Praktische Umsetzung und konkrete Einblicke in den urmenschlichen Auftrag, sich um Sterbende zu kümmernHospizarbeit und Seelsorge - ein untrennbares Paar

„Sterben in Würde" ist das Schlagwort und Ziel der Hospizbewegung. Dabei geht es darum, dem Patienten ein Leben bis zuletzt zu ermöglichen und die Familien mit ihren Fragen, Ängsten und Sorgen zu begleiten und zu umsorgen. Hospizbewegung und Palliativmedizin haben diesen Auftrag nicht erfunden, aber neu mit Leben erfüllt.

Fazit

  • Hospiz und Palliative Care kommen aus der gleichen Wurzel und wollen ein menschenwürdiges Sterben zu Hause ermöglichen, das ebenso auch eine urchristliche Forderung ist.
  • Die tägliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod gelingt nur aufgrund einer inneren Haltung.
  • Sterben als Teil des Lebens zu begreifen ist Aufgabe aller.
  • pirituelle Begleitung ist eine der Grundlagen des Hospizund Palliativkonzeptes.
  • Aufgaben der Gemeinden: Vernetzung, Thematisierung und Begleitung.

In der christlichen Tradition ist die Sorge um Kranke und Sterbende ein kontinuierliches Thema, das sich durch die Kirchengeschichte hindurchzieht. Denken wir nur an die Hospize im Mittelalter als Herberge für (kranke) Pilger auf den Wallfahrtswegen oder an die zahlreichen Ordensgründungen mit dem Schwerpunkt der Krankenpflege. Dieses Engagement der Kirchen, das sich bis heute im Bau und Unterhalt von Krankhäusern und Hospizen zeigt, war und ist ein Erkennungszeichen des christlichen Glaubens und wird dies auch in Zukunft bleiben. 

Der Grund liegt im Auftrag Jesu (vgl. Mt 25,36) und wird darin deutlich, dass der Besuch von Kranken - selbstverständlich auch und insbesondere von Sterbenden - eines der sieben Werke der Barmherzigkeit darstellt. Wie ernst die Kirche und die Bischöfe diesen Auftrag in unserer Zeit nehmen, wird zum einen dadurch deutlich, dass sehr viele Hospizvereine von Christen gegründet und initiiert wurden. So wurde zum Beispiel 1986 in Aachen das erste stationäre Hospiz in Deutschland durch den Priester Dr. Türks erbaut. Zum anderen äußerten sich die deutschen Bischöfe bereits 1975, als es in Deutschland weder stationäre Hospize noch Palliativstationen gab, zu dieser Thematik: „In einer so grundsätzlichen Frage gilt es zunächst festzuhalten, dass jeder Mensch Anspruch hat auf ein menschenwürdiges Sterben. Das Sterben ist die letzte große Lebensaufgabe, die der Mensch zu bewältigen hat. Diese Aufgabe kann ihm niemand abnehmen, wohl aber kann und muss ihm dabei geholfen werden." (Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie) 

Dieser urchristliche und urmenschliche Auftrag, sterbenden Menschen beizustehen, sich um sie zu sorgen und sie auf ihrem Weg zu begleiten, hat sich die Hospizbewegung als Ziel gesetzt und wesentlich zur gesellschaftlichen Anerkennung beigetragen. Dass eine enge Kooperation und Verbindung zu Hospizvereinen und -diensten - sowohl aus christlicher wie gemeindlicher Sicht - sinnvoll ist, erklärt sich aus der gemeinsamen Zielsetzung von selbst. 

Hospiz und Palliative Care 

Bevor die Unterschiede angesprochen werden, muss man die gemeinsame Wurzel betrachten. Ohne Cicely Saunders (1918 - 2005) wäre die moderne Hospizbewegung nicht in diesem Ausmaß entstanden. Neben ihren wissenschaftlichen Arbeiten über das Morphin und der Gründung des ersten Hospizes neuzeitlicher Prägung (St. Christopher's in London 1967) hat sie mit ihrem ganzheitlichen Schmerzkonzept „Total Pain" die Grundlagen für das heutige Verständnis gelegt. „Total Pain" bedeutet, dass der Schmerz seine Ursachen auf mehreren Ebenen haben kann, zum Beispiel auf der physischen, wo er sich unter anderem durch Schlaflosigkeit, Schwäche, Übelkeit, Atemnot zeigt, wie auch auf der psychischen, bei der er sich zum Beispiel durch Depression, Wut, Angst, Trauer äußert, oder der sozialen, wo er sich unter anderem durch Sorgen, Verlustängste, soziale Isolation bemerkbar macht, und auf der spirituellen Ebene, bei der er sich zum Beispiel durch das Fragen nach Schuld und Sinn, persönlicher Betroffenheit, nach dem Warum, Wozu und Wohin spürbar macht. 

