1979 führte die islamische Revolution im Iran zu einer islamischen Republik um d’al Wali l-Faquih, oberster und unfehlbarer Rechtsgelehrter, der – so der Anspruch – aus göttlichem Willen regiert, ohne gewählt worden zu sein. Diese Revolution wurzelt in der Ideologie der schiitischen Reformbewegung, die sich in den 70er-Jahren im Irak und im Iran entwickelt hatte. Der rasche Erfolg der Revolution, die sich universell versteht und folglich keine geopolitischen Grenzen anerkennt, führte sofort zu starken Spannungen zwischen dem Iran und den sunnitischen Regimen seiner Nachbarländer. Regionale Sichtweisen und nationale Ziele der Revolution waren in der Tat nicht zu trennen. Der revolutionäre Diskurs richtete sich heftig sowohl gegen Korruption, Despotismus, Ungerechtigkeit, Unglauben und die prowestliche Außenpolitik des vorher herrschenden Regimes von Schah Reza Pahlavi als auch gegen den Zionismus, gegen den westlichen politischen, wirtschaftlichen und moralischen Imperialismus und gegen die Ungerechtigkeit und Korruption der sogenannten „islamischen“ Regime, welche prowestlich und vor allem proamerikanisch waren.1 Das Ineinandergreifen von Nationalem und Religiösem auf der einen und die Ausdehnung des religiösen ideologischen Aspekts, in diesem Fall des universalen Schiismus, auf der anderen Seite führten zu einer zwiespältigen Situation, deren negative Wirkungen sich sowohl im Inneren des Iran als auch auf regionaler Ebene zeigten.
Die regionale Wirkung der Revolution, zumindest zu Beginn, verband sich tief mit einem antiwestlichen Gefühl in der arabischen Bevölkerung, das schon seit Gründung des Staates Israel vorherrschte und sich nun deutlich verstärkte.
Aus dieser Stimmung rührt die Bewunderung, die dem Führer der schiitischen Revolution, Ayatollah Khomeiny, von der arabischen Bevölkerung und insbesondere von einigen sunnitischen Bewegungen entgegengebracht wurde. Khomeiny wollte, getreu seiner Ideologie, seine Revolution in die ganze muslimische Welt exportieren und versuchte daher, traditionelle Differenzen mit dem Sunnismus zu verringern und so die Sympathie der Völker zu gewinnen. Allerdings sollte sich die historische politische und doktrinäre Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten weiter vertiefen, umso mehr, als die sunnitischen Regime der arabischen Länder, in denen Monarchie oder Militär herrschten, sich mit allen Mitteln diesen revolutionären Umtrieben entgegenstellen mussten. So entstand im Nahen Osten ein komplexer Konflikt, der auf eine Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten hinauslief und weiter aktuell ist. Hinzu kamen in den betroffenen Ländern interne Probleme, auch rund um die Präsenz der christlichen Gemeinschaften, besonders im Irak, in Syrien und im Libanon, wo man die Auswirkungen der islamischen Revolution aufgrund der starken schiitischen Präsenz im Land besonders spürte.
Historische Anhaltspunkte
Der Streit um die Nachfolge, der nach Mohammeds Tod unter seinen Gefährten im Jahre 632 ausbrach, ist der Ausgangspunkt der Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten. Die Sunniten bestehen darauf, dass der Kalif die Vollmacht hat, die Botschaft des Islam weiterzugeben; die Schiiten ihrerseits glauben, dass diese Stelle der Familie des Propheten zusteht, und zwar Ali bin Abi Talib, dem Cousin und Schwiegersohn Mohammeds. Auf diese Weise entzweite eine konfliktreiche und blutige Geschichte die beiden Familien des Islam. Besonders geprägt wurde diese vom Tod Husseins, des Sohnes von Ali, bei einer Konfrontation mit der Armee der Umayyaden im Jahre 680 in Karbala im Irak. Dieses Ereignis hinterließ im Schiismus tiefe Spuren und gab ihm ein Selbstverständnis, das von Leid, Martyrium und dem Gefühl der Ungerechtigkeit geprägt ist. Wie der Sunnismus kannte auch der Schiismus mehrere unterschiedliche Schulen der Interpretation, unterschied sich aber durch verschiedene Zweige, deren stärkster die Zwölfer-Schia ist. Diese ist gekennzeichnet durch die Verehrung Alis und seiner Nachkommen, die als die „zwölf Imame“ bekannt sind, und durch die Erwartung der Wiederkehr von al-Mahdi, dem letzten dieser Imame, der seit dem Jahre 874 im Verborgenen lebte.
