Gottesdienst am 12. Dezember 2021Freude und Enttäuschung - Über Treue und Vertrauen im Glauben

3. Advent, 1. Korinther 4,1-5

(Singen)
Morgen, Kinder, wirdʼs was geben!
Morgen werden wir uns freun!
Welche Wonne, welches Leben
Wird in unserm Hause seyn;
Einmal werden wir noch wach,
Heysa, dann ist Weihnachtstag!

Es gibt wohl kein Lied, das die kindliche, vorweihnachtliche Freude so schön ausdrückt wie dieses. Der Jubel, die ganze geleistete innere und äußere Vorbereitung findet ein Ziel. Endlich wird es sein – das große Fest. Dieses durch und durch weltliche Lied wird auch heute noch häufig mit höchster Lust mit den Kindern kurz vor Weihnachten gesungen oder es dudelt aus den Lautsprechern der Weihnachtsmärkte. Neben der Freude aber birgt dieses Lied auch das große Geheimnis des anstehenden Festabends. Alles, was da in naher Zukunft kommen soll, liegt noch im Dunkeln. Der Weg dahin aber ist weit.

So ist es in diesem Jahr wie immer im Advent. Jeden Tag wird überprüft, ob die Weihnachtsvorbereitungen auf dem Laufenden sind. Sind schon alle Geschenke und alle Dekorationen gekauft oder wenigstens geplant? Gibt es einen Christbaum oder steht er vielleicht auch schon? Was werden wir essen und trinken? Wen werden wir über die Feiertage sehen oder sogar besuchen? Wann räumen wir auf und putzen Haus und Hof? Schließlich sollen Wohnung oder Haus wirklich glänzen an diesem Tag. Es soll blinken und glitzern und feierlich werden. Die Vorbereitungen sind vielfältig und für viele Menschen neben dem Berufsstress der Vorweihnachtszeit auch noch nebenher zu bewältigen.

Zu den großen Festen – und Weihnachten ist wahrlich ein großes Fest – liegt es uns sehr nahe, gute Haushalter zu sein, damit das Fest auch wirklich eines werden kann und es nicht untergeht. Es soll uns, unseren Lieben und natürlich auch Gott selbst zur Ehre gereichen. Als Haushalter seines Hauses stehen wir eben auch in seiner Pflicht. Dass wir ihm nur treu bleiben. Und diese Treue macht sich eben in besonderer Weise auch an dem Herrichten des Äußeren unseres Lebens fest.

(Singen)
Wie wird dann die Stube glänzen
Von der großen Lichterzahl,
Schöner als bei frohen Tänzen
Ein geputzter Kronensaal.
Wisst ihr noch, wie vor‘ges Jahr
Es am Heilgen Abend war?

Dieses Glänzen hat einen besonderen Schein. Es ist ein Glänzen wie im schönsten Thronsaal Gottes. Das Paradies rückt nahe. So aber sind auch die Erwartungen hoch, und manchmal steigt der Druck ins Unermessliche. Doch es bleibt die hoffnungsvolle Aussicht: Hell, warm und voller Liebe wird es sein. Vielleicht ist die Zeit des Advents, die Zeit der Vorbereitung auf das große Fest und damit auch die Zeit von Weihnachten selbst deswegen immer so konflikt- und streitanfällig, weil das Leben an den vielen Ansprüchen immer wieder überlastet zu werden droht.

Im Warten dieser Tage kommt also Unruhe auf. Ob bewusst oder nicht, wird mit einem Mal klar: Es kommt hoher Besuch. Herein in diese Welt kommt er. Dem aber will, dem soll ich ordentlich begegnen. Wenn er doch nur schon da wäre!
Dieses Warten wird zu einer schwierigen, manchmal sogar quälenden Zeit. Und bisweilen scheitern darin Treue und gute Haushaltsführung durch enttäuschtes Vertrauen und die Konsequenzen für unser Tun.

