Die Wochensprüche im November 2022

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres Matthäus 5,9

6. November 2022

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres

 

Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen. 

Matthäus 5,9

 

Schalom, Salaam aleikum, Friede sei mit euch. So begrüßen sich jeden Tag Jüdinnen und Juden, Araber und Araberinnen. Friede sei mit dir. Da steckt viel drin. Hoffnung und Sehnsucht und Vertrauen. Schalom, das bedeutet: „Alles ist gut.“ Und zwar nicht so wie „Alles gut“ – „Mach dir keine Gedanken“ oder „Wird schon, alles gut“ – irgendwann und irgendwie „ein bisschen Frieden“. Schalom meint, hier und jetzt ist es gut. Jeder hat genug. Alle wohnen in Sicherheit. Alles ist richtig. Genau, wie es sein soll. Jeder gehört dazu. Alles ist mit allem verbunden. Die Natur mit den Menschen. Die Menschen mit Gott. Gott mit den Menschen. Die Menschen mit der Natur. Darum gehört auch jeder Lebensbereich dazu, zum Frieden. Politik. Gesellschaft. Familie. Tiere. Pflanzen. Alles soll in Ordnung sein. In einer guten Ordnung. In Gottes-Ordnung. Diese Ordnung gerät aus den Fugen, wenn einer der Bereiche ausschert. Wenn Menschen Krieg führen. Wenn Hass die Seligkeit ersetzt. Wenn Macht wichtiger wird als Vertrauen. Wenn die Gier Dankbarkeit vertreibt. Wenn wir uns selbst vergessen. Einander vergessen. Wenn wir Gott vergessen. Das geht so furchtbar schnell. 

Darum ist Schalom, Friede sei mit dir, ein frommer Wunsch. Wir brauchen diesen frommen Wunsch. Es ist nicht alles in Ordnung. Nicht hier bei uns. Und nicht in der Welt. Darum müssen wir uns das wünschen. Uns selbst und einander. Immer wieder. Schalom, Friede sei mit dir, Saalam Aleikum. Ein frommer Wunsch. Mit diesem Wunsch ringen wir um Gottes Güte für diese Welt. Für seine Menschen. Wir wünschen uns Gottes Frieden. Jeder hat, was er braucht. Jede hat eine Heimat. Einen sicheren Ort. Freunde. Gute Worte, genug zu essen. Ruhe zum Schlafen. Arbeit. Alles ist gut. Alles in Ordnung. Im Großen und im Kleinen. Machen können wir das nicht. Dazu beitragen aber können wir. Es geht nur mit uns. Jeder und jede von uns hat daran Anteil. Weil alles miteinander verbunden ist. Wie unsichtbare Fäden, die uns und Gott miteinander verknüpfen. Also wünschen wir uns Gottes Frieden. Als selige Gottes-Kinder.

 

13. November 2022

Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres

 

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.

2. Korinther 5,10a 

 

„Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt“, schreibt Jochen Klepper in seinem Lied „Die Nacht ist vorgedrungen“. Ein beeindruckender Satz. Was ist das für ein Richter, der das tut? Auf was für einem Stuhl thront er? Der Richterstuhl Christi, wie sieht er aus?

In den Kuppeln alter Kirchen des Ostens blickt der Pantokrator auf die Glaubenden hinunter. Die Heilige Schrift in der einen Hand, die andere erhoben mit drei Fingern für die Trinität. Erhaben. Mächtig. Christus Pantokrator. Der allmächtige Weltenherrscher. Einer, der Klarheit schafft. Der die Dinge zurechtrückt. Und mir den Kopf geraderückt. So beschreibt es Matthäus. Böcke zur Linken, Schafe zur Rechten. Wer sich seinen Nächsten zugewendet hat, ist gerecht. Die ist gesegnet. Sie haben es gar nicht gemerkt, was sie Gutes getan haben: „Wann haben wir …?“, fragen sie. „Jedes Mal“, ist die Antwort des Richters. „Jedes Mal, wenn ihr einem meiner kleinsten Geschwistern Gutes getan habt, habt ihr es mir getan.“ Gutes tun, ohne nachzudenken. Das macht den Unterschied. Und die anderen? Sie nicht. Sie haben nichts Gutes getan. Auch ohne nachzudenken. Das Gute vergisst sich so leicht. Schon vorbei. Gelegenheit verpasst. Und dann? Klare Sache. Die Guten ins Töpfchen. Die Schlechten ins Kröpfchen. So einfach ist das!

So einfach ist das? Hoffentlich nicht. Hoffentlich ist es am Ende anders. Nicht umsonst wählt Matthäus das Bild der Schafe und Böcke. Der Pantokrator ist auch der Hirte. Der uns nachgeht. Der sorgende Herrscher. Der die Verletzten trägt und die Geknickten aufrichtet. Der die Tränenblinden das Licht seiner Wahrheit sehen lässt. Der sich unendlich über das verlorene Schaf freut, als er es endlich wiederfindet. 

