Die Verlängerung der Weltsynode aus deutscher, österreichischer und Schweizer SichtSynodalität mit Brief und Siegel

Papst Franziskus hat Mitte März überraschend die Weltsynode in die Verlängerung geschickt. Die synodale Erneuerung soll also voranschreiten – und was tut sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz?

Puzzle von Europa
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Am 15. März flatterte Post in alle Bischofshäuser auf der ganzen Welt. Kardinal Mario Grech, Chef des römischen Synodensekretariates, stellte den Fahrplan für die Rezeption der Weltsynode vor. „Gemeinschaft – Teilhabe – Sendung“ lauten die drei Schlüsselwörter. Synodalität ist das Thema: die Einübung einer neuen Art, Kirche zu sein – geistlich und organisatorisch, vor allem in einem neuen Miteinander zwischen Bischöfen und dem Volk der Gläubigen. 2021 hatte die Synode mit einer weltweiten Befragung begonnen. 2023 und 2024 hatten zwei Generalversammlungen jeweils einen Monat lang getagt und Beschlüsse gefasst (vgl. HK, Dezember 2024, 4–5; 9–10). Jetzt stellt der Brief klar: Die synodale Erneuerung der Kirche ist längst nicht abgeschlossen, sie hat gerade erst angefangen.

Die Impulse der Weltsynode

Was Kardinal Grech im Auftrag von Papst Franziskus schreibt, ist nur konsequent. Schon die weltweite Befragung hatte zu erstaunlich offenen Ergebnissen geführt: Die katholische Kirche hat weltweit ein Klerikalismus-Problem. Sie verweigert Frauen Rechte, die ihnen zustehen. Sie will eine Kirche für alle sein, schließt aber Menschen aus, die ihre sexuelle Identität in Freiheit und Liebe anders leben, als es der offiziellen Lehre der Kirche entspricht.

Während des synodalen Prozesses wurde immer wieder versucht, diese Problemanzeigen wegzumoderieren und zu behaupten, es sei mit dem Kirchenrecht, der Kirchendisziplin und der Kirchentheologie alles in bester Ordnung. Aber diese Verdrängung ist nicht gelungen. Während der Kontinentalversammlungen hat sich vielmehr bestätigt, dass es einen großen Reformstau gibt und es die Garantie markanter Beteiligungsrechte braucht, um die notwendige Umkehr nicht nur in den Herzen vieler Menschen, sondern auch in den Strukturen der Kirche zu verankern.

Das Schlussdokument bleibt bei Konkretionen zwar vorsichtig, weil mit zentralistischen Direktiven wenig gewonnen ist. Aber der Duktus ist klar: Nicht nur bei Entscheidungsfindungen, wie es in der offiziellen deutschen Übersetzung heißt, sondern auch bei Entscheidungen soll so viel Gemeinsamkeit wie möglich organisiert werden. Ein Bischof soll seine Leitungsaufgabe darin sehen, keine Entscheidung ohne eingehende Beratung zu treffen. Er soll sich in seinen Entscheidungen an das Ergebnis der Unterscheidungen halten, die sich aus den Beratungsprozessen ergeben haben. Falls er zu einem abweichenden Urteil gelangt, muss er dies begründen. Neben Transparenz muss Kontrolle möglich sein. Deshalb braucht es eine Rechenschaftspflicht, die bislang nur „nach oben“ vorgeschrieben ist, zum Papst respektive zum Bischof, aber nicht „nach unten“, zu den Gläubigen.

Dieser Kulturwandel in der Vertikalen der katholischen Hierarchie, der sich aus einer Stärkung der Volk-Gottes-Theologie ergibt, entspricht einer neuen Balance in der Horizontalen zwischen der römischen Zentrale und den zahlreichen Peripherien dieser Welt, an denen sich die katholische Kirche verwirklicht. Es braucht auf der lokalen sowie nationalen Ebene synodale Räte, in denen Abgesandte der Gläubigen mit den Pfarrern oder den Bischöfen beraten und entscheiden. Auch die kontinentalen Ebenen müssen gestärkt und gegliedert werden. Nicht zuletzt bedarf es auf der universalen Ebene einer Verstetigung der dramatischen Veränderungen, die durch die Entscheidung von Papst Franziskus getroffen worden sind: 80 Mitglieder der Synode sind keine Bischöfe, 54 von ihnen sind Frauen.

