Bildpredigt zum Thema "Reisen"

Apostelgeschichte 8,26-40

Pieter Lastman: „Die Taufe des äthiopischen Kämmerers durch den Apostel Philippus“, 1623, Öl auf Eichenholz, 85 × 115 cm (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inventarnummer 772).
Pieter Lastman: „Die Taufe des äthiopischen Kämmerers durch den Apostel Philippus“, 1623, Öl auf Eichenholz, 85 × 115 cm© Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inventarnummer 772

Reisen Sie gerne? Und, wenn ja, wie reisen Sie gerne? Eher pauschal mit einer Reisegruppe oder in eine feste Ferienanlage oder bevorzugen Sie die Individualreisen?
Meine Frau und ich reisen gerne und lieben dabei die absoluten Individualreisen. Wir sind dann mit dem Auto unterwegs. Wir haben uns vorbereitet und Reiseführer gelesen. Wir halten in der einen oder anderen Stadt, besuchen Sehenswürdigkeiten und beschäftigen uns gerne mit den Besonderheiten der Orte. Wir machen an landschaftlich schönen Orten Rast. Wir wollen von den regionalen Kulturen und Traditionen etwas mitbekommen. Wir wollen Neues kennenlernen und unser Wissen und unseren Horizont erweitern. Unser Reisen dient der Erholung, aber auch der Bildung. Diese Kombination lieben und genießen wir.

An genau solche Individualreisen werden wir erinnert, wenn wir, ohne auf den Bildtitel zu achten, das Bild anschauen. Gut, es entspricht nicht unserem heutigen Reisestandart und es ist weder unser weißer Bulli noch moderne Kleidung zu finden, aber die dargestellte Situation passt zu unseren Reise-überlegungen.
Sofort fällt der große Reisewagen auf, der in bergischer Landschaft an einem Flüsschen angehalten hat. Wir sehen den ausgefahrenen Weg hinter der Kutsche. Links von ihr ist eine Anhöhe mit einem Baum. Rechts ist ein felsiger Abhang dargestellt, der von einem großen Bauwerk bekrönt wird. Aus den Felsen kommt Wasser in einem kleinen Wasserfall hervor. Vielleicht ist es eine Quelle, deren Wasser zu einem Flüsschen wird, das nach rechts in den Vordergrund wegfließt. In der Ferne ahnen wir eine Berglandschaft, die der Kutsche zu Füßen liegt.

Diese Kutsche, die von zwei edlen Pferden gezogen wird, hat große mit Eisen beschlagene Räder und eine gute Federung. Offenbar ist die Kutsche geräumig und bietet mehreren Personen Platz. Vorne sitzt der Kutscher. Er hat angehalten und sich auf dem Kutschbock umgewendet. Die Peitsche hält er erhoben in der rechten Hand. Auch ein zweiter junger Mann ist beim Kutscher. Er ist in der Kutsche aufgestanden, hat sich umgedreht und steht nun, den Blick auf das Geschehen neben der Kutsche gerichtet, leicht gebeugt da. Mit der linken Hand stützt er sich auf dem Rücken des Kutschers ab. Links von ihm ist ein Sonnenschirm zu sehen, der in der offenen Kutsche den Reisenden offenbar Schutz vor der sengenden Sonne geben soll. Über die Rückbank der Kutsche ist eine Decke gelegt, die auch noch eine kleine zusätzliche Rückbank oder befestigtes Gepäck überdeckt.

Hinter der Kutsche steht ein junger Mann, fast noch ein Kind. Dieser ist mit einem hellvioletten Gewand und einem roten Reiseumhang bekleidet. Er trägt Stiefel und einen aufwändigen Gürtel. Vor allem aber hat er ein großes aufgeschlagenes Buch in seiner Hand. Vor ihm steht ein Hund, der aufmerksam aus dem Bild herausschaut, also gewissermaßen die Bildbetrachtenden in den Blick genommen hat.
Neben der Kutsche am Ufer des kleinen Flusses erkennen wir zwei Männer. Der eine kniet mit seinem rechten Bein, während sein linkes in Hockstellung ist. Er hat offenbar ein Untergewand und eine kostbares rotes Obergewand an. Vom Gürtel hängt eine kostbare geknüpfte Quaste herunter. Auch erkennen wir einen guten Schuh an seinem Fuß. Die Arme hat er vor der Brust gekreuzt. Sein Blick geht nach oben. Hinter ihm steht barfüßig ein Mann mit Vollbart. Er trägt ein braunes Untergewand, dass mich, auch wegen des gebundenen Stoffgürtels, etwas an eine Mönchskutte erinnert. Darüber hat er eine dickes Obergewand, das er wie eine Decke über die eine Schulter gelegt hat. Dieser Mann ist dem Mann vor ihm zugewandt, er hat ihn in den Blick genommen. Seine rechte Hand schwebt über dem Kopf des anderen.

