Psychische Gesundheit und digitale MedienZu viel, zu schnell, zu intensiv?

Filme, Serien, Apps und Computerspiele – neben ihrer realen Lebenswelt nimmt die digitale Welt auch für Kita-Kinder immer mehr Raum ein. Was macht das mit ihrer Psyche?

Eine Illustration zeigt ein Tablet mit einer Weltkugel auf dem Bildschirm, das von einer kleinen Hand berührt wird.
© photocanal25 / GettyImages

Kinder werden immer früher mit digitalen Medien konfrontiert. Während die neuen Technologien viele Chancen bieten, werfen sie auch Fragen hinsichtlich der Auswirkungen auf die psychische Gesundheit unserer Kinder auf. Wie können sich Erzieher:innen auf diese veränderte Situation einstellen und welchen Ausgleich kann die Kita schaffen?
Bei kleinen Kindern ist es vor allem die Nutzung der Eltern oder Bezugspersonen, die sich negativ auswirkt. Das Kind konkurriert mit dem Smartphone um die Aufmerksamkeit der Bezugsperson. Dabei ist die auf das Kind gerichtete Aufmerksamkeit der erwachsenen Bezugsperson ein wichtiger Faktor in der gesunden Entwicklung der Kinder, denn sie gibt Sicherheit, verspricht Zugehörigkeit und fördert die Selbstständigkeit. Wenn kleine Kinder um diese Aufmerksamkeit kämpfen müssen, führt das zu übermäßigem Stress und kann die Eltern-Kind-Bindung erheblich stören. Die von den Kindern häufig gebrauchte Frage „Passt du heute auf mich auf?“ muss stets mit ganzem Herzen bejaht werden. Kinder brauchen die ungeteilte Aufmerksamkeit von Eltern und Pädagog:innen.
Wenn Kinder digitale Medien nutzen und konsumieren, kommen weitere problematische Aspekte hinzu. Die Kombination eines sehr intensiven Erlebnisses bei gleichzeitiger eigener Passivität steht im starken Widerspruch zum Aufwachsen in der realen Welt. Erwachsene haben hier die Verantwortung, die Umgebung, in der die Kinder Erfahrungen machen, altersgerecht zu gestalten.
Die Gefahr negativer Auswirkungen bei übermäßigem Konsum steigt besonders, wenn Eltern nicht kontrollieren oder selbst keine guten Vorbilder sind.
Mit diesen Auffälligkeiten müssen Kitas rechnen:

  • Müdigkeit: Abends sind Eltern oft verleitet, ihren Kindern noch etwas Medienzeit zu „gönnen“. Werden die Kinder hierbei allein gelassen, kommt es leicht zu übermäßigem Medienkonsum und die Kinder kommen morgens müde und niedergeschlagen in die Kita. Aber Vorsicht vor falschen Schlussfolgerungen: Nicht jedes müde Kind hat Medien konsumiert. Manche Kinder müssen schon früh mit ihren Eltern oder Geschwistern aufstehen oder die Eltern arbeiten im Schichtdienst. Andere bauen noch bis spät in die Nacht Lego oder sehen Bücher an.
  • Unkonzentriertheit, sprunghaftes Verhalten: Die Kombination von hoher Reizintensität bei gleichzeitiger eigener Passivität wirkt sich ungünstig auf die Fähigkeit der Kinder aus, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren. Zugleich führt dies oft zu Überreaktionen in der eigenen Gefühlswelt. Die Regulationsmechanismen im Digitalen passen nicht zur Realität. Was hier kurz bunt „pufft“ und schnell wieder vorbei ist, tut in der echten Welt vielleicht noch lange weh und hat Konsequenzen. Diese Überforderung kann schnell zu sprunghaftem Verhalten führen.
  • Aggressivität und Wut: Wenn Kinder Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren, und sich dabei hilflos fühlen, äußert sich das in aggressivem Verhalten und Wut. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Wichtig ist zu verstehen, dass die Kinder besondere Zuwendung und Unterstützung benötigen, Bestrafung oder Ausgrenzung sind nicht förderlich.
  • Halbwissen, Fake News: Aus digitalen Medien ziehen Kinder viele Informationen, die sie auf die reale Welt übertragen. Dramatische Ereignisse wie Naturkatastrophen führen bei ihnen oft zu Sorgen und Ängsten. Sie können die Informationen noch nicht hinterfragen und einordnen. Es ist wichtig, dass die Erwachsenen sich dessen bewusst sind, die Fragen der Kinder aufgreifen und beim Einordnen unterstützen.