Das approbierte Schlussdokument

Die Institution einer römischen Weltsynode hatte Papst Paul VI. eingeführt, um nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die guten Erfahrungen der Kooperation mit Bischöfen der Weltkirche auf Dauer zu stellen. Es ist ihre Stärke, dass wichtige Entwicklungen und Initiativen der katholischen Kirche mit Autorität besprochen und angestoßen werden können. Sie weist zugleich eine doppelte Schwäche auf: Erstens muss die katholische Grundidee, dass Ortskirchen durch Bischöfe repräsentiert werden, angesichts der weltweiten Krise des Bischofsamtes, die sich im Machtmissbrauch zuspitzt, weiterentwickelt werden. Zweitens ist die lockere Abfolge verschiedener Themen, die in den Weltsynoden alle paar Jahre bearbeitet werden, nicht geeignet, Synodalität zu einem Strukturelement der Kirchenverfassung zu machen, das Wirkung entfaltet. Beides könnte sich jetzt ändern.

Am Ende der zweiten Generalversammlung erklärte Papst Franziskus, kein eigenes „Nachsynodales Apostolisches Schreiben“ zu veröffentlichen, sondern sich ausschließlich auf das gemeinsam erarbeitete Schlussdokument zu beziehen. Die Bedeutung seiner Worte wollten viele nicht recht glauben, obgleich die Schlüsselbegriffe Approbation, Veröffentlichung und Übergabe fielen – und auch die Aufforderung deutlich wurde, in den Kirchen rund um die Welt ans Werk zu gehen. Viele jedoch hatten sich an die Praxis der vorherigen Synoden gewöhnt, dass die Versammlungen nur „Empfehlungen“ gaben und der Papst völlig frei blieb, diese anzunehmen oder aber eigene Erklärungen abzugeben, die in der Synode nicht vorgedacht worden waren. Die „Nachsynodalen Apostolischen Schreiben“ verbesserten oft die Qualität der römischen Erklärungen. Sie verharrten zugleich in der Spannung, dass der Papst eine von ihm einberufene Synode letztlich doch nicht zu Wort kommen ließ, sondern nur sich selbst.

Nun aber hat ein Papst seine Vollmacht in Freiheit derart ausgeübt, dass er sich das Wort der Synode zu eigen gemacht hat. Manche Insider berichten, Franziskus habe diese Entscheidung erst in der letzten Synodenwoche der Generalversammlung 2024 und auf Anregung einflussreicher Mitglieder der Synode, darunter nicht nur Bischöfe, getroffen. Zwar lässt sich rückblickend kritisieren, dass von Anfang an Klarheit über das Verfahren hätte herrschen können. Aber die Entscheidung des Papstes ist eine Frucht der synodalen Bewegung.

Am 22. November 2024 führte der Papst wegen Unklarheiten im Umgang mit dem Schreiben in einer „Note“ noch einmal aus, dass es zum ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri gehöre und eine authentische Lehre des Bischofs von Rom darstelle.

Papst Franziskus verweist auf die rechtliche Grundlage der Synode, dargelegt in der „Exhortatio Episcopalis communio“ (EC) von 2018. Diese Grundlage wurde oft so verstanden, als ob ein eigenes Papstschreiben Pflicht sei; dem aber ist nicht so. Franziskus hat zwar mit vollem Recht geltend gemacht, dass das Schlussdokument keineswegs alle rechtlichen und theologischen Aufgaben klärt. Das Kirchenrecht verlangt, dass sich die Lehrgrundlage geändert haben muss, bevor Canones daran angepasst werden. Dieser Fall ist jetzt eingetreten – und die Kirchenrechtskommission, die das Synodensekretariat eingesetzt hat, kann und muss Anpassungen liefern. Auch die Arbeit der Studiengruppen geht weiter – sie wird die synodale Generalrichtung nicht ändern, aber den Schwung erhöhen.