Al-Mahdi wird am Ende der Zeiten kommen, um Gerechtigkeit und Wahrheit aufzurichten. Während seiner Abwesenheit spielen die religiösen Führer eine eminente Rolle: Sie regieren im Namen Gottes, und ihre Herrschaft, paternalistisch ausgerichtet, erstreckt sich auf Legislative, Jurisdiktion und Exekutive. Diese eschatologische Erwartung ist gekennzeichnet von der Idee des Martyriums und des Opfers und prägt den schiitischen Glauben zutiefst. Unseligerweise sieht der Schiismus die Welt sehr negativ, sie sei voller Ungleichheit und Ungläubigkeit. Daher betrachteten manche sunnitische Regierende und Juristen den Schiismus nicht nur als einfache Sekte, die den wahren Glauben bedroht, sondern als einen Faktor der Instabilität.
Der Sunnismus, dem heute 90 Prozent der Muslime angehören, beansprucht für sich weiterhin die Orthodoxie des Glaubens der ersten Kalifen; diese bewahrten die Religion des Propheten in seiner Ursprünglichkeit. Daher will der Sunnismus den Schiismus und seine Zweige sowohl auf theologischem als auch auf politischem Gebiet ständig widerlegen. Die Umayyaden, die das Kalifat des Islam von 661 bis 750 innehatten, und ebenso die späteren Abbasiden (750-1258) verfolgten die Schiiten. Einer der einflussreichsten und wichtigsten Gelehrten des sunnitischen Islam, al- Ghazali (1058-1111), bezichtigte die Ismaeliten, einen der Zweige des Schiismus, der Ungläubigkeit und der Apostasie. Als glühender Verteidiger des Sunnismus war Ibn Taymiyya (1263-1328) der Auffassung, die Schiiten seien vom Wege abgewichen und ihren Launen gefolgt. Auf diese Weise zu einer verfolgten Minderheit geworden, nahm eine große Zahl von Schiiten Zuflucht zur „taqiyya“, d.h. sie verbargen ihren Glauben, andere hingegen lebten am Rande der Gesellschaft. All dies verstärkte bei den Schiiten das bis heute vorherrschende Gefühl, eine verfolgte, gemarterte2 und verachtete Gemeinschaft zu sein.
Im 17. Jahrhundert nahm, ganz neu, die in Persien herrschende Dynastie der Safawiden die Zwölfer-Schia als Staatsreligion an und grenzte sich dadurch von ihrem Rivalen, dem Ottomanischen Reich, dem Zentrum des Sunnismus, ab. Diese Maßnahme hing auch mit einem gewissen persischen Nationalismus zusammen: Persisch (Farsi) wurde zur offiziellen Sprache erklärt, auch als Hinweis auf die Bedeutung Persiens weit vor dem Islam. Es kam ein antiarabisches Gefühl auf, das auch antisunnitisch und antiottomanisch war. Die Opposition der beiden großen Reiche, des ottomanischen und des persischen, ihr Kampf um Expansion bis ins 19. Jahrhundert und ihr zwiespältiges Verhältnis zueinander bekamen zur gleichen Zeit einen religiösen und nationalistischen Charakter.3 Faktisch war in der Politik des Iran als Erbe des persischen Reiches der nationalistische Aspekt nie wirklich verschwunden, was auch die komplexen Beziehungen mit den arabischen Ländern seit Rückzug und Fall des ottomanischen Reiches prägte. In den Mittelpunkt der Beziehung zum Iran rückte nun Saudi-Arabien, umso mehr als dessen saudisch-islamischer Stil sich mit dem arabischen Charakter des Islam verband. Die Tradition, sich um den eigenen Stamm zu sorgen, die auf der arabischen Halbinsel starkes Gewicht hatte, verhinderte nicht die extreme Treuepflicht gegenüber dem arabischen Islam.
