Es ist gut, dass ihr hier seid. Es ist gut, dass so viele hier sind. Wir können den Tod dadurch nicht ungeschehen machen. Aber wir können einander helfen, mit dem Tod zu leben.
Wir tragen und stützen einander. Wir protestieren und klagen gemeinsam. Wir teilen unsere Erinnerungen und Hoffnungen.
Und wir danken für das Leben von G. 67 Jahre lebte er auf dieser Erde, über 24.000 Tage, eine halbe Million Stunden, ungezählte Sekunden – Momente, Augenblicke, Begegnungen.
Am vergangenen Donnerstag ging dieses Leben zu Ende. Plötzlich, ohne Vorwarnung.
Wir aber leben.
Auch wenn sich dieses Leben vielleicht unwirklich anfühlt, oder gar nicht anfühlt. Wir leben.
Und wenn wir zurück ins Leben finden wollen, müssen wir lernen, Abschied zu nehmen, loszulassen.
Heute wird uns das noch nicht gelingen.
Es wird Zeit brauchen. Es darf Zeit brauchen.
Heute und in den nächsten Tagen gehen wir erste Schritte auf dem Weg des Abschied-Nehmens.
Wir legen N.N. in Gottes Erde.
Wir legen ihn aus unseren Händen in Gottes Hände.
Dazu sind wir zusammengekommen im Vertrauen auf den geheimnisvollen und rätselhaften Gott.
Im Namen des Vaters ….
Liebe Angehörige, Freundinnen und Freunde von N.N., liebe Gemeinde,
N.N., ihr Mann, euer Vater, Bruder, Freund und Vertrauter ist tot. Noch immer unfassbar. Noch immer die Vorstellung: Gleich kommt er wieder zur Türe herein. Er ist aufgebrochen … und nicht wiedergekommen. So schnell, so plötzlich fällt alles zusammen.
Die Pläne, die Selbstverständlichkeiten, die Sicherheiten. N.N. ist tot. Trauer und Schmerz, Widerstand und Ergebung, Klagen und Fragen, Tränen und Leere erfüllen uns, vermischt vielleicht mit Dankbarkeit, unendlicher Liebe und Wertschätzung für alles, was er jedem Einzelnen von euch, von ihnen getan hat und was er für euch gewesen ist: ein Mensch voller Zuverlässigkeit, Fürsorge und Gewissenhaftigkeit, Fleiß, Traditionsbewusstsein, Bescheidenheit. Ein guter Ratgeber, Chef und Mitarbeiter. Ein stolzer Vater. Ein außerordentlicher Zuhörer – ähnlich wie Momo in der unendlichen Geschichte. Einer dessen Nähe gut tat. Das er nun nicht mehr da sein soll, will noch nicht in den Kopf und schon gar nicht ins Herz.
Ich möchte euch eine Geschichte mit auf den Weg geben. Eine Geschichte der Hoffnung. Eine die uns in aller Trauer, Wut und Verzweiflung zuruft „Fürchtet euch nicht!“
Der Feiertag war vorüber.
Da kamen ganz früh am ersten Wochentag
Maria aus Magdala und die andere Maria.
Sie wollten nach dem Grab Jesu sehen.
Plötzlich gab es ein heftiges Erdbeben:
Ein Engel Gottes kam vom Himmel herab.
Er ging zum Grab,
rollte den Stein weg
und setzte sich darauf.
Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz,
und sein Gewand war weiß wie Schnee.
Die Wachen zitterten vor Angst
und fielen wie tot zu Boden.
Und der Engel sagte zu den Frauen: „Fürchtet euch nicht!“
Fürchtet euch nicht, sagt der Engel zu den Frauen am Grab,
zu den Traurigen und Verzweifelten.
Fürchtet euch nicht, sagt der Engel zu den Hirten auf dem Feld,
zu den Verzagten und Erschrockenen.
Fürchtet euch nicht – am Anfang und am Ende von Jesu Leben.
Auch dazwischen immer wieder: Fürchtet euch nicht.
Fast 50-mal in der Bibel: Fürchtet euch nicht.
Wir brauchen diesen Zuspruch.
Wir brauchen ihn, um gegen den Tod zu protestieren.
Wir brauchen ihn, um uns dem Leben zuzuwenden.
Dem eigenen Leben – und dem Leben von N.N..
Denn der Tod macht dieses Leben nicht wertlos, sondern kostbar.
Und so erinnern wir uns an Momente aus seinem Leben:
in N.N. geboren,
als Kind mit seinen Schwestern, für die er auch schon der „Kleber“, wie sie sagten, war – der, der alles und alle zusammenhält.
Der die Familientraditionen aufrecht erhält: Weihnachtsbaum mit echten Kerzen, Fischplatte und Pute. Telefonate an jedem Wochenende.
Er studierte in NN.. Später Promotion in N.N …
Dort habt ihr euch kennen gelernt, 1985 geheiratet und seit zusammen hierhergekommen und habt euer Häuschen bezogen, dass schon bald von euren drei Kindern mit Lachen und Leben gefüllt wurde, mit Märklin-Eisenbahn und spanischen Gute Nachtgeschichten.
Ihr, seine Kinder, waren sein ganzer Stolz und er war für euch Vorbild, Ratgeber und Wertevermittler.
Man konnte sich ihm anvertrauen und wusste bei ihm alles gut und verschwiegen aufgehoben, er war ein Mann mit guten Manieren, treu und gründlich, überaus gründlich und immer hilfsbereit.
So viele Erinnerungen tragt ihr im Herzen, so viele Dinge erzählen von ihm: Das Kartoffelbeet im Garten, mit Bewässerung und Schneckenzaun, aber mehr noch die Erinnerungen an eure Reisen 2013 und 2023 in seine alte Heimat zum Klassentreffen.
All diese Erinnerungen sind Schätze, die euch bleiben!
Mit Erinnerungen an ein Leben stehen wir vor dem Tod.
So wie die Frauen, die ans Grab Jesu kommen
und es nicht fassen können.
Fürchtet euch nicht, sagt der Engel.
Er sagt nicht: Alles wird wieder wie früher.
Oder: Es wird dir nichts geschehen.
Er sagt auch nicht einfach: Hauptsache, Gott liebt dich.
Er sagt – immer wieder – diese herben und kräftigen Worte:
Fürchtet dich nicht!
Damit wischt er die Fragen nicht weg, die der Tod mit sich bringt.
Auch die Trauer wischt der Engel nicht weg.
Es wird eine Weile dauern, bis die Frauen verstehen:
dass der Tod nicht das Ende ist, dass es nach dem Tod und durch den Tod hindurch neues Leben gibt – für Jesus und für sie.
Fürchtet euch nicht! Erzählen sie weiter.
Die Geschichte vom Leben, das stärker als der Tod ist.
Wir hören es.
Vielleicht glauben wir es, vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Protest gegen den Tod, vielleicht weil wir darauf bestehen, dass N.N. gut aufgehoben ist in Gottes Händen, vielleicht, weil wir etwas spüren von Gottes Lebenskraft, die uns hilft, loszulassen und zurückzufinden ins Leben.
Fürchtet euch nicht.