Kardinal Grech hat mit seinem Brief entscheidende Impulse von Papst Franziskus weitergegeben. Sie zeigen der Weltkirche, wie es vor Ort mit der Synode weitergehen kann. Grech schrieb den Brief, als es dem Papst gesundheitlich schlecht ging. Franziskus seinerseits hatte am 11. März aus dem Gemelli-Krankenhaus an Grech geschrieben und damit nicht nur gezeigt, dass er handlungsfähig ist, sondern auch geklärt, dass Synodalität zwar untrennbar mit seinem Namen verbunden ist, aber zu einem Markenzeichen der katholischen Kirche wird.

Grechs Brief stellt zweierlei klar: Erstens beinhaltet er ein detailliertes Weiterführungskonzept, das „vorerst“ nicht auf eine neue Synode, sondern direkt auf eine universale Kirchenversammlung 2028 zuläuft. Bis dahin wird es einen pulsierenden Austausch zwischen den Ortskirchen und der römischen Kurie geben. Was eine Kirchenversammlung ist und welche formale Autorität ihr zukommt, muss noch bestimmt werden. Eine allgemeine Besprechung nutzt wenig, eine autorisierte Positionierung aber kann viel bringen. Klar ist schon jetzt, dass in der beratenden und entscheidenden Versammlung 2028 neben Bischöfen auch Laien, nicht zuletzt Frauen, Sitz und Stimme haben werden – wie in Lateinamerika bereits vorgedacht.

Zweitens fordert der Brief eine „Rezeption“, also eine ebenso selbstbewusste wie selbstbestimmte Annahme und Anverwandlungen der Weltsynode in den Ortskirchen, „und zwar in einer solchen Weise, die den lokalen Kulturen und Bedürfnissen der Gemeinschaften entspricht“. Dies kann nicht in Abgrenzung voneinander, sondern nur in Öffnung füreinander geschehen. Wer nun Synodalität noch „aussitzen“ will, dem werden die Argumente dafür genommen; wer sich der lokalen Synodalentwicklung verweigert, kann sich dabei nicht hinter Rom verstecken.

Deutschland, Österreich und die Schweiz sind drei Nachbarländer mit ebenso verwandter wie unterschiedlicher Geschichte, mit ebenso engagierten und kompetenten Gläubigen wie kritischen Gesellschaften, mit ebenso nachlassenden Kirchenbindungen wie steigenden Erwartungen an die Qualität pastoraler Entscheidungen und an die Partizipation interessierter und qualifizierter Gläubigen. Welche Resonanzen hat die Weltsynode bislang ausgelöst? Wie wird und soll es weitergehen?

Österreich: Zwischen gelebter Praxis und struktureller Verankerung

Die Kirche in Österreich setzt sich aktiv dafür ein, Synodalität als zentrales Prinzip zu etablieren. Das Konzept des „gemeinsamen Unterwegsseins“ ist bereits in vielen pastoralen Strukturen verankert. Die Rezeption der jüngsten Weltsynode enthüllt sowohl Fortschritte als auch ungelöste Spannungsfelder. Die österreichischen Diözesen agieren als Laboratorien für einen kirchlichen Wandel, der traditionelle Hierarchien hinterfragt und partizipative Modelle erprobt.

Die Bischöfe haben Synodalität zur „DNA der Kirche“ erklärt und verfolgen eine duale Strategie aus Top-down-Rahmen und Bottom-up-Inhalten. Jede der zwölf Diözesen hat eigene Arbeitsgruppen eingerichtet, die als Schnittstellen zwischen der Bischofskonferenz und den Pfarren fungieren. In der Erzdiözese Wien absolvieren pastorale Führungskräfte verpflichtende Schulungen zur synodalen Gesprächskultur, während die Diözese Graz-Seckau mit Diözesankonferenzen experimentiert. Das Nationale Synodenteam und die Bischofskonferenz agieren als Steuerungsorgane, die bevorstehende Schritte beraten und Entscheidungen treffen.

Einen Meilenstein stellte die Einführung verbindlicher Gendervorgaben dar, mithilfe derer der Frauenanteil in kirchlichen Leitungsgremien bis 2029 auf 33 Prozent steigen soll. Dieses Ziel wird bereits in einigen Diözesen konkret verfolgt, etwa in Gurk-Klagenfurt durch die Ernennung von Barbara Velik-Frank zur ersten bischöflichen Vikarin für Synodalität.