Vor meinem inneren Auge sehe ich darum neben dem herrlichen und wunderschönen Pantokrator auch das vielleicht etwas kitschige Schlafzimmerbild meiner Großmutter. Der Gute Hirte auf dem Feld mit seinem Schaf auf der Schulter. Denn ich brauche beide. Den Richter der Welt, der klare Unterscheidungen macht. Der mir hilft, das Gute nicht zu vergessen. Mich an das erinnert, worauf es ankommt. Und den sanften Hirten, der mich sucht, wenn ich mich verloren habe. Der mir nachgeht, wenn ich zu weit gegangen bin. Der mich trägt, wenn ich nicht mehr tragbar bin. Ich brauche beide. Und singe mit Jochen Klepper: „Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt.“

 

20. November 2022

Letzter Sonntag des Kirchenjahres 

 

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. 

Lukas 12,35

 

Die Tage werden kürzer. Die Bäume sind kahl geworden. Feuchtes Laub klebt auf der Straße und bleibt an den Schuhen hängen. Trüb ist es geworden. Wir ahnen, es gibt geschlossene Türen, versperrte Hoffnungen. Es gibt lange dunkle Nächte. Trübe Gedanken, um die alles kreist. Beziehungen ohne Worte. Abschiede, bei denen man nicht mehr auf ein Wiedersehen hofft. Warten, ohne Erwartungen zu haben. An sich. An den anderen. An Gott.

So ist das. Wir möchten brennen, aber können nicht mehr. Möchten unsere Hoffnung hüten, aber sie geht uns verloren. Das ist so. Und das müssen wir aushalten. Weil es sie gibt, die dunklen Zeiten. Die verwelkten, trüben Gedanken, die an einem kleben wie nasses Laub. Das Warten und das Abschiednehmen. Das Sitzen am Krankenbett, die Fahrten ins Krankenhaus, mitten in der Nacht. Der Anruf und der letzte Atemzug. Trauer und Erleichterung. Zorn und Schmerz und Ruhe.

Und dann hören wir den Wochenspruch für den Ewigkeitssonntag. „Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“ Wir denken an unsere Toten und lesen von einer Feier in der Nacht. Mit Gott. Eine Geschichte davon, dazuzugehören. Zu Hause zu sein. Am gedeckten Tisch zu sitzen. Vielleicht im Angesicht meiner Feinde. Bestimmt aber umsorgt von einem, der mir voll einschenkt. Die Speisen bringt. „Darf es noch etwas sein?“

Lasst euch die Hoffnung nicht nehmen, sagt Jesus. Nährt sie. Lasst eure Lichter brennen mit eurer Sehnsucht. So bringt ihr eure Hoffnung zum Leuchten. So werdet ihr zum Licht in der Dunkelheit. Hoffnungsvoll. Erwartungsvoll. Selig ist, wer etwas erwartet. Von Gott. Für sich. Für die Welt. Dem wird Gott reichlich auftischen und reinen Wein einschenken. Wir werden sehen.

 

27. November 2022

1. Advent

 

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. 

 Sacharja 9,9a

 

In den letzten drei Wochen sind wir mit Gott einen Weg gegangen. Trauer und Friedenssehnsucht, Abschied und Abschluss – Gott der Vater, Gott der Richter, Gott der Diener, so waren wir unterwegs. Als Menschen, die Gottes Frieden in die Welt tragen. Vertrauensvoll schauen wir der Zukunft Gottes entgegen, so wie Kinder es tun. Wenden uns einander zu und tun Gutes ohne Hintergedanken. Sind hellwach und voller Hoffnung auf Gottes Zukunft. Verlassen uns auf Gott, der richtet. Der zurechtrückt, was schief ist. Der den Unterschied macht. Und uns beisteht in der Nacht. Für uns vom Herrn zum Knecht wird. Der unsere Sehnsucht nährt nach einer Welt, in der alle genug haben. Uns den Tisch deckt mit Hoffnung.

Mit diesen Bildern hab en wir Abschied genommen. Sind mit Gott den Weg des Kirchenjahres zu Ende gegangen. Und jetzt? Jetzt ist Advent. Ein neuer Anfang. Jetzt kommt uns Gott entgegen. Als König. Als der, der die Macht hat, alles zu tun. Und der sich ohnmächtig zeigen wird in einem Kind. Gott ist immer anders. Das ist die Herausforderung unseres Glaubens. Immer wieder neu danach zu suchen, wer Gott ist. Jetzt. Für mich. Ein Gott, der mich in Frage stellt, wenn ich meine, zu wissen, wer er ist. Gott ist anders. Gott verändert sich. So verändert Gott uns. Gott lässt sich auf uns ein. Damit wir Gott einlassen. So fangen wir an. Im neuen Kirchenjahr. Erwartungsvoll. Wie wird er sein, der uns entgegenkommt?

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