In dieser kulturellen Stimmung schlossen Anhänger der wahhabitischen Doktrin und das Haus Saud im 18. Jahrhundert ein Bündnis. Der Wahhabismus bezieht sich hauptsächlich auf die hanbalitische Schule. Sie ermöglicht im Wesentlichen den „Djihad“. Der Wahhabismus zeichnet sich durch strikte und wörtliche Auslegung des Koran aus, durch heftige Ablehnung jeglicher Erneuerung oder Modernisierung, die nicht direkt dem Islam entstammt, durch Errichtung des Staates einzig und allein auf Basis des muslimischen Rechts (der Scharia) und durch Verwerfung der schiitischen Lehren und Praktiken. Im Jahre 1932 zum Königreich geworden, wird der neue Staat Saudi-Arabien zum Prediger des Wahhabismus als der reinen Version des Islam. Die Feindseligkeiten zwischen Sunniten und Schiiten waren einem ständigen Wechsel unterworfen; im Rhythmus der Beziehungen zwischen den beiden regionalen Mächten, Iran und Saudi-Arabien, sowie der Entwicklung der politischen Szene im Nahen Osten verschärften sie sich oder schwächten sich im Gegenteil ab.
Ein komplexer Konflikt
Von Anfang an ist die zwischen Sunniten und Schiiten verlaufende Bruchlinie von einem gewissen Gruppenfanatismus oder Sektierertum (Asabiyya) gekennzeichnet. Riten und religiöse Praktiken sind es vor allem, die eine gemeinschaftliche und die nationalen Grenzen übersteigende Identität stiften. Zu jedem Zeitpunkt können diese Riten politischen Interessen dienen, vor allem dank der Lehren der offiziellen religiösen Institutionen, die immer im Dienste des Regimes stehen und in der einflussreiche religiöse Führer eine Verbindung zwischen den rituellen Symbolen und den explizit politischen Konflikten herstellen. So werden diese Konflikte zum Zankapfel zwischen Sunniten und Schiiten und verlagern auf diese Weise die Feindschaft aus der Vergangenheit in die Gegenwart. In den Augen der sunnitischen und schiitischen Völker kann man die politische Dimension von der religiösen nicht trennen. Hieraus entsteht ein kollektives Bewusstsein von politischer und religiöser Prägung, das Gefühl eines starken Zusammenhalts, das vor allem vor dem Hintergrund des antagonistischen Verhältnisses zur anderen Gruppe gesehen werden muss. Diese Form des Gruppenfanatismus ist weiterhin relevant. Sie ermöglicht es, die politische Manipulation des religiösen Faktors, die sofortige Verallgemeinerung jeden Konflikts und die daraus folgende irrationale Solidarität zwischen den beiden großen Familien des Islam zu verstehen.
Auch wenn man diese Form des Gruppenfanatismus im Auge behält, so müssen noch andere Faktoren gesehen werden, um die Komplexität des aktuellen Konfliktes zu erfassen. Vor der Revolution von 1979 schwankten unter dem autoritären Regime von Reza Schah Pahlavi die Beziehungen zwischen dem Iran und seinen arabischen Nachbarn, allen voran Saudi-Arabien, zwischen Misstrauen und kaltem Krieg. Während der Regierung des Schahs von 1941 bis 1979 zielte seine nationale Politik mit Hilfe großer britischer und amerikanischer Unterstützung auf eine Modernisierung nach westlichem Vorbild; allerdings sollte das sein Regime nicht beeinträchtigen, das mit einer politischen Polizei jede Opposition grausam unterdrückte. Im Inneren kam es zu einer starken, vom schiitischen Klerus unterstützten Protestbewegung im Volk, umso mehr, als die enormen Einnahmen durch das Erdöl nicht der Bevölkerung zugutekamen. Die hegemoniale Politik des Schah, der den Titel shahinshah („König der Könige“, nach alter persischer Sitte) annahm, führte in der Außenpolitik zu Spannungen mit bestimmten Golfstaaten wie Saudi-Arabien, das eine Zunahme des iranischen Einflusses fürchtete, und dem Staat der Vereinigten Arabischen Emirate, den der Schah wie eine iranische Provinz betrachtete. Auch mit dem Irak nahm die Spannung zu, weil der Iran die Kurden mit der Absicht unterstützte, das Regime des irakischen Herrschers Saddam Hussein zu destabilisieren. Außerdem verstärkte die Anerkennung des Staates Israel durch den Schah die Feindseligkeit zwischen Persern und Arabern.