In den kommenden Jahren wird die Etablierung einer synodalen Kultur in vier Arbeitsfeldern vorangetrieben: Synodalität in den Diözesen, nationale Maßnahmen zur Stärkung der Synodalität, Förderung auf Ebene der Bischofskonferenz sowie ein Fokus auf die Kontinentalebene. Das Österreichische Pastoralinstitut (ÖPI) bietet Ressourcen an, um die Ergebnisse des synodalen Prozesses bis in die kleinsten Gemeinden zu transportieren. Synodalität wird bereits durch bestehende Strukturen wie Pfarrgemeinderäte gefördert.

In verschiedenen Diözesen laufen Initiativen wie Konferenzen und Schulungen, um den Dialog zwischen Klerus und Laien sowie Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen zu vertiefen. Ziel ist es, Synodalität als festen Bestandteil des kirchlichen Lebens zu verankern. Die Diözesen und akademischen Einrichtungen lassen sich von der Idee der Synodalität inspirieren. Erfolge zeigen sich in innovativen Veranstaltungen wie dem „Tag der Räte“ in Wien, an dem Vertretende aller diözesanen Gremien Handlungsempfehlungen erarbeiten. Diese werden in einem jährlich aktualisierten „Synodalen Protokoll“ festgehalten. Die 2024 gegründete Linzer Abteilung für Synodalität erforscht systematische und praktisch-theologische Dimensionen synodaler Prozesse und bringt Experten aus verschiedenen europäischen Demokratien zusammen.

Die österreichische Kirche versteht Synodalität als spirituellen Prozess, der im Hören auf den Heiligen Geist gründet. Das „Gespräch im Geist“ wird als Schlüsselinstrument betrachtet, um eine dialogische Methode zu etablieren, die bei der Weltsynode erprobt wurde. In vielen Orten werden bereits Kurse angeboten. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner beschreibt dies als „Übungsfeld demütigen Zuhörens“, um das Machtgefälle zwischen Klerus und Laien abzumildern. Kritiker bemängeln jedoch, dass viele Gespräche im Symbolischen verharren und keine verbindlichen Entscheidungen ermöglichen.

Insgesamt zeigt die österreichische Rezeption der Weltsynode, wie eine traditionsverwurzelte Kirche versucht, durch partizipative Strukturen zukunftsfähig zu werden. Der Prozess oszilliert zwischen Institutionalisierung und Charisma, globaler Inspiration und lokaler Kreativität. Langfristig könnte Synodalität zu einem Friedensprojekt werden, wenn die Kirche eine Dialogkultur einübt und Signale an eine polarisierte Gesellschaft sendet. Ob dieser Anspruch erfüllt werden kann, wird sich an konkreten Ergebnissen messen lassen müssen. Bis 2028 bleibt Österreich ein spannendes Beobachtungslabor für kirchliche Erneuerung.

Deutschland: Ruhige Planung nachhaltiger Reformen

Bereits seit 2019 gibt es in Deutschland einen „Synodalen Weg“; seit 2021 gibt es einen „synodalen Prozess“ auf Weltebene. Diese Konstellation hat zu Spannungen und Missverständnissen geführt, die verständlich, aber unnötig waren. Von interessierter Seite wurde der Synodale Weg, den die katholische Kirche in Deutschland geht, schlechtgeredet, am liebsten in Rom. Tatsächlich gibt es Unterschiede. In Deutschland löste die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt und klerikalem Machtmissbrauch das Dialogformat aus.

Auf der Weltebene bestehen nicht nur Vorbehalte und Ängste, sich den Abgründen des Klerikalismus zu stellen, sondern auch Anfragen, wie der Rekurs von systemischen Aspekten des Missbrauchs zu systemischen Konsequenzen erfolgen soll. Für römische Augen ist es ungewohnt, dass es mit der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken für den Synodalen Weg eine doppelte Trägerschaft auf Augenhöhe gibt. Manche Beobachter sahen dies ausschließlich als Schwäche der Bischofskonferenz an, nicht aber als Stärke der Ortskirche.

