KirchenmusikAuf der Suche nach einem neuen Stil

In einer Frage sind Experten sich einig: Die Zukunft der Kirchenmusik entscheidet sich nicht zwischen Klassik oder Pop. Vielmehr sind Mut, Kreativität und Offenheit gefragt, wie eine Tagung in Lübeck deutlich machte.

Orgeltasten
© Pixabay

Noch ist sie fester Bestandteil des Gottesdienstes und noch finden in vielen Gemeinden regelmäßig Konzerte statt. Aber hat Kirchenmusik eine Zukunft? Wie kann sie ihr teilweise verstaubtes Image loswerden? Welche Klänge braucht es heute, um Menschen zu begeistern? Und welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig?

Mit solchen Fragen befasste sich Anfang Oktober eine Fachtagung in Lübeck. Unter dem Motto "Kirchen – Kult – Klänge" diskutierten Musiker und Theologen über die Zukunft der Kirchenmusik. Veranstalter waren die Musikhochschule Lübeck und die dortige evangelisch-lutherische Kirche Sankt Petri – eine Kulturkirche, in der unter anderem neue kirchenmusikalische Ansätze erprobt werden.

In den Kirchen dürfe nicht nur historische Musik gespielt werden, forderte der Co-Organisator des Symposiums, der Lübecker Orgelprofessor Franz Danksagmüller, vorab in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Wir müssen einen neuen, authentischen Stil finden." Stellt sich die Frage: Wie soll dieser Stil aussehen? Eine einfache Antwort darauf gab es nicht. Einig waren sich die Experten lediglich darin, dass die häufig gestellte Stilfrage "Klassik oder Pop?" nicht entscheidend ist.

"Die unkritische Übernahme von Popularmusik führt aus unserer Sicht nicht in die Zukunft", warnte Danksagmüllers Kollege, Arvid Gast. Kirchenmusiker sollten aus Sicht des Orgelprofessors nicht nur reproduzieren, sondern eigene Ideen einbringen und neue Werke schaffen. In der Barockzeit sei es ihre Aufgabe gewesen, ihre Stadt mit neuen Kompositionen zu versorgen. Dabei hätten sie wie etwa Johann Sebastian Bach auch weltliche Musik geschrieben. "Das Produzieren von Musik unterschiedlicher Genres sollte heute wieder mehr in den Fokus unserer Ausbildung rücken", forderte Gast.

Der Komponist und Organist Dominik Susteck plädierte für mehr Mut und Kreativität der Musiker. Susteck war viele Jahre tätig an der Kunst-Station Sankt Peter, einer katholischen Kulturkirche in Köln. Heute ist er Leiter des Fachbereichs Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn. Schon als junger Schüler habe er die Diskrepanz zwischen seiner Ausbildung und authentischer Musik gespürt. Immer nur sei es darum gegangen, wie man was richtig spielt. "Aber nie fragte einer, wie die Musik von heute klingen muss."

Susteck schlug vor, zweckfrei zu denken und statt von "Kirchenmusik", lediglich von "Musik" zu sprechen. "Wenn die Musik authentisch ist, dann brauchen wir eigentlich das 'Kirche' gar nicht vorsetzen." Die Frage jedoch, was authentische Musik ist, lässt sich seiner Auffassung nach nicht allgemein beantworten. "Das muss jeder selbst füllen." Entscheidend sei eine offene Herangehensweise.

Der Landeskirchenmusikdirektor der evangelischen Nordkirche, Hans-Jürgen Wulf, sprach sich für eine stilistische Vielfalt aus. Mit einem integrativen Verständnis von Kirchenmusik, die sich nicht über ihren Stil definiere, habe er gute Erfahrungen gemacht. Außerdem müsse sich die Kirchenmusik auf ihre Kernaufgaben besinnen: Beteiligung ermöglichen, Glauben vertiefen und Beziehungen stiften.

Wulf appellierte: "Hören wir auf, Kirchenmusikaktive als hochverbunden, hochkulturell oder elitär zu betrachten, sondern freuen uns über die Bachchristen, Gospelchristen, Jazzchristen et cetera, die oft nur darüber in Kontakt bleiben."

Der Generalsekretär des Deutschen Musikrats, Christian Höppner, hob die gesellschaftliche Bedeutung der Kirchenmusik hervor. "Kirchenmusik gehört zur DNA unseres kulturellen Erbes", sagte der Dirigent und Cellist. Evangelische und katholische Kirche seien die größten Akteure im Kulturbereich, so Höppner, der auch Präsident des Deutschen Kulturrats ist. Sie hätten einen bildungskulturellen Auftrag. Vor diesem Hintergrund forderte er eine bessere finanzielle Förderung der Kirchenmusik – sowohl von der Politik als auch von den Kirchen selbst.

Höppner erzählte, als Kind sei er selbst Teil einer lebendigen Kirchengemeinde gewesen. Dank mehrerer Ensembles und des sonntäglichen Kantatengottesdienstes habe er einen unermesslichen Reichtum kultureller Vielfalt erfahren. Damals habe es in seiner Gemeinde eine bedarfsgerecht ausgestattete Kantorenstelle, mehrere unterstützende hauptamtliche Mitarbeiter, drei Pfarrer und viel bürgerschaftliches Engagement gegeben.

"Heute bemüht sich ein Aushilfsorganist mit einer halben C-Stelle allein um die Reste eines verkümmerten Gemeindelebens im Bereich der Kirchenmusik." Einer der Gründe für diesen Niedergang seien überproportionale Haushaltskürzungen im Bereich der Kirchenmusik, so Höppner.

Von Michael Althaus
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