Freundschaft unter KindernLiebe, Streit und Geheimnisse

Auch Kinder brauchen Freunde und finden diese meist schon im Sandkastenalter. Wie sich die Freundschaft entwickelt, hat viel mit der Erziehung des Kindes zu tun. Einzelkinder müssen oft erst lernen zu teilen und zu geben. Geschwisterkinder haben es da einfacher.

Freundschaft unter Kindern: Liebe, Streit und Geheimnisse
© hans klein - Fotolia.de

"Was wollt ihr mal werden, wenn ihr groß seid?", fragte die Lehrerin. Felix und Steffen, die nebeneinandersaßen, schrieben mit großen krakeligen Buchstaben den gleichen Berufswunsch aufs linierte Papier: Polizeireiter. Bevor sie dieses Dokument in Händen hielten, hatten Felix' und Steffens Eltern keine Ahnung von den Ambitionen ihrer Söhne. Aber so sind gute Freunde nun mal: Sie wissen voneinander bisweilen mehr als ihre Eltern, und sie teilen ihre Träume. Eine Zeit lang jedenfalls.

Die beiden berittenen Polizisten in spe, sieben und acht Jahre alt, sind Verbündete, Helfer füreinander, auch mal Konkurrenten. Sie messen sich aneinander, streiten sich und vertragen sich wieder - so wie Freunde in diesem Alter das tun. Langsam ist ihre Freundschaft gewachsen, in der ersten Zeit nach dem Schuleintritt mochten sie sich gar nicht besonders leiden, haben sich im wahrsten Sinn des Wortes zusammengerauft. Wie Feuer und Wasser sind sie: der eine wild und spontan, der andere eher still, in sich zurückgezogen, verträumt. Wann und warum dann plötzlich die Sympathie füreinander aufflammte, das wissen nur sie selbst.

Zu Gast in einer anderen Familie

Freundschaften durchziehen das ganze Kinderleben, und manchmal halten sie sogar bis ins Erwachsenen-Alter. Die ersten Freundschaften schließt ein Kind im Kindergarten-Alter. Doch meist wechseln sie hier häufig: mal ist Marie die beste Freundin, mal Laura, und Antonia wird abgelöst von Torben. Je jünger ein Kind, desto weniger spielt das Geschlecht des Freundes eine Rolle. Man muss gut miteinander spielen können, das ist die Hauptsache. Die ersten Nachmittagsverabredungen fallen in diese Lebensspanne, die ersten Übernachtungen in der Familie des anderen. Eine spannende Sache: Das Kind bekommt Einblicke in andere Familienstrukturen, es merkt, dass andere Menschen andere Gesetze und Rituale haben. Und umgekehrt öffnet es die eigene Familie für seine Freunde, gibt ein Stück der Aufmerksamkeit und Fürsorge der Eltern ab.

Was tun, wenn die neue Eroberung, die Sohn oder Tochter nach Hause einlädt, so gar nicht den Vorstellungen der Eltern entspricht? Wenn das Gast-Kind sich so benimmt, dass man es am liebsten postwendend nach Hause schicken möchte? Geduld ist hier nötig und Vertrauen in die Kurzlebigkeit und Wandelbarkeit von Freundschaften in dieser Altersstufe. Kinder müssen in diesem Alter die unterschiedlichsten Kontakte schließen, die vielfältigsten Erfahrungen machen. Das Kind ist neugierig auf die bunte Welt. Aber noch ist seine Familie die sichere Basis, von der aus es seine Abstecher zu neuen Erfahrungen startet.

Ein ruhiges Gespräch mit dem befreundeten Kind, das mit seiner Rolle als Gast der Familie nicht so recht klar kommt, wirkt oft Wunder: Kinder sind flexibel und passen sich anderen Regeln meist problemlos an. Sie müssen sie nur kennen.

Wichtig ist vor allem: Nehmen Sie die ersten Freundschaften Ihres Kindes ernst. Gestehen Sie ihm zu, dass es andere Kriterien für seine Sympathien hat als Sie selbst; beschränken Sie sich auf die Gastgeber-Rolle. Und bewerten Sie nicht das Verhalten des einen Kindes, wenn das andere dabei ist. Ein lammfrommes, zurückhaltendes Gastkind dem eigenen Nachwuchs als leuchtendes Vorbild anzupreisen ist genau so verkehrt wie mit dem Besuch zu schimpfen, wenn er sich daneben benimmt. Wenn Eltern sich ständig als Schiedsrichter der Freundschaften ihrer Kinder betätigen, wird denen bald die Lust darauf vergehen, Freunde mit nach Hause zu bringen.

Zwei Freunde gegen den Rest der Welt

Mit dem Zeitpunkt des Schuleintritts ändert sich die Qualität der Freundschaften. Nun sind zwei Freundinnen oder Freunde nicht mehr in erster Linie Spielkameraden, sondern werden zu Verbündeten. Vor allem Mädchen gehen oft symbiotisch in ihrer Rolle als beste Freundin auf, können stundenlang beieinander hocken, hüten ihre Geheimnisse und bilden eine unerschütterliche Bastion gegen Dritte und den Rest der Welt. Es gibt die allerbeste Freundin, die zweitbeste und drittbeste, und gar nicht so selten wechselt der Status, sehr zum Verdruss der jeweils Entthronten. Und tief sitzt der Schmerz, wenn die beste Freundin das Zweierbündnis verrät, etwa indem sie ein Herzensgeheimnis weiterträgt. Bei Jungen sind Freundschaften pragmatischer, vielleicht auch zuverlässiger als bei den Mädchen. Gemeinsame Interessen sind das verbindende Element zwischen Jungen, und selten sind sie so ausschließlich aufeinander fixiert wie die Mädchen. Dennoch: Auch Jungenfreundschaften können innig und intensiv sein; sie sind eine wichtige Instanz, um sich von den Anforderungen in Schule und Familie zu erholen und gleichzeitig sind sie Übungsfeld für den sozialen Umgang. Werte wie Vertrauen, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Mitgefühl wachsen in einer Freundschaft und bilden deren Grundlage.

Bei einer repräsentativen Umfrage einer großen Familienzeitschrift meinten zwei Drittel der befragten Eltern, deren Kinder neun Jahre oder älter waren, sie wüssten mehr über die Wünsche, Ängste und Gedanken ihrer Kinder als deren Freunde. Das ist ein Irrtum. Je älter ein Kind wird, desto mehr öffnet es sich den Gleichaltrigen; die Bedeutung der Eltern als Verbündete und Vertraute wird allmählich geringer. Das tut weh, doch es ist ein wichtiger Entwicklungsschritt für das Kind auf seinem Weg in die Selbstständigkeit. Das Kind zu unterstützen und liebevoll zu begleiten bleibt dennoch die Aufgabe der Eltern.

Blick über den Tellerrand

Kinder brauchen Freunde, nicht nur wenn sie als Einzelkinder aufwachsen. Auch wenn zu Hause eine ganze Geschwisterschar zum Spielen verfügbar ist: Der Blick in ein anderes soziales Umfeld, in andere Erfahrungshorizonte ist eine gute Schulung für Einfühlungsvermögen und Kontaktfähigkeit. Wie groß sind die Möglichkeiten für die Kinder heute, andere Kulturen zu erleben! "Shirin isst kein Schweinefleisch" - Unsere Kinder bringen die Bereitschaft mit, unvoreingenommen Freundschaften zu schließen und akzeptieren vorbehaltlos die Eigenheiten anderer Religionen und Kulturen - eine große Chance für mehr Toleranz und Offenheit in unserer Welt.

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