Nach der Errichtung der islamischen theokratischen Republik im Iran tendierte diese auf regionaler Ebene zu einem revolutionären Diskurs mit den Schlagworten Antiimperialismus, Antizionismus und Gerechtigkeit. Die arabischen sunnitischen Nachbarstaaten des Iran richteten sich auf eine lange und harte Konfrontation ein, da sie sowohl beunruhigt waren über den enormen Einfluss der Revolution auf ihre Völker als auch über das Erwachen der schiitischen Gemeinden, was den iranischen Einfluss nach außen verstärken würde. Das Regime von Saddam Hussein im Irak fühlte sich durch die islamische Revolution direkt bedroht, denn Khomeiny lehnte die Brutalität des irakischen Regimes ab, welches die schiitische Mehrheit in seinem Land unterdrückte.
Im Jahre 1980 brach ein Krieg zwischen den beiden Ländern aus, der acht Jahre lang dauerte. Große finanzielle Unterstützung erhielt der Irak in diesem Krieg von Saudi-Arabien. Nachdem er geschwächt aus dieser langen Konfrontation hervorging und danach aufgrund des ersten Golfkriegs 1991 völlig am Boden lag, zog sich der Irak aus der Konfrontation mit dem Iran zurück und machte Platz für Saudi-Arabien. Im ständigen Hin und Her zwischen misstrauischer Normalisierung und Spannung eskalierten die Beziehungen der beiden regionalen Mächte bei der amerikanischen Invasion im Irak im Jahre 2003 erneut.
Stellvertreterkonflikte
Von diesem Moment an wurde der Irak tatsächlich zum Schauplatz der Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien durch Stellvertreter. Nachdem im Irak lange die schiitische Mehrheit vom Regime Saddam Husseins verfolgt und ausgegrenzt worden war, kam sie in der Hauptstadt Bagdad an die Macht und erhielt rasch die Unterstützung der islamischen Republik. Im Gegenzug unterstützten Saudi- Arabien und andere Golfstaaten finanziell die sunnitischen Milieus. Noch stärker eskalierte diese konfessionelle Konfrontation, als der Schiit Nouri al Maliki 2010 mit iranischer Unterstützung Premierminister wurde. Dieses Mal waren es die Sunniten, die sich ins Abseits gedrängt und von der Regierung im Stich gelassen fühlten. Diese Situation schuf im Irak und in der Levante günstige Voraussetzungen für das Erstarken des Islamischen Staates (IS), eines Zweigs von al-Quaida, der schon seit 2006 in mehreren irakischen Regionen mit sunnitischer Mehrheit militärisch aktiv war, und zwar unter dem Vorwand, gegen die amerikanische Besatzung Widerstand zu leisten und die Sunniten zu verteidigen.