Hinter diesem Konzept steckt ein Menschenbild, das mehrdimensional und ganzheitlich ist, den Menschen also in all seinen Dimensionen zu erfassen versucht. So führt die WHO 2002 in ihrer Definition von Palliative Care - das englische „care" umfasst ja schon im Wort mehr als „medicine" - bewusst diese Dimensionen auf: „Palliative Care dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur." Diese Sichtweise und die sich daraus ergebende Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegenden, Sozialpädagogen, Psychologen und Seelsorgern gehört zum Kern jeder Hospiz- und Palliativarbeit. 

Der Unterschied zwischen einem Hospiz und einer Palliativstation liegt in deren Struktur. Palliativstationen sind eigenständige Krankenhausstationen, die ärztlich geleitet sind und als Ziel die Entlassung nach Hause verfolgen. Ein stationäres Hospiz ist eine eigenständige Pflegeeinrichtung, die pflegerisch geleitet wird. Die ärztliche Betreuung übernehmen die Hausärzte und in der Regel versterben die Kranken dort, denn als Aufnahmebedingung gilt eine ärztlich diagnostizierte Lebenserwartung von maximal sechs Monaten. Bei beiden steht der Patient im Mittelpunkt, sein Wille, seine Lebensqualität und seine Haltung. Aus diesem Verständnis ergibt sich fast von selbst der Ausschluss aktiver Sterbehilfe. 

Motor für das Engagement 

Das Sterben als Teil des Lebens zu begreifen ist nicht nur Aufgabe des Sterbenden und seines Umfeldes, sondern die stete Herausforderung für alle, die sich in diesem Bereich engagieren. Um den Menschen bis zuletzt würdevoll zu behandeln, ist die Überzeugung vom Sinn und der Würde des menschlichen Lebens nötig. Auch die eigene Auseinandersetzung über den Sinn von Leid gehört elementar dazu, wie auch die stetige Reflexion über das Eintauchen in die Lebensentwürfe anderer und die Begegnung mit Tod und Trauer. In Beziehung zu den eigenen Kraftquellen, zum eigenen Glauben und zur eigenen Einstellung zu sein, ist Teil und Aufgabe der alltäglichen Arbeit. 

Wo ist dafür Raum im vollen und ausgefüllten Tag? Neben dem Angebot punktueller Fortbildungen sind im wöchentlichen und monatlichen Ablauf strukturelle Elemente einzubauen, die demTeam die Möglichkeit der Reflexion geben. Eine Konkretion ist zum Beispiel die monatliche Gestaltung einer teaminternen Gedenkfeier, die jeden einlädt, Persönliches und noch Offenes anzusprechen. Selbstverständlich sollte das Angebot einer Supervision oder einer Fallbesprechung zur Professionalität eines Teams dazugehören. Diese Strukturen können aber nur den Rahmen bilden, um dem einzelnen und dem Team Hilfen anzubieten, an der eigenen Haltung zu arbeiten. Nach Derek Doyle umfasst Palliative Care circa 10 Prozent Wissen und 90 Prozent Haltung (persönliche Mitteilung 1992). Diese Haltung muss sich auch im Wort und in der Kommunikation ausdrücken, was wiederum mit der eigenen Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung zu tun hat, die stets geschult und vertieft werden müssen. 

Dabei soll - wie es das Menschenbild der Palliativmedizin nahelegt - die körperliche und psychische Situa- tion geschildert, wie auch das soziale Umfeld gesehen und die spirituelle Situation benannt werden. Genauso wie es für den Patienten beziehungsweise Angehörigen hilfreich ist, seine Geschichte zu erzählen, so hilfreich ist es oft für die Helfenden, auch ihre wahrgenommene Geschichte in Worte zu fassen. Diese Wahrnehmung ist zudem die spirituelle Aufgabe aller. 

