Kinder gestalten ihre Kita-RäumeMöbel bauen

Farben, Formen, Licht und auch die Gesamtästhetik haben eine wesentliche Auswirkung auf unser Wohlbefinden. Räume für Kinder müssen alle Sinne ansprechen, ihnen Halt vermitteln und sie zur Selbstständigkeit auffordern.

In einer neu gebauten Kita in Berlin wurden Kinder, Eltern und Fachkräfte aktiv in die Gestaltung ihrer Kita-Räumlichkeiten einbezogen. Dafür organisierte die pädagogische Leitung der Einrichtung zunächst Workshops, um die Fachkräfte für das Thema „resilienzfördernde Raumgestaltung“ zu sensibilisieren. In darauf folgenden Schritten wurden Aktivitäten für die Kinder und Eltern geplant, die sie dazu auffordern sollten, ihre Umgebung mitzugestalten. Indem auf die kindlichen Gefühle und Wünsche eingegangen wurde, entstand ein Umfeld, das sich stark an den Bedürfniswelten der Kinder und ihrer Familien orientierte. Dieses Vorgehen fördert neben kreativen auch soziale Prozesse sowie Selbstwirksamkeit und stärkt damit die Resilienz der Kinder.

Kinder als Akteure ihrer Entwicklung

Wie würden Kinder ihre Kita-Räume einrichten? Was ist ihnen wichtig? Die Wahrnehmung der Kinder zu betrachten, orientiert sich an einer von der modernen Entwicklungspsychologie getragenen Perspektive: Kinder werden als Akteure/-innen ihrer Entwicklung und als Experten/-innen ihrer Umwelt ernst genommen. An zwei Projekttagen wurden alle neu angemeldeten Kinder und deren Eltern in die Räumlichkeiten der Einrichtung eingeladen. Es fanden von den pädagogischen Fachkräften vorbereitete Spielaktivitäten statt, bei denen die Kinder die Möglichkeit hatten, ihre Umgebung zu gestalten. Die pädagogischen Fachkräfte begleiteten den Prozess und nahmen die Anregungen der Kinder auf. Die Spielaktivitäten ermöglichten eine unbefangene Interaktion zwischen Kindern und Fachkräften.  

So gestalteten die Kinder ihre Räume mit: zwei Beispiele

1) Einen Hocker bauen: An einem der Projektnachmittage bauten Kinder mit Unterstützung eines Tischlerteams, ihrer Eltern und der pädagogischen Fachkräfte ihre eigenen Hocker. Das Tischlerteam gestaltete die Hocker so, dass sie ganz einfach von den Kindern zusammengebaut werden konnten. Somit war gewährleistet, dass die Kinder rasch ein Ergebnis erzielen und stolz sein konnten, die Sache gemeistert zu haben. Schließlich wurden die Hocker noch von den Kindern bemalt. Die Tischler frästen die so entstandenen Muster und Zeichnungen ins Holz. Die Kinder staunten über die Professionalität der Tischler. Besonders fasziniert waren sie, als beim Ausfräsen die großen Maschinen zum Einsatz kamen. Stolz präsentierten die Kinder ihre fertigen Hocker und verwendeten sie sofort als Sitzgelegenheit und auch als Kulisse für Fotos. Außerdem entdeckten die Kinder, dass man die Hocker in zwei unterschiedlichen Sitzhöhen benutzen kann und dass sie sich sogar als Tisch verwenden lassen. Neben der kreativen und handwerklichen Erfahrung gab dieses Angebot den Kindern die Möglichkeit, etwas Bleibendes zu schaffen. Ihren individuellen Hocker finden die Kinder bis heute in den Räumen ihrer neuen Kita wieder. Bei der Eröffnung erkannten die am Projekt beteiligten Kinder die Gegenstände wieder, nahmen sie in Besitz und identifizierten sich dadurch mit „ihrer“ Kita.

2) Spielpodeste ganz nach den Vorstellungen der Kinder: Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was den Kindern beim Bauen wichtig ist, wurde in einem der Kita-Räume eine große Möbelbaustelle eingerichtet. Ein große Anzahl an Kartons sollte die Kinder zum Bauen anregen: Zum Einsatz kamen Umzugskartons, Pappbahnen und Pappröhren, kleine bunte Kartons mit und ohne Löcher, Stoffe und bunte Papiere zum Bekleben sowie Scheren, um die Kartons nach eigenen Vorstellungen zu verändern. Tischler und pädagogische Fachkräfte beobachteten und filmten die Aktionen der Kinder und fragten nach, worauf die Kinder bei ihren Konstruktionen besonderen Wert legten. Reges Bauen und eine positive Stimmung prägten die Atmosphäre. Die Eltern tauschten sich untereinander aus und unterstützten die Kinder. Diese holten sich, wenn es nötig war, zum Teil auch in Eigeninitiative Hilfe von den Erwachsenen. Durch die Beobachtung der Kinder beim Bauen und Gestalten wurde deutlich, dass ein Raum der Einrichtung eine Bewegungsbaustelle werden sollte. Sie fordert die Kinder dazu auf, ihre Umgebung mitzugestalten. Dazu sollten Gegenstände wie kleine Bretter zum Bauen, Balancieren oder auch Matten und Kisten zur Verfügung stehen.

