Der Monatsspruch im Januar 2010

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.
5. Mose 6,5

Was für ein Monatsspruch am Anfang des neuen Jahres! Mit diesen Worten beginnt jeder fromme Jude sein Morgengebet und sein Abendgebet. Die davor gesprochenen und in der Bibel nachzulesenden Worte „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein" sind das Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens. „Schema Israel" - „Höre Israel". Und nach dem Grundbekenntnis nun die Worte, die wir am Anfang des neuen Jahres als Monatsspruch hören. Diese Worte, mit denen sich der fromme Jude an seine Bestimmung erinnert, sind auch der Anfang des Hauptgebets der jüdischen Liturgie im Synagogengottesdienst. Sie haben also eine ebenso herausragende Bedeutung wie das Vaterunser für uns Christen. Nicht genug: In den Kapseln der Gebetsriemen finden sich diese Worte, ebenso in der Mesusa, der Gebetskapsel, die an allen Türen jüdischer Wohnstätten angebracht ist. Diese Worte sind also absolut zentral für den jüdischen Glauben.
Und welche Bedeutung haben sie für uns Christen? Ich mache mir klar: Christlicher Glaube ist zu ganz großen Teilen jüdischer Glaube. Wir beten mit Worten des Gebetsbuchs der hebräischen Bibel, den Psalmen. Wir glauben an den einen allmächtigen und barmherzigen Gott. Wir sind durch Jesus und die Apostel und die frühen Gemeinden ganz und gar verbunden, verwurzelt, verwandt und verschwistert mit dem jüdischen Glauben - und mit unseren älteren Geschwistern, den Juden. Weiter erinnere ich: Die kürzeste Zusammenfassung der Gebote und der Thora enthält genau die Worte unseres Monatsspruchs, ergänzt um die Worte „... und deinen Nächsten wie dich selbst". Dieses so genannte Doppelgebot der Liebe gehört zu den Texten, die selbst die Konfirmandinnen und Konfirmanden unserer Zeit noch lernen. Also hat die Weisung der „Gottesliebe" eine Schlüsselstellung in unserem Glauben und in seiner Verbindung mit dem jüdischen Glauben.
Nun ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht viel wert, wenn sie nicht mit Leben erfüllt ist. Wir beginnen unser Morgen- und Abendgebet ja nicht mit den Worten: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft." Wie leben wir dann diese zentrale Bestimmung unseres Lebens in seiner Bezogenheit auf Gott? Überhaupt - wie kann der Mensch den unsichtbaren, ganz anderen Gott lieben? Wie kann er mit Herz und Seele und ganzer Kraft den gepriesenen und unbegreiflichen und uns im Vater Unser doch so vertrauten Gott lieben?
Ein Hinweis steckt im Doppelgebot der Liebe. Da ist Gottesliebe und Nächstenliebe untrennbar miteinander verbunden. Und diese Verbindung wird verstärkt durch die Anfrage: Wie kann einer Gott lieben, den er nicht sieht, wenn er nicht seinen Bruder liebt, den er sieht?
Die Bestimmung des Menschen, die Schwester, den Bruder, den Nächsten zu lieben, der anders ist und Mühe macht, gelingt wohl nur, wenn er von Gottes Liebe ergriffen ist und beschenkt wird. Und so ist es nicht nur Bestimmung des gläubigen Menschen, Gott zu lieben. Es ist vor allem Erfüllung, den zu lieben, der ihn liebt, unaussprechlich, unbegrenzt, wie eben nur Gott lieben kann. Es ist Erfüllung, Gott zu lieben, der das Herz und die Seele berührt und die Kraft schenkt, den anderen mit Gottes Augen zu sehen, ihn im Licht der Verheißung Gottes schon zu „erfinden". Da ist der ganze Mensch schon berührt von Gottes Liebe - mit all seinen Gefühlen, mit seiner Leidenschaft und seiner Erschöpfung, mit Sehnsucht und Verzweiflung.
Dieses und noch viel mehr gehört zum ganzen Herzen, zur ganzen Seele und zur ganzen Kraft. Gott füllt dieses hinein in ihn - und der von ihm Berührte lässt es zurückfließen und überfließen zu anderen hin. Dann ist das, was von grundsätzlicher Bedeutung ist, mit Leben erfüllt.

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