Deutlich wird das an einer einfachen, sehr typischen Vorweihnachtsgeschichte:
Die Kinder waren allein zu Hause. Es war Sonntagmorgen, 3. Advent. Die Eltern hatten sich aufgemacht in den Gottesdienst. Ruhe lag über der Wohnung. Aber innerlich herrschte eine tiefe und bohrende Aufregung. Drei Kerzen schon am Kranz. Weihnachten war nicht mehr weit. Schon in den letzten Tagen war die Spannung kaum noch auszuhalten gewesen. Nun wuchs sie weiter.
Immer schon wussten die Kinder, wo die Mutter die Geschenke für den Heiligabend versteckt hatte. Es war in ihrer großen Truhe und im Kleiderschrank. Da lagen sie drin, unverpackt. Kein sehr originelles Versteck. Aber das war auch nicht nötig. Es gab einen unausgesprochenen Pakt in der Familie. Da wird nicht hineingeschaut. Das Vertrauen war groß. Die Kinder hatten sich immer daran gehalten und den geschlossenen Familienbund nicht gebrochen. Bis auf dieses eine Mal: Da sind sie an eben jenem dritten Advent hingegangen und haben mal nachgeschaut, nur ein klein wenig: Was wird es denn wohl zu Weihnachten geben? Werden meine Wünsche in Erfüllung gehen?
Zuerst wurde die Schublade der Truhe aufgezogen, dann der Kleiderschrank geöffnet. Dann war es wie im Lied.

(Singen)
Wißt ihr noch mein Räderpferdchen?
Malchens nette Schäferin?
Jettchens Küche mit dem Herdchen,
Und dem blankgeputzten Zinn?
Heinrichs bunten Harlekin
Mit der gelben Violin?

Alles lag offenbar. Die Kinder nahmen die Dinge und staunten, betrachteten sie von allen Seiten, spielten ein wenig und legten, als das Geläut des zu Ende gehenden Gottesdienstes hörbar wurde, alles wieder fein säuberlich an seinen Platz zurück. Natürlich wussten sie sehr genau, was sie taten, und das schlechte Gewissen drückte ab dem ersten Moment.
Wer schon einmal einen solchen Vertrauensbruch begangen hat, weiß um die Konsequenzen. Es nagt an einem und in einem. Je länger die Zeit vergeht, desto schwieriger ist es, die Fassade aufrechtzuerhalten. Es ist, wie die Schrift es sagt: „Als ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine.“ (Psalm 32,3)
So auch hier. Eins der Kinder konnte nicht mehr. Reumütig, ein bisschen verdruckst gestanden sie den verblüfften Eltern, was sie getan hatten. Enttäuschung, Ärger, Wut. Das Geheimnis des Weihnachtsabends war aufgedeckt. Die Vorfreude dahin, die ausgemalte und vorbereitete Zukunft sollte nicht sein. Das Vertrauen und die Treue waren zerstört.
„Die Geschenke bringe ich zurück!“, sagte die Mutter. Die Kinder heulten wie die Schlosshunde. Von all dem, was das Lied besang, waren sie weit, weit entfernt.

(Singen)
Welch ein schöner Tag ist morgen!
Neue Freude hoffen wir.
Unsre guten Eltern sorgen
Lange, lange schon dafür.
O gewiß, wer sie nicht ehrt,
Ist der ganzen Lust nicht werth.

So steuerte die Familie auf ein sehr trostloses Weihnachten zu. In der alten Sprache des Apostels heißt es: Ein menschliches Gericht war über die Kinder ergangen und das Urteil war hart. Wie sollte das nur werden, wenn Weihnachten kam ohne Geschenke und damit die Verfehlung des Tages noch einmal sichtbar wurde?
„Seht nur zu, dass ihr als treu empfunden werdet“, sagt der Apostel. Das war an diesem Tag ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Dieser Umgang mit der Treue ist schwer. Das ist kein Selbstläufer, sondern das braucht uns Menschen ganz und gar, mit unserem ganzen bewussten Leben.

Die Verlockungen dieser Welt aber sind groß. Sie leiten einen manchmal auf Wege, von denen ich sehr genau weiß: Nein, das ist falsch. Mach das nicht. Zugleich aber gehe ich munter rauf auf diesen Weg. Schaue vielleicht ein wenig rechts und links, wer mich wohl sehen kann, und hoffe zugleich, dass es gutgeht.
Manchmal gehe ich Wege, deren Ende ich nicht absehen kann. Und weil die Treue und das Vertrauen so schwierig sind, weil sie beide miteinander unser Leben in einem höchsten Maß erfreuen und erhalten können, aber uns in der Enttäuschung zugleich so verletzlich machen, legt der Apostel so viel Wert darauf. Der Apostel schreibt: „Es ist nichts wichtiger, als dass die Haushalter Gottes als treu empfunden werden.“

