Sollen Kinder petzen und die Wahrheit sagen?"Ich bin keine Petze"

Unsere Kinder wollen natürlich nicht als Petze dastehen und erzählen selbst den Eltern nicht immer alles. Die Freunde nicht zu verpetzen ist generell ok, aber auch Kinder müssen wissen, wann sie lieber die Wahrheit sagen sollten.

Petzen oder die Wahrheit sagen:
© pixabay

Was erfahren wir nicht alles von unseren lieben Kleinen! Unaufgefordert informieren sie uns über die Schandtaten ihrer Altersgenossen: "Nico hat Schokolade genommen, ohne zu fragen", berichtet seine Schwester der Mutter. "Henning schreibt ab", klärt Julia die Klassenlehrerin auf. Und die Erzieherin wird von dem vierjährigen Paul lautstark darüber in Kenntnis gesetzt, dass Marie soeben seinen Turm umgeworfen hat. Absichtlich.

Petzen ist unschön, finden wir wohl alle. Doch es ist gar nicht einfach, das unseren Kindern zu vermitteln. Es fängt schon bei der Frage an, was überhaupt unter Petzen zu verstehen ist. "Mitteilen, dass ein anderer etwas Unerlaubtes, Unrechtmäßiges oder ähnliches getan hat", definiert das Deutsche Universalwörterbuch des Duden-Verlags. Demnach würde aber auch das Anzeigen einer Straftat Petzen sein. Und schon wird es schwierig für Erziehende: Einerseits möchten wir nicht, dass unsere Kinder andere verraten, andererseits sollen sie uns unbedingt davon berichten, wenn sie beispielsweise auf dem Spielplatz von einem Unbekannten angesprochen werden - gerade wenn er ihnen erzählt, dass sie nichts verraten dürfen.

Petzen ist nicht gleich Petzen

Der wichtigste Tipp lautet: Bevor Sie vorschnell handeln, sollten Sie überlegen, warum Ihr Kind "petzt". Was möchte es erreichen? Der "Tatbestand" kann derselbe sein, die Absicht macht den Unterschied. Von der Intention des Kindes hängt auch die Reaktion des Erziehenden ab. Zur Verdeutlichung zwei Beispiele:

Nicos Schwester Sarah erzählt der Mutter, ihr Bruder habe Schokolade genommen, ohne zu fragen. Sarahs Absicht ist klar: Sie will ihren Bruder "in die Pfanne hauen". Sie verrät ihn, um sich bei ihrer Mutter einzuschmeicheln. Zwischen den Zeilen sagt sie: "Schau mal: Der da ist böse, aber ich bin lieb!" Dieses Verhalten, das häufig bei rivalisierenden Geschwistern auftritt, sollte die Mutter nicht tolerieren. Sie könnte antworten: "Damit hast du nichts zu tun. Papa und ich erziehen Nico, nicht du." Doch Vorsicht, Falle! Diese Worte gehen ins Leere, wenn die Mutter nun den Schokoladendieb zur Rede stellt. Dann nämlich wäre Sarahs Rechnung doch noch aufgegangen. Wenn Sie also in einer Situation wie dieser der Meinung sind, den Verpetzten unbedingt rügen zu müssen, sollten sie einerseits darauf achten, dass der Petzer davon nichts mitbekommt; andererseits sollten Sie dem "Übeltäter" das Gefühl geben, Sie selbst wären ihm auf die Schliche gekommen.

Beispiel Nummer zwei: Lars und Kathrin spielen im Garten. Da kommt Lars auf die Idee, über die Mülltonne auf die Garage zu klettern, was ihm natürlich verboten ist. Kathrin will ihn abhalten, doch er zieht sich schon an der Regenrinne hoch. Da läuft Kathrin zu ihrem Vater und berichtet ihm. Sie verrät Lars zwar, jedoch in der Absicht, ihm zu helfen. Hier sollte der Vater Kathrins Verhalten loben: "Gut, dass du mich informiert hast. Vielleicht hast du Lars davor bewahrt, sich zu verletzen."

Selbstvertrauen stärken

Die Beispiele zeigen: Man muss von Fall zu Fall unterscheiden. Wendet sich Ihr Kind aus Sorge um sich selbst oder um einen Dritten an Sie? Oder will es nur denunzieren, sich hervortun, einen Dritten schlecht machen? Manchmal ist die Absicht des Kindes sofort zuzuordnen, recht häufig treten aber auch Mischungen zwischen den dargestellten Fällen auf: Wenn Marie den Bauklotzturm von Paul umstößt, petzt dieser vielleicht deshalb bei der Erzieherin, weil er meint, sich allein gegen Marie nicht behaupten zu können. Es glaubt, Unterstützung zu benötigen. In einem solchen Fall sollte man abwägen: Kann Paul wirklich nicht aus eigener Kraft zu seinem Recht kommen? Dann macht es Sinn, einzugreifen. Meist ist es aber günstiger, das Kind darin zu bestärken, das Problem selbst in die Hand zu nehmen: "Was meinst du, was du tun könntest? Du hast bestimmt eine gute Idee." Die Botschaft lautet: "Ich traue dir zu, dass du das schaffst."

Überhaupt ist Petzen oft ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Kinder, die bei Gleichaltrigen wenig Anerkennung finden, versuchen nicht selten, sich auf diese Weise bei Eltern, Lehrern oder Erzieherinnen beliebt zu machen. Sie geraten dabei in einen Teufelskreis, denn ihr Verhalten drängt sie noch weiter ins Abseits. Solche Kinder sollten zwar erfahren, dass Petzen nicht erwünscht ist; man sollte ihnen aber auch dabei helfen, Freunde zu finden.

Wenn Sie aus dem Kinderzimmer häufig Sätze wie "Lass das, oder ich sag's Mama!" hören, könnte das darauf hinweisen, dass Sie sich zu sehr in die Streitigkeiten Ihrer Kinder einmischen. Auch wenn es manchmal schwer fällt: Spielen Sie nicht vorschnell den Schiedsrichter! Hindern Sie ihre Kinder nicht daran, selbst Lösungen zu finden. So stärken Sie ihr Selbstvertrauen - eine gute Voraussetzung gegen häufiges Petzen.

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