Gemeinsam mit den Tischlern wurden als weiteres Ergebnis Spielpodeste für die Kinder entworfen, die deren Ideen und Vorstellungen aufnahmen. Auf jeden Fall sollte neben dem Bedürfnis der Kinder nach Bewegung auch das nach Rückzug erfüllt werden. Denn die Kinder liebten es, kleine, kuschelige Höhlen einzurichten und darin zu verschwinden. Durch die enge Kooperation mit dem Tischlerteam war es möglich, die Projektergebnisse zu großen Teilen umzusetzen.

Ziele und Ergebnisse

Was soll solch ein partizipativer Prozess bewirken?

  • Es wurden gute, an den individuellen Lebenssituationen der Kinder orientierte Übergangsbedingungen geschaffen.
  • Die Kinder wurden in ihrer neuen Lebenssituation begleitet und hatten von Anfang an wesentliche Mitbestimmungsrechte.
  • Durch die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten entstand eine echte Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und der Kindertageseinrichtung. Diese machte den Kindern und ihren Eltern ihre neue Umgebung schnell vertraut.
  • Die Verantwortung, die den Kindern durch diese Aktivitäten übertragen wurde, ließ sie Wertschätzung und Selbstwirksamkeit erfahren: Sie wurden unterstützt und bestärkt, ihre Ansichten zu äußern. An den Projekttagen entstand eine konstruktive Kooperation mit professionellen Handwerkern. Darüber hinaus konnten sich die Kinder einbringen, durften selbst entscheiden, wie sie etwas haben wollten, und erlebten, wie sie ihre Ideen und Vorschläge mithilfe Erwachsener umsetzen können. Zudem erfuhren die Kinder, dass sie in ihren Tätigkeiten und Äußerungen ernst genommen werden.
  • Die kreativen Ausdrucksformen der Kinder wurden angeregt
  • Durch die gemeinsame Arbeit wurden ihre sozialen Kompetenzen gefördert.

Ausblick

Die Beobachtung der Kinder und ihrer Aktivitäten sowie spielerische Befragungen der Kinder während ihrer Spielaktivitäten sind Möglichkeiten, die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Kinder zu erfassen. Sie können auch zukünftig dazu genutzt werden, die Umgebung immer wieder mit Blick auf die unterschiedlichen Entwicklungsstände und aktuellen Bedürfnisse der Kinder zu überprüfen und daraufhin anzupassen.

Das Projekt wurde durchgeführt in der Kita Torgauer Straße (Träger Dialog e. V.) in 12627 Berlin, E-Mail: dialog.torgauerstr@gmail.com. Pädagogische Leitung: Martin Kalmutzki, Silvia Dombois. Ausführliche Informationen zu „Tor-schaffen – Transparenz, Orientierung“ unter: www.kita-fachtexte.de

Projektidee

Die neuen Räumlichkeiten der Kita sollten so gestaltet werden, dass sie sich in einem hohen Maß an den Bedürfnissen und Gefühlen der Kinder orientieren. Leitfrage des Projektes war, welche Gefühle die Kinder begleiten und wie diese während des Tagesablaufs in der Kita in der Raumgestaltung Ausdruck finden können.

Das Projekt „Tor-schaffen“ richtete sich an alle neu angemeldeten Kinder der Kita Torgauer Straße im Alter von 2–6 Jahren und an ihre Familien. Es umfasste die Vorbereitung, Durchführung und Etablierung eines Konzeptes zur resilienzfördernden Raumgestaltung, das gemeinsam mit Kindern, Eltern, Fachkräften, der Leitung und dem Träger gestaltet wurde. Darüber hinaus begleiteten Mitarbeiter einer Tischlerfirma das Projekt durchgängig. Ziel dieser engen Zusammenarbeit war es, die Projektergebnisse bestmöglich in die Auftragsarbeiten einfließen zu lassen.

Das Projekt gehört zu einem der bundesweit drei „Leuchtturmprojekte“, die im Rahmen des Sonderfonds „isla® Kita-Fürsorge“ des Deutschen Kinderhilfswerkes gefördert wurden.

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