Rolle und Bedeutung der Spiritualität 

Spirituelle Begleitung ist kein Monopol der Seelsorge, sondern jedes Teammitglied ist zum einen durch das tägliche Tun in seiner Spiritualität angefragt und zum anderen für den Patienten und die Angehörigen als spiritueller Mensch ansprechbar und erlebbar. Diese gemeinsame Basis gilt es immer wieder im Team zu kommunizieren, um die Aufgabe der professionellen und spezialisierten Seelsorge davon zu unterscheiden. Den Lebensweg und die Lebensdeutungen des Menschen zu hören, sichtbar zu machen und zu würdigen, sind ebenso Teil dieser Aufgabe wie die Fähigkeit, mit den Erfahrungen von Schuld und den Fragen nach Hoffnung umzugehen. Dem Kranken zu helfen, mit Unversöhntem leben oder Ohnmacht und Hilflosigkeit aushalten zu lernen, ist eine weitere Facette seelsorglichen Tuns. Die eigene Spiritualität wahrzunehmen, ist dabei hilfreich, da der Mensch in diesem Bereich zahlreiche Ressourcen hat, zum Beispiel im gelebten Glauben, in den eigenen Ritualen, in den persönlichen Sinnvorstellungen des Lebens. 

Was aber ist Spiritualität? Die Klinikseelsorger in München Großhadern haben in ihrem überarbeiteten Konzept von 2005 versucht, diesen Begriff zu umschreiben: „Unter Spiritualität verstehen wir die lebendige Beziehung eines Menschen zu dem, was sein Leben trägt, kräftigt und erfreut. Spiritualität ist vergleichbar der lebendigen Bewegung von Ein- und Ausatmen. In der jüdisch-christlichen Tradition steht der Atem Gottes (ruach, pneuma, Hl. Geist) für jene Kraft, die dem Menschen Leben in einem umfassenden Sinn schenkt." Hierfür ansprechbar zu sein und auch einen Ansprechpartner zu haben, ist in der alltäglichen Arbeit wichtig. „Die Sorge um das Seelenwohl Sterbender ist die Grundlage des ganzheitlichen Hospizkonzeptes. Sie sollte im Alltag so integriert sein, dass die Frage, ob ein Patient Seelsorge wünscht, nicht als Ankündigung des nahen Todes (miss-)verstanden werden kann." Wie wichtig die Präsenz eines Seelsorgers ist, zeigt zum einen die Erfahrung, dass Seelsorge von fast allen in Anspruch genommen wird und zum anderen, dass durch die Person des Seelsorgers ein Raum für spirituelle Fragen geöffnet wird, der lange verschlossen war. 

Herausforderung und Hoffnung 

Das tägliche Mitgehen, die Achtung der Würde des Menschen ist und bleibt die Herausforderung. Damit dies nicht nur Worte sind, gilt es, die enge geschichtliche und inhaltliche Beziehung zwischen der Hospizbewegung / Palliative Care und der Seelsorge zu vertiefen. Es ist an der Zeit, neben den persönlichen Beziehungen zu einer strukturellen Verortung zu kommen, damit Erfahrungen und zentrale Belange in der Hospizarbeit weitergeführt werden können. Als Beispiel dient hier die Errichtung der Stelle eines Fachreferenten für Palliative Care, die bis jetzt nur von der Erzdiözese München und Freising 2004 geschaffen wurde. Aber auch die Vernetzung vor Ort gilt es weiter zu fördern. Zur weiteren Konkretisierung liegen in einigen Diözesen Modellansätze und Projekte vor, die auf den Weg gebracht, reflektiert und weiterentwickelt werden müssen. 

Für die Gemeindepastoral ergibt sich hier die Aufgabe, Schwerkranke und Sterbende wieder stärker ins Bewusstsein zu holen. Das Ziel der Hospizbewegung, das Sterben aus den Kliniken und Heimen wieder mehr nach Hause zu verlegen, wird sicher auch die Pastoral verändern, so dass Versehgänge und Aussegnungen wieder zunehmen werden. 

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