Der Monatsspruch im Mai 2020

"Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. " Eine Andacht zum Monatsspruch im Mai.

Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.
1. Petrus 4,10

Mit strahlenden Augen bekennt die pensionierte Lehrerin Barbara: „Gott hat mir in Samr und seiner Familie noch einmal eine Aufgabe gegeben, die mich erfüllt und sehr glücklich macht.“
Dass Barbara hinter der Begegnung mit einem syrischen Flüchtling die Hand Gottes sehen kann, war ihr nicht in die Wiege gelegt und wäre ihr auch in jungen Jahren nicht in den Sinn gekommen. Aufgewachsen in der ehemaligen DDR, war ihre Kenntnis des christlichen Glaubens lückenhaft. Nach der Flucht in den Westen heiratete sie einen bekennenden Christen und lernte mit ihm die Grundzüge der christlichen Religion kennen. Das Doppelgebot der Liebe war im Laufe der Jahre für das Ehepaar und seine beiden Kinder leitend. Je älter Barbara wurde und je öfter sie mit praktizierenden Christinnen und Christen ins Gespräch kam, umso mehr öffnete sie sich für den Glauben.
Die aus dem Glauben entspringende Kraft erfuhr sie, als ihr Mann vor acht Jahren verstarb und sie als sechsundsiebzigjährige Frau einen Neuanfang wagte. Bewusst lehnte sie das Angebot ihrer beiden erwachsenen Kinder ab, zu einem von ihnen zu ziehen. Sie wollte eigenständig bleiben. Und trotzdem sollte nicht alles beim Alten bleiben. Weil das eigene Haus längst zu groß und der Wohnort fremd geworden war, trennte sie sich von beidem. Ihre Entscheidung, in einen 200 km entfernten Ort, den Wohnort ihrer Schwester, zu ziehen, sah sie als von Gottes Geist geleitet an.
Rasch lebte sie sich ein. Ohne die Vergangenheit zu vergessen, war sie gespannt auf Neues. Dies begegnete ihr im Jahr 2017 in dem Flüchtling Samr. Zunächst war sie lediglich bereit, ihre Profession als Grundschullehrerin zur Verfügung zu stellen und dem jungen Mann Deutschunterricht zu erteilen. Nach und nach aber entwickelte sich aus dem täglichen Sprachunterricht eine tiefe Freundschaft zwischen der älteren Frau und dem jungen Mann. Für Samr wurde die Deutschlehrerin zu einer Art Ersatzmutter, die er gerne auch Mama nennt. Für Barbara wiederum wurde er zu einem Teil ihrer Familie. Dass Gottes Geist sie zusammengeführt hat, ist für Barbara keine Frage.
Trotz einer Herzschwäche erwachten in ihr Kräfte, die sie befähigten, sich für die Belange ihres erwachsenen Schützlings so einzusetzen, dass ihm Recht geschah. Sie führte Telefonate, begleitete ihn auf die eine und andere Behörde und erkämpfte für ihn eine eigene Wohnung. Als seine Ehefrau und die Kinder nachziehen durften, war es selbstverständlich, dass Barbara auch diese als Teil ihrer Familie ansah. Neben dem Sprachunterricht gehören seither noch die pädagogische Betreuung der beiden Kleinkinder und die Gespräche mit den Erzieherinnen in der Kindertagesstätte zu den Aufgaben, die von der ehemaligen Grundschullehrerin mit Freude übernommen werden. Längst ist Barbara gewiss, dass Gott zu den ihr verliehenen Gaben die Aufgaben geschenkt hat, die sie bewältigen kann. Je mehr sie sich einsetzt, umso mehr empfängt sie ungeahnte Kräfte. Dass auch die eigenen Kinder und Enkel in der syrischen Familie keine Konkurrenten sehen, sondern sie ganz selbstverständlich in die Großfamilie aufnehmen, ist für die Frau ein Geschenk, für das sie Gott nur danken kann.
Von Barbara und ihren Schützlingen erzähle ich, weil ihr Leben exemplarisch den Monatsspruch aus dem 1. Petrusbrief auslegt. Die pensionierte Lehrerin dient mit den Gaben, die sie empfangen hat, den Menschen, die Gott ihr als Aufgabe in den Weg gestellt hat. Zugleich öffnet sie sich täglich neu dem Wirken von Gottes Geist. Von ihm lässt sie sich mit der Liebe beschenken, die sie auch Schwierigkeiten und Schwächen ertragen lässt. Längst weiß sie, dass die christliche Nächstenliebe einer Liebe entspringt, die Jesus Christus in diese Welt gebracht hat. Sie weiß auch, dass diese Liebe alle Menschen einschließt. Sie schließt auch die ihr anvertraute muslimische Flüchtlingsfamilie ein.
Indem Barbara ihre Gaben nicht für sich behält, erfährt sie in guten und schweren Tagen Gottes Gnade und Treue.

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