gemeinschaft, aber auf kurze Dauer, lokal ungebunden und passend zum eigenen Lebensstil. Werden jedoch katechetische Angebote als Events gestaltet, so müssen sie mehr sein als reine Erlebnisveranstaltungen, wenn sie die Vertiefung des Glaubens zum Ziel haben.
Angesichts schulischer und beruflicher Ansprüche prüfen Jugendliche, ebenso wie Katechetinnen und Katecheten, die Qualität kirchlicher Gruppenzugehörigkeit und entscheiden sich dagegen, wenn ihnen der „output“ für die eigene Person als zu gering erscheint. Neben Gruppentreffen über einen längeren Zeitraum sind Wochenendveranstaltungen oder mehrtägige religiöse Freizeiten ebenso möglich wie die Firmvorbereitung in Form eines Projektes (z. B. als Sozialprojekt) oder die persönliche Begleitung durch ein Gemeindemitglied über einen längeren Zeitraum. Es ist jedoch nicht in jedem Format möglich, Katechese als Entwicklungsprozess im Glauben zu erfahren.

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