Der Monatsspruch im August 2011

Jesus Christus spricht: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Matthäus 7,7

„Bitte", hundertfach sprechen wir es täglich aus. Ein Zauberwort, das Türen und Menschenherzen öffnet. Und doch ist es eines der schwersten Worte.
Klar, wenn es sich um die Tasse Kaffee handelt, kommt mir das „Bitte" schnell über die Lippen. Anders wird es, wenn ich jemanden um Geld oder Hilfe bitte. Dies ist mein tägliches Geschäft als Pfarrerin einer Auslandsgemeinde, die von Spenden abhängt. Dennoch fällt mir das Bitten schwer. Wer bittet, zeigt Schwäche. Er gibt zu, dass er nicht allein zurechtkommt, dass er die Hilfe eines anderen braucht. Und wer zeigt schon gerne, dass er auf andere angewiesen ist?

Stärke und Selbstsicherheit sind wichtige Eigenschaften im Umgang miteinander. Es scheint viel leichter, etwas zu geben, als um etwas zu bitten. Jesus fordert auf zu bitten. Und nicht nur das, auch suchen und sogar klopfen sollen wir. Das ist eine Steigerung. Erst reden, dann etwas tun, und zum Schluss auch noch anderen auf die Nerven gehen.

Ich lebe in einem islamischen Land. Es gehört zu den Grundpflichten eines frommen Muslims, Armen zu helfen. Dafür wird er nach seinem Tod ins Paradies eingehen. So gibt es im relativ reichen Iran immer noch arme Menschen, die auf der Straße laut rufend oder singend mit ihrer Bettelschale auf sich aufmerksam machen und anderen damit auf die Nerven gehen. Ohne ihre Rufe oder ihren Gesang erhalten sie nichts. Arme müssen sich zu erkennen geben, damit ein frommer Muslim sein gutes Werk tun kann, das ihn ins Paradies bringt. Bitten erlaubt, ja erwünscht, und gerne auch laut und aufdringlich. Das gehört im Orient dazu. Davon kann ich einiges lernen für meinen Glauben.

Jesus hat auch im Orient gelebt. Laute und aufdringliche Bettelei war ihm sicher nicht fremd. Ihm geht es beim rechten Bitten um das Zutrauen zu Gott. Gott wartet auf unser Bitten. Er wartet darauf, dass wir erkennen, allein kommen wir nicht weiter, wir brauchen ihn zum Leben wie die tägliche Nahrung. Er steht „stand by". Die Beziehung geht an, wenn wir sie aufnehmen, habe ich vor Kurzem gelesen. Das deckt sich mit unserer Lebenserfahrung. Von nichts kommt nichts. Man muss schon bitten, dass man was kriegt. Man muss sich schon auf die Suche machen, damit man etwas findet. Man muss anklopfen, sonst geht die Tür nicht auf! Dennoch machen wir auch immer wieder die Erfahrung, dass unsere Bitten und Gebete nicht in Erfüllung gehen. Gott ist eben kein Automat, in den ich das Gebet als Münze einwerfe und wo das Ersehnte herauskommt. Es braucht schon Gottvertrauen und damit das Zugeständnis, dass die Antwort auf mein Bitten, Suchen und Klopfen in Gottes Hand liegt.

Es braucht Gottvertrauen, zu bitten um Frieden für die Welt, um Gerechtigkeit, um Liebe unter den Menschen, auch wenn dies aller Wirklichkeit widerspricht. Auch für die eigenen persönlichen Anliegen darf ich bitten. Ich darf Gott wie ein Armer dem Wohlhabenden auf die Nerven gehen. Solch ein Bitten ist heilsam und verändert den Bittenden. Es öffnet das Herz und weitet den Blick für das, was nottut. Bei mir selbst und bei anderen. Es ermutigt, weiterhin in Gottvertrauen tätig zu lieben und diese Welt zum Guten zu gestalten.

In unserer kleinen Auslandsgemeinde in Teheran haben wir einen Gebetsglobus, an dem Teelichter angezündet werden können. Viele mit Iranern verheiratete deutschsprachige Frauen treffen sich dienstags in unserer Gemeinde. An diesem Tag leuchtet der Globus. So manche Frau steht davor in stillem Gebet, oder um im Gespräch mit der Seelsorgerin Bitten zu äußern. Der Globus ist kein Ort der Erfüllung. Aber es ist ein Ort, an dem geseufzt, geweint, gelacht werden kann und die Gewissheit leuchtet, dass Gott hört, dass er gibt, dass er sich finden lässt und manche Tür zum eigenen und zu anderen Herzen aufgeht. Und so nehme ich diese Gewissheit mit in den August: Gott wartet auf mein Bitten, Suchen und Klopfen. Ich darf ihm auf die Nerven gehen. Wie gut!

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