Die Wochensprüche im Juni 2022

5. Juni 2022

Pfingsten

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.
Sacharja 4,6b

Eine Frau aus Bremen fährt bei Göttingen auf dem Überholstreifen der A 7. Von hinten rast ein Sport-Kombi heran. Der Fahrer hupt und betätigt zusätzlich die Lichthupe. Die Bremerin erschrickt und verliert die Kontrolle über ihren Kleinwagen. Dieser gerät ins Schleudern, überschlägt sich und bleibt auf dem Dach liegen. Die Fahrerin erleidet schwere Verletzungen.
Die Aggressivität auf den Autobahnen steigt. Auffahren, Drängeln, permanentes Linksfahren – rücksichtsloses Verhalten ist gang und gäbe. Nicht wenige sogenannte brave Bürger mutieren auf der Rennstrecke zu asozialen Egoisten. Rettungskräfte bestätigen dies. Es wird gegafft und gefilmt; sogar tätliche Angriffe auf Sanitäter sind keine Seltenheit.
Auch im gesellschaftlichen Miteinander außerhalb des Straßenverkehrs wächst die Hemmungslosigkeit. Ein besonders markantes Symptom ist der raue Umgangston in den sozialen Netzwerken bis hin zu Hasspostings.
„Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Ein rechtes Wort zur rechten Zeit. Gegen das vermeintliche Recht des Stärkeren. Gegen das verbreitete Motto: Frechheit siegt. Gottes Geist verlangt Solidarität mit den Schwächsten. Mit denen, die in der gegenwärtigen Ellenbogengesellschaft auf der Strecke bleiben.
Mag sein, dass dieser Geist Gottes heute wenig gefragt ist. Er stört und ist unbequem. Nach einer Allensbach-Umfrage hält eine Mehrheit unter den Führungskräften der Wirtschaft einen größeren Einfluss der Kirchen nicht für wünschenswert. Das überrascht nicht. Dennoch sind Macht und Gewalt allenfalls kurzfristig Erfolgsmodelle. Wer auf Gewalt setzt, produziert Opfer – und wird auf die Dauer selbst zum Opfer. Gottes Geist dagegen setzt auf Nächstenliebe und Gemeinsinn. Wer sich diesem Geist öffnet, kann auf Gewalt verzichten.

12. Juni 2022

Trinitatis

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
2. Korinther 13,13

Die barocke Klosterkirche von Schäftlarn bei München zeigt in einem Seitenaltar den Kirchenvater Augustinus. Er hält ein Buch und eine Schreibfeder und blickt sinnend auf das Auge Gottes in einem Dreieck, dem Symbol der Dreifaltigkeit. Am Rande des Altars sitzt ein Junge, in dessen Händen sich ein Löffel und eine Muschel befinden.
Die Darstellung erinnert an eine alte Legende. Sie besagt, dass Augustinus eines Tages am Meeresstrand entlanggeht und über die Trinität nachdenkt. Dabei beobachtet er ein Kind, das mit einem Löffel Wasser aus dem Meer in eine Muschel gießt. Augustin fragt das Kind, was es da tue. Das Kind antwortet: „Ich schöpfe das Meer aus.“ Augustinus lächelt und sagt: „Das geht doch nicht. Das Meer ist zu groß und zu tief.“ Darauf das Kind: „Und was machst du? Du willst zwischen zwei Buchdeckel das Geheimnis des dreifaltigen Gottes pressen, das viel größer und tiefer ist als das Meer!“
In der Tat ist die Trinitätslehre nur schwer zu verstehen. Gott ist einer und gleichzeitig drei – wie soll man sich das vorstellen? Die altkirchlichen Konzile des 4. Jahrhunderts, die das Dogma festgelegt haben, helfen aufgrund ihrer komplizierten Denkmuster und Sprachgewohnheiten nicht viel weiter.
Am besten bleiben wir deshalb eng beim Neuen Testament und der Grußformel des Apostels Paulus: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Da geht es nicht um abstrakte Begrifflichkeiten, sondern darum, dass Gott mit uns Menschen in Beziehung tritt. Er verharrt nicht in distanzierter Ferne, sondern kommt uns in dreifacher Weise nahe: als Vater, der die Welt schafft und bewahrt; als Sohn, in dem Gottes Liebe Fleisch und Blut wird; als Geist, der uns stärkt zu einem Leben in Freiheit. Wer von Vater, Sohn und Geist redet, der redet somit zugleich auch vom Segen, den Gott schenkt. Von einem Segen, den wir uns immer wieder gegenseitig wünschen und zusprechen dürfen, wie es Paulus in seinen Briefen tut.

