Wie Kinder die Uhr lesen lernenAlles hat seine Zeit

Kinder brauchen Zeit, um ein eigenes Zeitgefühl zu entwickeln. Wenn es aber soweit ist, dann sollten sie schnell lernen, die Uhr zu lesen, um auch die Tagesabläufe besser verstehen zu können.

Die Uhr lesen lernen: Alles hat seine Zeit
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Der Spruch "Zeit ist Geld" beschreibt Zeit als etwas Greifbares, das man messen, verbrauchen und sogar totschlagen kann. Astronomie, Philosophie, Biologie, Physik und Technik suchen seit Menschengedenken nach einem verbindlichen Zeitbegriff. Von der altgriechischen Wasseruhr bis zur heutigen Atomuhr reichen die Bemühungen, Zeit immer präziser zu messen. Aber die uralte Überlieferung, Zeit sei absolut und verlaufe gleichförmig, hat sich in unserem Jahrhundert durch Einsteins Relativitätstheorie als fragwürdig erwiesen. Kein Zweifel: Alles Leben unterliegt bestimmten Zeit-Rhythmen, die innere Uhr bei Tieren und Pflanzen, die Navigationssysteme der Zugvögel und auch das Heranwachsen und Vergehen des Menschen, dem in der Jugend die Zeit oft zu langsam, im Alter jedoch viel zu schnell vergeht, sind daran gekoppelt. Bereits kleine Kinder sind von Uhren fasziniert und versuchen das Phänomen mit Sätzen wie: "Noch drei Mal schlafen bis Weihnachten" zu fassen.

Heute, gestern, morgen

Schon wenige Monate alte Babys erleben eine zeitliche Ordnung durch beispielsweise Still-, Schlaf-, und Wachzeiten. Aber eine Zeitvorstellung entwickelt sich nur langsam, denn sie leben ganz in der Gegenwart. Sogar Grundschulkinder bringen noch Angaben über Dauer, Geschwindigkeit und Zeitunterschiede durcheinander. So meinen sie beispielsweise, wie der Entwicklungspsychologe Jean Piaget herausgefunden hat, dass ein Spielauto, das gleich lang, aber schneller als ein anderes fährt und daher in gleicher Zeit ein Stück weiter gefahren ist als das andere, mehr Zeit verbraucht hat. Piaget schloss aus seiner Studie, dass es bis ins Alter von 10 Jahren dauert, bis Kinder unterschiedliche Abläufe sicher zeitlich ordnen und in Bezug zueinander setzen können.

Die Abfolge ihrer vertrauten Alltagsroutine können Kinder jedoch schon bis zum dritten Lebensjahr vorwärts und rückwärts ordnen, die richtige Einordnung von Ereignissen vergangener Wochen, Monate und Jahreszeiten gelingt im Kindergartenalter. Bereits mit fünf Jahren messen Kinder Zeitdauer durch zählen. Deshalb kann man durch spielerische Förderung schon im Kindergarten mehr Verständnis für Zeit vermitteln.

Die Uhr - zur rechten Zeit

Kinder beschäftigen sich sehr gern mit Uhren, Kalendern und Jahreszeiten. Aber auch praktischer Umgang mit der Uhr muss noch kein voll ausgebildetes Zeitverständnis einschließen. Fünfjährige drehen den Zeiger der Uhr auf den Beginn ihrer Lieblingssendung und sind dann ganz erstaunt, wenn Biene Maja nicht auf dem Bildschirm erscheinen will. Aber auch, wenn Erstklässler die Uhr korrekt ablesen und wissen, dass sie bei einer Zeigerstellung, die man 12 Uhr nennt, zu Hause sein müssen, liegt oft noch kein richtiges Zeitverständnis vor. Es wird aber sicherlich durch Erklärungen wie "Wenn der große und kleine Zeiger auf 12 stehen,..." mit vorbereitet. Deshalb sollte man so bald wie möglich mit Kindern über Zeit und Uhren sprechen, aber erst dann, wenn dazu die "rechte Zeit" ist und das Kind sich von sich aus dafür interessiert.

Was sagt die Uhr?

Der Buchhandel bietet für Kinder und Eltern von Kinderpsychologen und Pädagogen didaktisch aufgebaute Lern-Fibeln an, die dem Nachwuchs kindgerecht, farbig und anschaulich zunächst den Begriff von Zeit und schließlich, anhand von selbst gebastelten Lern-Uhren, das Ablesen der Uhr nahe bringen. Übungen für zu Hause fördern die Fähigkeit, die Kinder in der Schule brauchen, wenn es um Zeit geht. Vorschulkinder lernen dabei zunächst Grundbegriffe wie vorher, nachher, später, lang, kurz, morgens, nachts und die Orientierung an optischen Zeichen beim Lesen der Uhr. Sie werden am leichtesten durch das Nachmalen von Uhrzeigern und Ziffern auf selbstgebastelten "leeren" Uhren an ein erstes Zeitverständnis heran geführt. Der Morgen ist dabei die Zeit von 6 bis 9 Uhr, der Mittag die Zeit von 12 bis 14 Uhr, abends die Zeit von 6 bis 8 Uhr - Begriffe, die den Kindern von ihrem Tagesablauf her bereits vertraut sind. Das Verständnis für zeitliche Abläufe und Reihenfolgen wird auch durch das Basteln von Sanduhren und Wasseruhren, das Einteilen der Zeit in Wochentage, ebenso wie die Kenntnis der Ziffern von 1 bis 12, geschult.

Die Zeit einteilen - vom erwachsenen Umgang mit der Uhr

Kinder sind zunächst ungeheuer stolz, wenn sie in der Lage sind, die Uhr zu lesen wie die Erwachsenen. Denn der Umgang mit der Uhr bringt ihnen zunächst einen enormen Zuwachs an Kompetenz und Verantwortung ein. Gleichzeitig bedeutet aber die Einteilung des Tages, der Zwang, sich nach Uhrzeiten und Terminen richten zu müssen, wie pünktlich in der Schule oder beim Sport zu sein, eine Art Vertreibung aus dem Kindheits-Paradies, in dem nur das Hier und Jetzt zählte. Entwicklungspsychologische Untersuchungen zeigen, dass kleine Kinder eben noch nicht im Zeitdiktat der Erwachsenen, die das Phänomen Zeit malend meist als einen Pfeil darstellen, gefangen sind. Der Psychologe Erich Fromm über diese Zeitauffassung:" Das Erlebnis des Liebens, der Freude, des Erfassens einer Wahrheit geschieht nicht in der Ewigkeit, sondern im Hier und Jetzt. Das Hier und Jetzt ist Ewigkeit, das heißt Zeitlosigkeit." Indem wir unsere Kinder im "erwachsenen" Umgang mit der Zeit, einer im 21. Jahrhundert unabdingbaren Fähigkeit, trainieren, rauben wir ihnen gleichzeitig eine Fähigkeit, die uns Erwachsenen bitter fehlt: Ganz und gar vom Augenblick erfüllt zu sein.

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