Seitdem die Karikaturen den Originalen gewichen sind, hat sich das Verhältnis zwischen Rom und Deutschland entspannt. Die Entscheidung war richtig, nach den fünf aufwühlenden Synodalversammlungen in Frankfurt (2020–2023) einen Synodalen Ausschuss einzuberufen, der die Arbeit mit mehr Ruhe fortsetzt. Dies gilt, auch wenn eine auf Wunsch der Bischöfe defensive Kommunikationspolitik kaum öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt. Dies wird nur den Beratungen und Entscheidungen nicht gerecht, die auf leisen Sohlen die Kirche im Konsens verändern werden.

Der Synodale Ausschuss beobachtet, wie mit den vorhandenen Beschlüssen umgegangen wird; er sortiert die Themen, die in den Synodalversammlungen zwar aufgekommen sind, zu denen aber noch kein Beschluss erfolgt ist. Seine vorrangige Aufgabe besteht laut Beschluss der Synodalversammlung darin, einen Synodalen Rat auf Bundesebene zu gründen, der sich mit politischen, pastoralen und finanziellen Grundlagen befasst.

Der Begriff „Synodaler Rat“ ist zwar passend, er wurde allerdings als systemwidrig angesehen. Die Weltsynode hat diesen Verdacht zerstreut: Ihr Konzept einer Kirchenversammlung würde auch Deutschland guttun. Details müssen noch geklärt werden; es kann immer noch zu einer großen Krise kommen. Aber zahlreiche Beteiligte haben die Chancen erkannt. Die Kirche kann aus den lähmenden Rückzugsmanövern angesichts immer neuer Horrorzahlen an Kirchenaustritten und Missbrauchsfällen herauskommen. So sperrig der Begriff der Synodalität auch sein mag, so wesentlich ist der Prozess, den er auslöst.

An der Basis fragen sich viele Gläubige, was sich wirklich ändern wird. Wenn die Spannungen zwischen Pfarrgemeinderäten und Kirchenvorständen abgebaut, wenn die Relevanz der Diözesan(pastoral)räte gestärkt, wenn auf der Bundesebene die Finanzierung der Verbände, der Hilfswerke und Initiativen gesichert wird, ist zwar keine Revolution ausgebrochen. Dann ist aber eine Kirchenreform Wirklichkeit geworden, für die es hohe Zeit ist.

Schweiz: Das staatliche Religionsrecht fördert kirchliche Erprobungen

In der Schweiz wurde für die Stärkung synodaler Strukturen und Prozesse eine Synodalitätskommission eingerichtet, verbunden mit einer auf fünf Jahre angelegten „synodalen Erprobungsphase“. Die Kommission besteht aus 31 Personen aus unterschiedlichsten Bereichen und Ebenen des kirchlichen Lebens. Wegen des sogenannten dualen Systems sind neben den Bischöfen und der Bischofskonferenz (SBK) auch die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) und die kantonalen staatskirchenrechtlichen Körperschaften für finanzielle, personelle und organisatorische Entscheidungen zuständig. Deswegen riefen die SBK und die RKZ die Kommission gemeinsam ins Leben.

Das allein zeigt bereits, dass synodale Partizipation in Form echter Mitentscheidung von Laien in der Schweiz bereits etabliert ist – allerdings hauptsächlich aufgrund des staatlichen Religionsrechtes und ohne eigentliches kirchenrechtliches Fundament. Zudem ist die geteilte Verantwortung mit einer Aufteilung von Zuständigkeiten verbunden. Demgemäß sind die Bischöfe und pastoral Verantwortlichen allein für die Verkündigung, die Lehre, das liturgische und sakramentale Leben und die seelsorgerliche Leitung zuständig. Diese Zweiteilung, die oft mit den Stichworten „Pastoral und Finanzen“ oder „Geld und Geist“ beschrieben wird, bleibt hinter den Vorstellungen einer in einem ganzheitlichen Sinn synodal geleiteten Kirche zurück. Ihre Weiterentwicklung gehört daher zu den zentralen Herausforderungen, mit der sich sowohl die Synodalitätskommission als auch SBK und RKZ gemeinsam werden befassen müssen.