Die arabischen Aufstände im Jahre 2011 erweiterten die Stellvertreterkonflikte zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und verschärften den konfessionellen Konflikt. 4 Ursprünglich kamen diese Erhebungen spontan und aus dem Volk; sie richteten sich gegen die despotischen und korrumpierten Regime, hatten jedoch keinen Plan für die Zukunft. Die islamischen Parteien, bis dahin gegen das Regime eingestellt, waren die stärksten und am besten organisierten, um die Leerstelle auszufüllen, die durch den Fall der alten Regime in Tunesien und Ägypten entstanden war. In Ägypten kam es nach einer kurzen Herrschaft der Muslimbrüder 2013 erneut zur Errichtung einer Militärdiktatur, Tunesien hingegen kämpfte nach wie vor um politische und wirtschaftliche Stabilität. Libyen, der Jemen, Syrien und der Irak versanken in Chaos und internationalisierten Bürgerkriegen. Saudi-Arabien handelte auf mehreren Ebenen, im Inneren wie im Äußeren, um Situationen zu meistern, die andernfalls günstig für die iranische Expansion verlaufen wären: Das wahhabitische Königreich ließ 2011 seine Armee in Bahrein einmarschieren, um die von der schiitischen Mehrheit angeführten Proteste gegen die Regierung zu ersticken, und es unterstützte bestimmte sunnitische Milizen im Irak und in Syrien gegen die iranische Unterstützung des Regimes von Haidar al-Abadi in Bagdad und Baschar al-Assad in Syrien. Ebenso hatte das Königreich Unruhen der schiitischen Minderheit auf seinem eigenen Territorium in der Provinz von Hassa zu unterdrücken. Später, im Jahre 2015, bildete Riad eine arabische Koalition, um im Jemen gegen die Huthis militärisch vorzugehen. Die Huthis sind ein zaiditisch geprägter Zweig der Schiiten und werden militärisch vom Iran unterstützt.
Saudi-Arabien allerdings ist noch weit davon entfernt, an der Spitze einer starken geeinten sunnitischen Achse zu stehen, die sich dem gegenüberstellt, was man zu Recht oder zu Unrecht den „schiitischen Halbmond“ nennt. Zu diesem gehören der Iran, der Irak, das alawidische Regime (ein Zweig des Schiismus) von Assad in Syrien und die libanesische Hisbollah (eine schiitische Miliz, im Iran gegründet und von ihm unterstützt). Katar wird beschuldigt, dem Iran nahezustehen und die Islamisten, vor allem die Muslimbrüder, zu unterstützen, die eine Bedrohung für monarchische und militärische Regime darstellen.
Die Beziehungen zwischen Ägypten, Jordanien und anderen sunnitischen Ländern des Nahen Ostens und dem Iran sind in ständigem Hin und Her zwischen Kooperation und leichter Spannung, aber immer unter Kontrolle. Im Dossier des iranischen Nuklearprogramms spielte die Türkei die Vermittlerrolle zu den westlichen Ländern. Trotz der Divergenzen mit dem Iran in Bezug auf Syrien bewahren beide Länder ein annehmbares nachbarschaftliches Verhältnis, vor allem zur Stunde, da sich die „kurdische Frage“ mit Dringlichkeit stellt und beide Länder direkt betrifft. Der Iran hat nicht das Monopol, als einziger Staat alle Schiiten im Nahen Osten zu repräsentieren, umso mehr als seine Außenpolitik sich nicht auf die revolutionären Ziele der Schiiten beschränkt, obwohl sie den konfessionellen Aspekt im regionalen geostrategischen Kampf verstärkt. Man sollte auch die Verhandlungen erwähnen, die das iranische Regime mit den großen westlichen Mächten geführt hat und die 2015 zum iranischen Nuklearabkommen geführt haben. Das Hauptanliegen der islamischen Republik sind die nationalen iranischen Interessen, was den universalen Anspruch ihres revolutionären Diskurses beschränkt. Die Demonstrationen, die im Iran Anfang 2018 stattfanden, zeigten außerdem nicht nur die Unzufriedenheit im Salah Aboujaoude SJ 474 Volk wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage, sondern auch eine zunehmende Entfremdung zwischen Regime und Volk.
