VerschwörungstheorienWirres mit Wahrem

Ein Aufruf mit Verschwörungstheorien, von einigen wenigen Bischöfen erstellt, schlägt Wellen. Zwischen den wirren Sätzen finden sich auch wahre Probleme.

Als die Medienwelt mit Dauer-Corona, ergänzt durch ein bisschen Dauer-Trump, dem Publikum langweilig wurde, suchten die Journalisten nach einem Aufreger. Den fanden sie, weil ein paar Kardinäle, Bischöfe und Hilfsbischöfe, fast alle außer Dienst, mit einem „Aufruf“ an die Öffentlichkeit zu treten versuchten, der in penetranter Weise Verschwörungstheoretisches raunt. Demnach liefere die Welt-Seuche geheimen Mächten eine Vorlage, sich als untergründige „Weltregierung“ aufzuschwingen und, selber unkontrolliert, die Kontrolle über die Menschheit zu übernehmen. Solche Mutmaßungen erinnern eher an James Bond als an „Tagesschau“. So wiederum lieferten Kirchenleute eine Vorlage, um die Kirche lächerlich zu machen. Es irritiert, dass ein kluger Kopf wie Kardinal Gerhard Ludwig Müller sich ebenfalls zu einer Unterschrift hergab.

Viele Bischöfe sind den aberwitzigen Aussagen des Dokuments, das unter anderem die Gefährlichkeit des Corona-Virus bestreitet, entgegengetreten. Den Imageschaden, die katholische Kirche gehöre weiter zu den Ewiggestrigen, hat das nicht verhindert. Eigentlich sollte man jenen „Manifestlern“ mit ihren kruden, wirren und irren Spekulationen gar kein Gehör schenken, aber einige Dinge im Text weisen durchaus auf wahre Fragen hin, die auch seriöse Leute haben.

Zum Beispiel, ob die extremen Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie freiheitliche, demokratische Grundrechte aushöhlen - und ob das Angeordnete gar ein Prototyp für künftige Drangsalierung bei anderen Weltproblemen, etwa dem Klimawandel, sein könnte. Auch bedeutende Verfassungsrechtler wie Udo Di Fabio oder Hans-Jürgen Papier haben ja Bedenken geäußert, Politiker wie Wolfgang Schäuble, Armin Laschet, Christian Lindner… Oder wenn im „Aufruf“ vor einer „Weltregierung“ gewarnt wird. Die Sorge ist ja berechtigt, dass Hyperkonzerne mit höchster „Systemrelevanz“ wie Google, Microsoft, Apple, Facebook, Amazon usw. den Lebensstil und die Art des Sozialen in Zukunft bestimmen, nicht bloß ökonomisch, wogegen nationale Parlamente und Regierungen kaum mehr eine echte Macht ins Spiel bringen können, weil sie sich - nach Großbanken und Autoindustrie - der „Systemrelevanz“ noch mehr beugen müssen. Und haben wir nicht längst Geheimdienstüberwachung, zudem Zweifel an Systemen wie denen des chinesischen IT-Megakonzerns Huawei? Auch ist zu beobachten, daß die einstige Autonomie des kirchlichen Rechts von Gerichtsurteil zu Gerichtsurteil weltlichen Rechts zurückgedrängt wird. Das Arbeitsrecht etwa haben die Bischöfe schon so anpassen müssen, dass unter anderem lehramtliche Moralvorstellungen hinter Gleichstellungsrichtlinien zurücktreten. Es gibt also reale Problemzonen, die zu diskutieren wären, ganz ohne Verschwörungstheorien.

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