Paulus aber tut das nicht einfach so, sondern er hat einen sehr konkreten Hintergrund. Aus eigener Erfahrung weiß er, wie das ist, wenn die Menschen sich abwenden von den geraden Wegen. Er sieht, wie sie versuchen, leichtere und einfachere Wege zu gehen, und die Augen zumachen. So ist das auch in Korinth. Die dortige Gemeinde läuft anderen Verkündern des Glaubens hinterher. Sie bereitet sich nicht mehr auf ein gemeinsames Leben mit Gott vor. Vertrauen und Treue sind gebrochen. Die Gemeinde ist zerstritten untereinander und mit dem Apostel.
Als Erstes spüren es die Schwachen und die Armen, wie das in dieser Welt immer ist. Paulus kämpft hart um die Menschen. Er wirbt für Gottes Sache. Seine geheimnisvolle Begleitung unseres Lebens muss gewahrt sein. Es gibt doch diesen klaren Bund zwischen Gott und den Menschen. „Ich sorge für euer Leben. Ihr pflegt dieses Leben im Vertrauen auf meine sorgende Begleitung.“
Wie sehr Gott für dieses Leben sorgt, lässt sich mit Leichtigkeit an dem Leben der Kinder ablesen. Wie schön ist das, dass sie da sind. Und wie großartig ist es, dass Gott ihnen das Leben schenkt. Und ist das nicht ein großes Geheimnis, wie er uns so begegnet?

Zugleich aber ist unsere Aufgabe, dieses Leben auch zu pflegen, es zu bewahren, für die Zukunft zu gestalten und darin den Mut nicht zu verlieren. Das gilt für unser eigenes Leben und für das Leben der anderen, ob sie uns nun anvertraut sind oder ob wir sie nur aus der Entfernung wahrnehmen.
Das gemeinsame Tun ist entscheidend und der Blick für die anderen, damit Lahme gehen und Blinde sehen, wie der Evangelist von Jesus Christus überliefert. Darin nehmen wir den Blick Gottes auf, der in seiner Treue auch unser Leben schenkt und erhält.
Deswegen gehört zu guter, treuer Haushalterschaft immer auch der Dienst an den Nächsten mit materiellen Gütern wie bei den Sammlungen für „Brot für die Welt“ in diesen Tagen, aber auch mit der freundlichen Zuwendung zu den Sorgen und Nöten der Menschen unseres Alltags.
Ganz so wie Gott selbst an seinen Menschen handelt: In diesen Tagen nämlich zerreißt er seinen Himmel, fährt hinab und gießt seine Liebe in das Leben hinein. Er füllt das Herz an, dass es überquillt vor Treue und Freude und unendlicher Lust an der Zukunft. Es ist Gottes Leben. Seine Ankunft feiern wir im Blick auf das Krippenkind.

Die Pflege des weihnachtlichen Geheimnisses und des gemeinsamen Lebens übrigens haben die Eltern der Familie auch hochgehalten. Als die Kinder nämlich etwas bangen Schrittes am Heiligen Abend das Weihnachtszimmer betraten. Da war nun doch alles gerichtet. Die Treue der Eltern und ihre Liebe hatten den Sturm überstanden. Die Kinder waren gepflegt und erhalten, wie Gott es an uns allen tut.
Das ist Gottes Wille für uns. Deswegen könnten wir in Abwandlung des säkularen Textes unseres Liedes noch eine letzte Strophe singen.

(Singen)
Nein, ihr Schwestern und ihr Brüder,
Lasst uns ihm nun dankbar seyn,
Und dem guten Gotte wieder
Zärtlichkeit und Liebe weihn,
Und aufs redlichste bemühn,
Alles, was ihn kränkt, zu fliehn.

Eingangsgebet:
Herr, unser Gott und Vater, du hast uns gerufen, dir den Weg in unsere Welt und in unsere Herzen zu bereiten. Du bist bei uns, leitest und schützt uns. Wir danken dir für deine Gegenwart und Nähe, die uns herauslöst aus dieser Welt. So gib uns den Mut, die angestammten Wege unseres Lebens zu verlassen, immer wieder neu aufzubrechen und dich mit offenen Sinnen und ausgestreckten Armen zu empfangen. So komm doch, du lieber Herr, und sei Trost und Erneuerer unseres Lebens, dass wir dich loben in Zeit und Ewigkeit.

Psalmvorschlag: Psalm 85,2–8
Evangelium: Matthäus 11,2–10
Lesungen:
Jesaja 40,1–11; 1. Korinther 4,1–5
Liedvorschläge:
8,1–3 (Es kommt ein Schiff geladen)
  17,3 (Wir sagen euch an den lieben Advent)
  10,1.2.4 (Mit Ernst, o Menschenkinder)
  7,1–5 (O Heiland, reiß die Himmel auf)
   18,1.2 (Seht, die gute Zeit ist nah)
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