Die christlichen Gemeinschaften im Brennpunkt des Konflikts
Im Irak zahlten die Christen einen hohen Preis für die Spirale der Gewalt in der Region. Vor dem ersten Golfkrieg waren sie fast eine Million, heute gibt es höchstens noch 250.000 Christen, die Mehrzahl ist aus dem Land geflohen. Sie waren das Ziel gut organisierter Angriffe im Jahre 2005; als Vorwand galt, sie arbeiteten mit der amerikanischen Armee zusammen, oder es ging auch darum, sich für ungerechte Taten, die gegen bestimmte Moslems in anderen Ländern verübt worden waren, zu rächen. Viele Christen flohen in die Provinz Kurdistan und vor allem in die Ebene von Ninive, die sie 2014 hatten verlassen müssen, als der IS die Kontrolle über diese Region übernahm. Nach der Niederlage des IS kam ein Teil der Christen in die nun durch die „Peschmerga“ befreite Region von Ninive zurück. Diese kurdische Miliz weigerte sich, die befreite Region der Regierung Bagdads zu überlassen. Premierminister Haidar al-Abadi neigt im Moment dazu, eine Politik der Dezentralisierung zu führen, was die Spannung wegen der kurdischen Position vermindert. Aber in Anbetracht der Komplexität der kurdischen Frage, die sowohl den Iran als auch die Türkei betrifft, bleibt die Zukunft unsicher. Die Christen können nur passiv abwarten, wie sich die Situation auf regionaler Ebene entwickelt. Das gleiche gilt für die Christen im pro-iranischen Herrschaftsgebiet von Bagdad.
In Syrien lebten 2011 ungefähr 1,25 Millionen Christen aller Konfessionen, 2017 waren es weniger als 500.000. Sie haben in dem regionalen und internationalen Krieg, der auf ihrem Territorium stattfindet, einen hohen Preis bezahlt und bezahlen ihn weiterhin. Die Christen waren traditionell auf der Seite der Machthaber. Sie sind es im Allgemeinen weiterhin, auch wenn einige von ihnen in der syrischen Opposition waren. Das Regime von Damaskus präsentiert sich tatsächlich als Verteidiger der Christen und anderer religiöser oder ethnischer Minderheiten gegen die sunnitischen Dschihadisten.
Die Mehrheit der Christen, die in Syrien leben, haben momentan keine andere Wahl, als sich auf die Seite des Regimes zu schlagen, das sich inmitten der Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien und zwischen Russland und den Vereinigten Staaten und inmitten der kurdischen Frage wiederfindet. Diese weiterhin explosive Lage schwächt die Christen noch mehr und lässt ihre Zukunft düster erscheinen.
Im Libanon, wo 18 konfessionelle Gruppen leben, davon 14 christliche, wird der Konflikt zwischen zwei regionalen Mächten in einer wechselnd latenten und dann wieder offenen Spannung zwischen Sunniten und Schiiten sichtbar. Politisch sind die Christen in zwei Lager gespalten: Saudi-Arabien unterstützt die christlichen politischen Parteien der „Bewegung vom 14. März“, die von Premierminister Saad Hariri geleitet wurde. Die Hisbollah – sie wurde 1982 gegründet und ist eine militärische und ideologische Verlängerung der islamischen Revolution – unterstützt andere christliche Parteien. Sie gehören zu der Bewegung vom 8. März, dem „Courant patriotique libre“, gegründet vom Präsident der Republik, Michel Aoun.
Ganz offensichtlich werden die Christen noch eine Weile zwischen dem Hammer der islamischen Republik auf der einen und dem Amboss des wahhabitischen Königreichs auf der anderen Seite eingeklemmt sein.
Der konfessionelle Diskurs über einen sunnitisch-schiitischen Konflikt, wie er von Saudi-Arabien und dem Iran geführt wird – beides feindliche Nachbarn und fest entschlossen, die alleinige Repräsentanz von Sunnismus und Schiismus für sich zu beanspruchen – folgte den gescheiterten arabischen Aufständen, die auf eine Zukunft mit Demokratie und Menschenrechten abzielten. Werden die Stellvertreterkonflikte weitergehen? Wohin wird dieser religiöse Extremismus führen? Mit Russland an der Seite der islamischen Republik und den Vereinigten Staaten an der Seite Saudi-Arabiens sieht es für die Zukunft nach einem langen Krieg aus.
Aus dem Französischen übersetzt von Annette Ganter-Maslard