Ist hier eine Rast auf der Reise dargestellt? Ist das gar ein Halt an einem besonderen Aussichtspunkt unterhalb einer besonderen Stadt oder eines herausragenden Gebäudes? Ist es ein letzter Halt, bevor es in das Tal hinabgeht?
Der Kämmerer der äthiopischen Königin, der Kandake, ist auf Reisen. Es ist also der Finanzminister, der am Hof der Königin und in ihrer Regierung eine besondere Stellung hat. Seine Reise ist kein kurzer, schneller Trip. Er reist nach Jerusalem, das von Napata, der Residenzstadt der Kandake, knapp 2.500 Kilometer entfernt liegt. Bei der damaligen Reisegeschwindigkeit dürfte er mehrere Wochen unterwegs gewesen sein.

Wir wissen nicht, ob dieser Finanzminister auch einen Auftrag der Kandake zu Finanzgesprächen in Jerusalem gehabt hat, aber es ist doch eher unwahrscheinlich. Eine Erholungsreise war dieser Trip auf alle Fälle nicht, sondern der biblische Text verrät, dass der Finanzminister ganz privat reiste, um in Jerusalem anzubeten. Offenbar hielt er sich zur jüdischen Religion, obwohl ihm als Eunuchen, und als solcher wird er im biblischen Originaltext bezeichnet, der Besuch im Tempel und das dortige Beten verwehrt war. Vielleicht war der Finanzminister, dessen Namen wir nie erfahren, ein sogenannter Gottesfürch-tiger, ein dem Judentum Nahestehender. Vielleicht stammte er auch aus dem Stamm der Falascha, die als dunkelhäutiger Stamm Israels seit Urväter Tagen im äthiopischen Raum angesiedelt sind und auch Beta Israel genannt werden. Wir wissen es nicht.
Was wir aber wissen ist, dass dieser Finanzminister Hebräisch spricht und auch die dazugehörige Schrift lesen kann. Er hat sich in Jerusalem ein Buch des Propheten Jesaja gekauft und liest darin auf der Rückfahrt. Und vor allem wissen wir, dass diesem Finanzminister sein Glaube so wichtig war, dass er all die Strapazen dieser unbequemen Reise auf sich genommen hat, um in Jerusalem anzubeten, obwohl er nicht in den inneren Tempelbezirk durfte, sondern nur in die Vorhöfe. Er ist offenbar ein sehr frommer, gläubiger Mann, der sich hier auf seine beschwerliche Pilgerreise gemacht hat.

Sicher, er fuhr im Wagen und das war bei seinem Stand sicherlich ein guter Wagen. Aber es ging doch von Napata über staubige Straßen viele Tage und Wochen Richtung Norden. Er musste durch fremde Länder, wie Ägypten zum Beispiel, um dann über die alten Handelswege über den Sinai Richtung Gaza weiterzufahren. Und schließlich ist er ins Hochland abgebogen, um Jerusalem, die hochgebaute Stadt, zu erreichen. Dann war er endlich in Jerusalem, der Stadt seiner Pilgerträume. Er hat gebetet und angebetet. Er hat sich mit seinem Glauben beschäftigt und versucht, diesen zu vertiefen. Deshalb kauft er sich ein Prophetenbuch. Er kauft sich religiöse Fachliteratur, um diese zu studieren.

Nun ist er auf der Rückfahrt. Und er weiß, was dieser Weg bedeutet. Er freut sich auf seine Heimat und ist erfüllt von dem Erlebten in Jerusalem. Und er nutzt die lange Zeit des Reisens zum Lesen. Er liest im Buch des Propheten Jesaja.
Er ist noch nicht weit von Jerusalem weg, da läuft plötzlich ein Mann neben seinem Wagen her. Der Finanzminister weiß nicht, wer der ist und warum der da ist. Vom Engel des Herrn, der den Philippus dahin geschickt hat, ahnt er nichts.
Man stelle sich das heute einmal vor: Da ist ein Minister unterwegs und plötzlich läuft ein wildfremder Mann neben dem offenen Wagen her. Die Sicherheitskräfte würden mindestens umgehend nervös, wenn sie nicht sofort einschreiten würden. Und dann richtet dieser Fremde auch noch das Wort an den Minister. Ohne eine Anrede oder Höflichkeitsformel fragt er direkt: „Ver-stehst du auch, was du liest?“ Und eigentlich möchte man diese Frage nicht von jedem dahergelaufenen Fremden gestellt bekommen.