Einen Ausgleich schaffen

Nicht immer ist „viel“ gleich „problematisch“. Daher sollten Erzieher:innen vor allem entspannt bleiben und sich von dem Gedanken frei machen, die Kinder „umerziehen“ zu müssen. Die Verantwortung haben die Eltern und da gehört sie auch hin. Die Kita kann aber unterstützen und einen Ausgleich schaffen.

  • Fachkräfte als Vorbilder: Sollte sich die eigene Mediennutzung im Kita-Alltag nicht vermeiden lassen, unbedingt immer den Zweck gegenüber den Kindern deutlich kommunizieren, zum Beispiel: „Ich mache jetzt ein Foto von deinem Kunstwerk für dein Portfolio“ oder „Ich bestelle jetzt dein Essen für morgen ab, du wirst ja früher abgeholt“. Für längere Arbeiten am digitalen Gerät besser ins Büro gehen.
  • Mediennutzung thematisieren: In einem Projekt finden die Kinder heraus, welche Medien es gibt und wie diese funktionieren, berichten, welche Medien zu Hause genutzt werden, und führen ein Medientagebuch. Gemeinsam wird erarbeitet, welche Mediennutzung in der Kita erlaubt ist und welche Regeln es dafür gibt.
  • Produzieren statt konsumieren: Mit Greenscreen den Wetterbericht nachspielen oder mit Stop-Motion einen Trickfilm machen  – das weckt die Lust der Kinder, digitale Medien als Werkzeuge zu nutzen und sich über das Konsumieren hinaus für das Produzieren von Medien zu interessieren.
  • Möglichkeiten für Ruhe und Entspannung: Lese- oder Snoezel-Ecken sind genauso wichtig wie angeleitete Entspannungsübungen oder feste Vorleserituale – mit realen Bilderbüchern und durch die Bezugsperson.
  • Raum für Bewegung: Sowohl Freispiel im Garten sollte genauso zum Tag gehören als auch angeleitete Bewegungsspiele mit Musik und Tanz. Tipp: Kreis- und Bewegungsspiele nach Friedrich Fröbel.
  • Naturerfahrungen: Geräusche, Licht und Duft eines Waldes regulieren das Stresslevel der Kinder auf ganz natürliche Weise. Gartenprojekte helfen den Kindern, sich ganzheitlich auszuprobieren und ihre Sinne zu schärfen.
  • Konzentration und Feinmotorik fördern: Hier eignen sich Legespiele und Mandalas oder Arbeiten wie Fädeln, Prickeln oder Knüpfen. Wichtig: Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten sind bei Gruppenangeboten schnell frustriert. Hier besser individuelle Lern- und Spieltabletts nach Maria Montessori anbieten.

Kita-Teams müssen sich der Herausforderung, die die veränderte Mediennutzung in Familien mit sich bringt, stellen. Das kann gelingen, wenn sich Erzieher:innen für die Mediennutzung der Kinder interessieren, medienpädagogische Angebote in den Alltag integrieren, feste Regeln für die Mediennutzung vereinbaren, die Eltern einbeziehen und selbst Vorbild sind. Die zunehmende Digitalisierung gehört zur Lebensrealität der heutigen Kinder. Dies anzuerkennen und dabei zuversichtlich und zukunftsfroh zu bleiben, ist die Erwartung, die die nachwachsende Generation an uns Erwachsene stellt.

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