Wie Kinder die Welt begreifenKleine Forscher

Für Kinder ist es wichtig, die Natur auf eigene Faust entdecken und erforschen zu können. Hierbei schulen sie ihre Aufmerksamkeit und ihre Sinne.

Wie Kinder die Welt begreifen: Kleine Forscher
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"Tim, nun komm endlich. Es ist Abendbrotzeit, lass uns heimgehen." Doch der Vierjährige stapft weiter selbstvergessen durch die matschige Regenpfütze. Er wirft kleine Steinchen hinein, dass ihm das Wasser nur so ins Gesicht spritzt und freut sich an den gluckernden Geräuschen. Außerdem fließt da allerlei hin und her, was dringend genauer betrachtet werden muss.

Keine Frage, ein solches Intermezzo auf dem Nachhauseweg ist eine Prüfung elterlicher Geduld. Aber gleichzeitig können Eltern dabei Zeuge eines elementaren kindlichen Lernvorgangs werden: Kinder erforschen in diesen Situationen mit möglichst vielen Sinnen ihre direkte Umgebung. Und damit tun sie etwas für ihr körperliches und geistiges Wachstum.

Gut entwickelte Sinne - die Basis für erfolgreiches Lernen

Die Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft verleiten oft genug dazu, den kindlichen Lernprozess vor allem mit geistiger Förderung zu unterstützen. Doch für die Persönlichkeitsentwicklung unserer Kleinen braucht es mehr als nur den Kopf. Ihr Zugang zur Welt entsteht von Beginn an durch sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung. Über Augen, Ohren, Zunge, Haut und Fingerspitzen nehmen Kinder Kontakt mit ihrer Umwelt auf. Ganz direkt eignen sie sich diese an, setzen sich mit ihr auseinander, lernen sie zu verstehen - um sie dann nach ihren Fähigkeiten zu gestalten. Deshalb ist das Herummatschen in der Pfütze mehr als nur Verzögerung und pures Vergnügen. Ihr Nachwuchs erkundet experimentell und unmittelbar physikalische Gegebenheiten: "Wie tief sinkt mein Fuß in den Schlamm ein, was passiert, wenn Wasser in meinen Stiefel läuft, wo bleibt der Stein, wenn ich ihn ins Wasser werfe?"

Kindliche Neugier - stärkster Entwicklungsmotor - führt zu den vielfältigsten Aktivitäten. Und je mehr unsere Kinder Gelegenheit haben, auf die Anregungen ihrer Umwelt zu reagieren, desto mehr werden sie zum aktiven Handeln herausgefordert. Alle auf diese Weise gewonnenen Eindrücke erreichen über Nervenbahnen das kindliche Gehirn. Dort werden sie gespeichert, verknüpft und verarbeitet. So verdichten sie sich zu Erkenntnissen, die unseren entdeckungslustigen Söhnen und Töchtern fortan als Wahrnehmungs- und Handlungsmuster zur Verfügung stehen. Gleichzeitig bilden diese Erfahrungen die Grundlage der kindlichen Persönlichkeit

Sehen, hören, schmecken, tasten ... ein Katalog der Sinne

Häufig ist im Alltag vom "siebten Sinn" die Rede. Auch in der Wissenschaft spricht man in der Regel von den sieben Sinnsystemen des Menschen:

  • Sehen - die visuelle Wahrnehmung der Welt über das Auge
  • Hören - mit Hilfe des auditiven Systems ist man "ganz Ohr"
  • Tasten, Fühlen - die Haut bestimmt als größtes Organ den taktilen Sinn
  • Riechen - immer der Nase nach, so funktioniert das olfaktorische System
  • Schmecken - das gustatorische System bringt uns mit der Zunge auf den Geschmack
  • Körperliche Bewegungen wahrnehmen - das kinästhetische System umfasst den Sinn für Raum-, Zeit-, Kraft- und Spannungsverhältnisse der eigenen Bewegung
  • Gleichgewicht halten - dank des vestibulären Systems bleiben wir in der Balance

Wirklich gute Voraussetzungen, um mit allen Sinnen die Welt zu erkunden. Doch unsere technisierte und oft bewegungsfeindliche Lebenswirklichkeit fördert zumeist nur einseitiges Erleben. Sie verhindert, dass Kinder ungezwungen und frei Sinneseindrücke aller Art sammeln können. Natur und Alltag werden vielfach nur noch aus zweiter Hand erlebt: via Fernsehen, Computer, Automaten und vorgefertigter Lebensmittel. Das führt sowohl zu Reizüberflutung als auch zu Erfahrungsarmut. Die Folgen bleiben nicht aus. So hat man inzwischen beispielsweise herausgefunden, dass Kinder, die nicht balancieren oder rückwärts laufen können, Schwierigkeiten mit Rechenaufgaben haben. Auch haben kindliche Konzentrationsschwierigkeiten und Wahrnehmungsstörungen zugenommen.

Sinnliche Wahrnehmung spielerisch fördern

Doch Sie können diesem Manko entgegenwirken, indem Sie spielerisch das Zusammenspiel aller vorhandenen sinnlichen Bereiche stimulieren und fördern. Schließlich wissen Sie als Eltern am besten, wo die sinnlichen Stärken und Schwächen Ihres Kindes liegen. Bieten Sie ihm deshalb die Möglichkeit, nicht nur seinen bevorzugten Sinneskanal weiterzuentwickeln, sondern ganzheitliche Erfahrungen zu sammeln. So können Sie das sinnliche Spektrum erweitern, indem Sie Sohn oder Tochter die Augen für die vielfältigen Erfahrungsbereiche der Alltagswelt öffnen: die raue Baumrinde, das Gurren der Tauben, der Geschmack frischen Basilikums, der Kletterstapel im Hof. Oder schlagen Sie Spiele vor, bei denen einzelne Sinnesbereiche jeweils ausgeschaltet werden, um andere erst richtig zur Geltung zu bringen. Hier einige Anregungen:

  • Legen Sie Kastanien, Eicheln, Steine und Ähnliches in einen geschlossenen Karton. Kann Ihr Kind "blind" ertasten, um was es sich jeweils handelt?
  • Welche Geräusche sind zu hören, wenn man mit geschlossenen Augen auf der Parkbank sitzt?
  • Wie fühlt es sich an, in den Blätterhaufen zu springen?
  • Wie riechen die Gewürze auf der Küchenfensterbank? Wie leicht sind sie wieder zu erkennen?
  • Spielen Sie mit der ganzen Familie "Stille Post" als vergnüglichen Abschluss des Tages.

Spiele dieser Art fallen Ihnen sicher noch viele ein. Dabei handelt es sich nicht um ein ausgefeiltes Trainingsprogramm mit Hochleistungscharakter, sondern um die Wahrnehmung der Umwelt nach neuen Mustern. Und erfolgreich kann diese Sensibilisierung der kindlichen Sinne ohnehin nur sein, wenn der Spaß nicht zu kurz kommt.

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