Aber dieser Minister ist anders unterwegs. Er ist auf der Pilgereise, um anzubeten und seinen Glauben zu vertiefen. Er will das theologische Buch, die Schrift des Propheten Jesaja im Tiefsten verstehen. Ach, kann man da nur sagen, wenn man alle mit solchem Willen in der Bibel läsen.
Und so bittet er den ihm bis dahin unbekannten Philippus, einzusteigen und neben ihm Platz zu nehmen. Er stellt seine Verständnisfragen und Philippus antwortet und verkündigt. Und so geht die Reise während des Gespräches, während der theologischen Diskussion weiter in Richtung Heimat des Ministers. Und doch nimmt die Reise hier eine unerwartete Wendung: War es bisher eine Pilgerreise des Ministers, um seinen jüdischen Glauben zu vertiefen und zu festigen, wird es nun eine Reise zu einem neuen Glauben. Phippus legt die prophetischen Worte nicht innerjüdisch aus, sondern bezieht sie auf Jesus Christus und erzählt dem Minister das ganze Evangelium. Er verkündet anhand des Jesajawortes vom Schaf auf der Schlachtbank Jesu Kreuzestod und Auferstehung. Philippus bezeugt in dieser theologischen Diskussion seinen tiefen Glauben und eröffnet dem Minister so neue Wege für dessen Glauben. Und der Minister begibt sich auf diese neue Reise. Der Gaube in ihm verändert sich. Er wechselt vom jüdischen Glauben zum christlichen. Er ist ganz neu angekommen.
Und als dann der Wagen des Ministers zu einer Wasserstelle kommt, erbittet dieser die Taufe.
Der Wagen hält. Philippus und der Finanzminister steigen aus und gehen zum Wasser. Philippus tauft den Finanzminister.
Schauen wir wieder auf das Bild, das Pieter Lastman 1623 zu dieser Geschichte gemalt hat:

Rechts oben auf dem Berg könnte Jerusalem gemeint sein und wir können uns vorstellen, wie in Serpentinen der Weg von der hochgebauten Stadt bis zu diesem Punkt herabführte. Nun steht die Kutsche. Die Reise hat eine Unterbrechung bekommen, ein Halten, ja ein Innehalten Der Diener hat das Buch aufgeschlagen. Er hält es offen, während er Philippus anschaut. Fast ist es, als ob er gerade daraus vorgelesen hat oder es gleichtun würde. Kutscher und Diener, die das theologische Gespräch zwischen dem Minister und Philippus mitbekommen haben, sind interessiert an dieser Wende des Reiseweges. Sie beobachten genaustens.
Und der Minister hat sich niedergekniet. Die Arme hat er in einer anbetenden Demutsgeste vor der Brust gekreuzt. Aber sein Blick geht nun nicht mehr nach Jerusalem, was das Ziel seiner Reise war, sondern hinauf zum Himmel. Er hat Jesus Christus den Gekreuzigten und Auferstandenen in seinen Blick genommen. Philippus steht hinter ihm und tauft mit seiner rechten Hand. Kaum zu ahnen ist das Wasser, das er zur Taufe nutzt. Und nach der Taufe geht es in die Weite der Welt für den Minister. Hinab in die Heimat, zurück zu seinem Dienst. „Der Kämmerer zog voll Freude auf seinem Weg weiter.“

Egal, ob Sie gerne reisen oder nicht, wir alle befinden uns auf der Reise unseres Lebens. Ist das für uns eine Reise, die den Glauben zur Grundlage hat? Lassen wir uns auf dieser Reise immer wieder von Gott auf den richtigen Weg leiten? Und ziehen wir letztlich im Glauben voll Freude auf unseren Wegen weiter? – Ich wünsche es uns!

Lesungen:  Apostelgeschichte 8,26–40 
Liedvorschläge:  171 (Bewahre uns Gott) 
  209 (Ich möcht‘, dass einer mit mir geht) 
  222 (Im Frieden dein) 
  503 (Geh aus mein Herz) 
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