19. Juni 2022

1. Sonntag nach Trinitatis

Jesus spricht: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.
Lukas 10,16a

Die Wanderungen Jesu durch die Städte und Dörfer des jüdischen Landes folgten zumeist einem bestimmten Muster. Er tauchte nicht unvermittelt bei den Menschen eines Ortes auf, sondern pflegte sein Kommen einige Zeit vorher anzukündigen, indem er jeweils zwei seiner Jünger vorausschickte. Diese bereiteten im Stil von Herolden den Boden für ihn und seine Lehre. Dabei konnten sie sich an diversen Verhaltensregeln orientieren, die Jesus ihnen mitgegeben hatte. Dazu gehörte zum Beispiel, kein Geld mitzuführen und auf die Gastfreundschaft der Menschen zu vertrauen. Außerdem trug sie die Zusicherung Jesu: „Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“
Für die Jünger war gerade dieser letzte Hinweis entlastend. Denn ganz gleich, ob sie in den Dörfern offene Türen fanden oder nicht – sie konnten davon ausgehen, dass das nicht auf sie selbst zurückfiel. Sie waren ja nicht in ihrem eigenen Namen unterwegs, sondern als Beauftragte Jesu. Es ging also gar nicht um sie, sondern ausschließlich um ihn. Das hatte etwas Befreiendes.
Befreiend kann Jesu Zusage auch für uns sein, wenn wir heute bei anderen Menschen für seine Sache eintreten und uns zu ihm bekennen. Wir müssen uns dabei selbst nicht allzu wichtig nehmen. Außerdem sollte uns möglicher Erfolg nicht übermütig machen und eventueller Misserfolg nicht deprimieren. Nur darauf kommt es an, dass wir uns wirklich vom Geist Jesu leiten lassen. Und darauf, dass wir als seine Boten für andere glaubwürdig sind.
Mahatma Gandhi wurde einmal von christlichen Missionaren gefragt, wie sie es anstellen müssten, damit die Hindus die Bergpredigt Jesu annähmen. Er antwortete: „Denken Sie an das Geheimnis der Rose. Alle mögen sie, weil sie duftet. Also duften Sie, meine Freunde!“ Ein weiser Ratschlag, wie ich finde, sowohl für uns als Einzelne wie auch für die Kirche insgesamt. Zumal in der heutigen Zeit, in der uns Christen der Wind ziemlich rau ins Gesicht weht.

26. Juni 2022

2. Sonntag nach Trinitatis

Jesus spricht: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
Matthäus 11,28

Ein typisches Modewort unserer Zeit ist Stress. Die Suchmaschine Google listet unter diesem Begriff sage und schreibe etwa 900 Millionen Einträge auf.
An und für sich ist Stress ja keineswegs etwas Schlechtes. Evolutionsgeschichtlich war er für unsere Spezies sogar notwendig, um zu überleben. Früher stellte er Jägern und Sammlern in Gefahrensituationen blitzschnell die erforderlichen Energiequellen zur Verfügung.
Heute jedoch ist Stress für viele Menschen zur Last geworden. Im beruflichen und privaten Leben scheinen die Anforderungen kein Ende zu nehmen. Dazu die allgemeine Hektik. Alles muss schnell gehen. Nicht wenige drohen unter dem Druck einzuknicken und depressiv zu werden. Immer mehr Menschen schlucken Psychopharmaka und nehmen auch die damit verbundenen Nebenwirkungen in Kauf. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO gehören Stress und seine Folgen gegenwärtig zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen überhaupt.
Als Jesus seinerzeit die Mühseligen und Beladenen zu sich rief, war das Wort Stress noch unbekannt. Aber auch damals litten die Menschen unter Krankheiten und Zwängen der unterschiedlichsten Art. Und sie kamen zu Jesus, um Erquickung zu finden. Erquickung ist ein heute kaum noch gebräuchliches Wort. Aber wir kennen das Adjektiv „quicklebendig“, und das lässt uns an jemanden denken, der vor Energie und Lebensfreude geradezu sprüht. Genau darum ging es Jesus: die Menschen nicht nur gesund zu machen, sondern froh und frei.
Auch heute noch kann uns sein Wort befreien und beleben. Allerdings setzt dies voraus, dass wir uns bewusst und beständig darauf einlassen. Um es mit Dietrich Bonhoeffer zu sagen: „Wir müssen uns immer wieder sehr lange und sehr ruhig in das Leben, Sprechen, Handeln, Leiden und Sterben Jesu versenken, um zu erkennen, was Gott verheißt und was er erfüllt.“ Anders als bei Psychopharmaka sind dabei irgendwelche Risiken und Nebenwirkungen glücklicherweise nicht zu befürchten.

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