Der schweizerische Föderalismus führt zu unterschiedlichen Strukturen in den einzelnen Kantonen. Insbesondere im finanziellen Bereich fallen die wichtigsten Entscheidungen dezentral in den Kirchgemeinden. Das entspricht dem Subsidiaritätsprinzip und wirkt jeder Tendenz zum Zentralismus entgegen, schwächt aber die Solidarität. Es führt zusammen mit der sprachlichen und kulturellen Vielfalt dazu, dass die synodale Verständigung auf gemeinsame Zukunftsperspektiven und deren Umsetzung anspruchsvoll ist. Die Synodalitätskommission hat deshalb entschieden, sich zunächst mit drängenden Themen zu befassen, die einerseits auf der Weltsynode eine wichtige Rolle spielten, und bei denen andererseits die Hoffnung besteht, dass eine Verständigung auf gemeinsame Perspektiven gelingt.

Die sechs Schweizer Bistümer unterscheiden sich in ihrer Sprache, Kultur sowie in dem pastoralen Stil und der Art der Einbindung von Nicht-Geweihten in die pastorale Verantwortung. Daher spielt für die synodale Transformation die diözesane – und wegen der hohen Eigenständigkeit der Kirchgemeinden auch die lokale – Ebene eine mindestens so entscheidende Rolle wie die nationale Ebene. Nur wenn auf all diesen Ebenen eine neue Dynamik entsteht, sind ein echter Kultur- und Strukturwandel überhaupt möglich.

Das Bistum Basel hat als größte Diözese schon während der Weltsynode synodale Versammlungen durchgeführt und eine synodale Begleitgruppe eingerichtet, zudem wurde das pastorale Planungsinstrument aktualisiert.

Im großen, mehrheitlich französischsprachigen Bistum Freiburg-Lausanne-Genf hat sich eine Versammlung aller Seelsorgenden mit Zukunftsperspektiven befasst und dabei die synodale Transformation thematisiert. Zudem hat der Bischof bereits vor einiger Zeit entschieden, für die vier Bistumsregionen keine Bischofsvikare mehr zu ernennen, die notwendigerweise Priester sein müssen, sondern er hat Frauen und nicht-geweihte Männer als „bischöfliche Delegierte“ ernannt. Das Bistum Chur veröffentlichte eine Handreichung für eine synodale Kirche. Die kleineren Diözesen Sitten, Lugano und St. Gallen warten auf neue Bischöfe, was die strukturelle Verankerung synodaler Strukturen und Prozesse derzeit aufhält.

Es stimmt nachdenklich, dass trotz vieler Bestrebungen die synodale Erneuerung der Kirche insgesamt Mühe hat, Entwicklungen zu prägen und Energien zu wecken. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der finanzielle Druck ist hoch. Noch mehr sehen sich kirchliche Mitarbeitende und Engagierte von schwindenden personellen Ressourcen, einer zunehmenden Entkirchlichung und dem Gefühl herausgefordert, auf Dauer überlastet und übermächtigen Megatrends ausgeliefert zu sein. Denen, die sich tiefgreifende Reformen wünschen, gehen die Veränderungen zu langsam voran; sie zweifeln aufgrund enttäuschter Hoffnungen an der Veränderbarkeit der Kirche.

Mut zum Neuaufbau der Kirche

In Österreich, Deutschland und der Schweiz geht es voran, auch wenn die Aufbruchsstimmung fehlt. Die Probleme und Widerstände sind groß, aber die Energie derer, die wollen, dass Synodalität nachhaltig wird, ist stark. Eva-Maria Faber, Theologin und Rektorin der Theologischen Hochschule Chur, fordert, „theologische Forschung stärker einzubeziehen“. Margit Eckholt, Dogmatikerin an der Universität Osnabrück, fordert „Mut zur Ekklesiogenese“, also zum Neuaufbau der Kirche. Beides passt zusammen. Beides sind Appelle, die Kirchenreform anzugehen, damit nicht mehr so viel über die Kirchenreform gesprochen werden muss.

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