Der Monatsspruch im Juli 2024

Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.

2. Mose 23,2 (E)

In einer ganzen Reihe von Geboten werden die Israeliten in Exodus 23,1–9 auf Recht und Gerechtigkeit verpflichtet; in so gut wie jedem der Sätze steht „du sollst“. Selbst die Fremdlinge werden mit einbezogen! Oben und unten, Arme und Reiche, Mächtige und Machtlose, Einheimische und Ausländer, ausnahmslos alle, sollen gleichbehandelt werden. Selbst die (Last-)Esel werden in die Schutz- und Fürsorgegemeinschaft mit einbezogen. Vorbildlich für jede kleinere oder größere Gemeinschaft!
Unerreichbares, weil völlig irreales Ideal? Darüber kann man philosophieren und gesellschaftspolitisch debattieren – und beides geschieht seit Thomas Morus’ „Utopia“ auch. Das ist zweifellos notwendig – und geschieht auch, wenigstens ansatzweise (Stichwort: bedingungsloses Grundeinkommen). Dafür ist jedoch hier nicht der Platz. Nur als kleines nota bene: Thomas Morus wurde von der katholischen Kirche 1886 selig- und 1935 heiliggesprochen.
Nicht unwichtig ist für den Zusammenhang die Stimme des Volksmundes. Der sagt nämlich ganz einfach so: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Diese sogenannte „Goldene Regel“ fußt auf einem Wort Jesu in der Bergpredigt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 7,12)

Dass diese (und andere) Gebote nicht eins zu eins befolgt wurden, ja häufig in Vergessenheit gerieten oder gar bewusst mit Füßen getreten wurden, zeigt die prophetische Kritik im Laufe der Geschichte Israels.
Und ehrlicherweise muss man im Blick auf jede menschliche Gesellschaft feststellen, dass (viele) kleine oder größere, ja große Fehler passieren. Oder Mängel werden erst gar nicht als solche erkannt oder nicht wirklich behoben, sondern nur notdürftig geflickt. Beispiele gibt es unendlich viele. Zwei möchte ich herausgreifen. Gut dokumentiert und nachvollziehbar sind sie.
Der Tübinger Neutestamentler Ernst Käsemann war über Deutschland und die deutschen Kirchen zunehmend enttäuscht. Im Mai 1977 war seine Tochter in Argentinien ermordet worden. Die deutschen Behörden und auch die Kirchen taten nichts beziehungsweise zu wenig. Man überließ ihn und seine Familie sich selber. 1998 starb Käsemann verbittert. In einem seiner Bücher klagte er an: „Was sich harmlos als freie Marktwirtschaft tarnt und alle zu beglücken verspricht, ist in Wirklichkeit die Fortsetzung von Imperialismus und Kolonialismus durch ein kapitalistisches System.“ Die Kirche sei ein – so klagte Käsemann in der ZEIT – „ein getreues Spiegelbild der wohlstandssatten, selbstgerechten, leidunempfindlichen Gesellschaft.“

Sprung von der Vergangenheit zu der fast alltäglichen Gegenwart so mancher Flüchtlinge. Einer sagte: „Ich floh aus meinem Heimatland, weil dort Armut und Ungerechtigkeit herrschen. Ich hoffe auf ein besseres, gerechteres Leben in Europa.“ Aber er wurde gnadenlos abgeschoben/rückgeführt.
Glücklich, wer in einem Rechtsstaat geboren wurde und dort leben darf. Wenn die Mehrheit nach Recht und Gerechtigkeit strebt und Unrecht so weit als möglich gemieden wird. Aber: man erinnere die vielen Plastiken und Darstellungen der Göttin iustitia. Ihre Augen sind mit einem Kopftuch verbunden. Dies kann man positiv so verstehen, dass Gerichtsentscheide vorurteilsfrei, gerecht und ohne Ansehen der Person gefällt werden sollen. Negativ kann es jedoch auch so verstanden werden, dass – horribile dictu – Gerichtsentscheide gefällt werden, ohne dass die Richter/innen genau genug hinschauten, sie – hoffentlich übertrieben gesagt – wie blind entscheiden.

Zusammengefasst und konzentriert gesagt: Wir alle sind dazu aufgerufen, im Sinne des Monatsspruches zu handeln. Als Juden und Christen sogar in besonderer Weise! Ist uns doch die Hoffnung mitgegeben, „dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.“ (Psalm 85,11)

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