Emotionen bei Kindern verstehenDie Kleinen und ihre großen Gefühle

Ein Kind kann noch nicht verstehen, warum der Lolli aus dem Supermarkt nicht mitgenommen werden darf oder das Monster aus dem Albtraum nicht echt ist. Ein Kind braucht Unterstützung und Verständnis bei der Erkundung der eigenen Emotionen.

Emotionen verstehen: Die Kleinen und ihre großen Emotionen
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In den ersten Lebensjahren lernt ein Kind eine große Bandbreite an Gefühlen kennen. Die Erfahrungen, die es mit sich und seiner Umwelt macht, lösen immer neue Emotionen in ihm aus, die im Lauf der Zeit sein Wesen prägen. So wird allmählich erkennbar, welche Gefühle typisch sind für ein Kind, mit welchen Emotionen es gut zurechtkommt und mit welchen es zu kämpfen hat. Das eine Kind verhält sich eher ängstlich und zurückhaltend, das andere keck und draufgängerisch. Doch alle Kinder brauchen Zeit, um mit ihrer eigenen Gefühlswelt vertraut zu werden.

Gefühle wahrnehmen und ausdrücken

In der Kindergartenzeit erwirbt das Kind die emotionalen Schlüsselfertigkeiten, die sowohl für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit als auch im Zusammenleben mit anderen wichtig sind:

  • Es wird sich seiner eigenen Gefühle bewusst und lernt, diese zunächst in Mimik und Gestik, später auch in Worten auszudrücken.
  • Es lernt, zwischen verschiedenen Gefühlen zu unterscheiden, wobei es anfangs eigene und fremde Gefühle noch vermischt. Ab dem vierten Lebensjahr beginnt es dann, zwischen den eigenen Gefühlen und denen anderer Menschen zu differenzieren. Es lernt, bei anderen unterschiedliche Gefühlsausdrücke wahrzunehmen, und ist so immer besser in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen.
  • Nicht zuletzt lernt es, mit negativen Gefühlen wie Wut, Trauer oder Enttäuschung umzugehen.

Sie können Ihrem Kind helfen, seine eigenen Gefühle immer besser wahrzunehmen, indem Sie es in bestimmten Situationen gezielt danach fragen: "Wie fühlst du dich, nachdem der Thomas gesagt hat, dass er nicht mehr mit dir spielen will?" - "Wie ging es dir, als dich der Hund so laut angebellt hat?" Erklären Sie Ihrem Kind auch, dass manche Gefühle spürbare Körperreaktionen auslösen können: Wenn man zum Beispiel Angst hat oder aufgeregt ist, beginnt das Herz zu klopfen. Wenn man erschrickt, zuckt man zusammen und der Körper wird für einen Moment stocksteif.

Um Fragen nach seinen Gefühlen beantworten zu können, braucht Ihr Kind natürlich ein entsprechendes Begriffsvermögen. Sie sollten ihm deshalb immer wieder Begriffe anbieten, mit denen es seinen Wortschatz erweitern kann. Versuchen Sie, für ein bestimmtes Gefühl möglichst differenzierte Beschreibungen zu finden - nicht nur allgemeine Begriffe wie "gut" oder "schlecht", "angenehm" oder "unangenehm". Wenn man sich über eine Sache sehr aufregt, kann man das zum Beispiel mit Begriffen wie "empört", "entrüstet" oder "entsetzt" ausdrücken.

Von der Angst bis zum Zorn

Zur Bandbreite der Emotionen gehören selbstverständlich nicht nur positive, sondern auch negative Gefühle. Eines davon, das bei Kindern eine herausragende Rolle spielt, ist Angst.

Angstgefühle können bei Kindergartenkindern verschiedene Gründe haben. Da ist zum einen die Angst vor Trennung oder Liebesverlust. Kinderängste können aber auch einen ganz anderen Hintergrund haben. Kleine Kinder haben eine sehr lebhafte Fantasie, die sich oft mit magischen Vorstellungen vermischt: Sie fürchten sich zum Beispiel vor Hexen, Gespenstern und anderen Gruselgestalten, die nachts in ihr Zimmer eindringen könnten. Das Ergebnis ist dann in vielen Fällen ein allabendlicher Kampf vor dem Zubettgehen oder ein nächtlicher Umzug ins Elternbett. Diese sogenannte magische Phase dauert etwa bis zum fünften Lebensjahr an. Ein weiterer Komplex negativer Gefühle sind Frust, Wut und Aggressionen. Situationen wie diese kennen Eltern von Kindergartenkindern nur zu gut: Da wird der Dreijährige plötzlich zum Rumpelstilzchen, weil er partout nicht einsehen will, warum er das Süßigkeitenregal im Supermarkt links liegen lassen soll. Auch wenn Wut und Aggressionen in unserer Gesellschaft schlecht angesehen sind - sie gehören zur kindlichen Entwicklung dazu. Mit einem Wutausbruch wehrt sich das Kind gegen eine aus seiner Sicht unannehmbare Situation und versucht mit geballter Energie, eine Veränderung herbeizuführen. Wut und Aggression haben insofern eine produktive Kraft. Eltern sollten sich darüber hinaus im Klaren sein, dass Wutausbrüche in den seltensten Fällen gegen sie persönlich gerichtet sind. Ein kleines Kind erlebt jeden Tag viele Male, dass sich Dinge seinen Absichten widersetzen und sein Drang, Neues auszuprobieren, an Grenzen stößt. Kein Wunder, wenn sich seine Enttäuschung durch Wut und Tränen Luft macht.

Wutattacken können noch einen anderen Hintergrund haben. Kinder reagieren manchmal verstärkt aggressiv, wenn sie durch eine Situation überfordert sind. So kann zum Beispiel die Geburt eines Geschwisterchens oder der Umzug in einen anderen Ort ein solcher Auslöser sein. Wenn es auf den Schulstart zugeht, können auch Leistungsdruck, zu hohe Erwartungen der Eltern und Versagensängste dahinterstecken.

So lernt Ihr Kind, mit Ängsten umzugehen

Jedes Kind muss lernen, negative Emotionen zu bewältigen. Doch braucht es dazu immer wieder die Unterstützung seiner Eltern, die vor allem das nötige Verständnis für sein Verhalten aufbringen sollten. Nehmen Sie die Gefühle Ihres Kindes ernst und versuchen Sie nicht, sie ihm abzusprechen ("Das bildest du dir doch nur ein!") oder gar zu verbieten ("Hör jetzt endlich auf, solchen Unsinn zu reden!").

Sie können Ihrem Kind zum Beispiel helfen, Trennungsängste zu bewältigen, indem Sie versuchen, sich in seine Gefühlswelt hineinzuversetzen. Das erfordert genaue Beobachtung und gutes Zuhören sowie die Bereitschaft, unliebsame Gefühle zu akzeptieren. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass Sie immer für es da sind, auch wenn es zum Beispiel wütend oder trotzig ist.

Um Ihrem Kind zu helfen, die Angst vor Gruselgestalten zu überwinden, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Nutzen Sie die Fantasie, der die Geister entsprungen sind, umgekehrt zur Gespensterabwehr. Schenken Sie Ihrem Kind ein großes, "starkes" Kuscheltier (beispielsweise einen Bären oder Löwen), der die Monster in die Flucht schlagen soll. Es kann auch ein Talisman oder ein bunt bemalter "Zauberstein" sein. Wichtig ist, dass Ihr Kind sich dadurch beschützt fühlt.
  • Wenn Ihr Kind von einem Gespenstererlebnis berichtet, sagen Sie nicht: "Es gibt keine Gespenster." Schlagen Sie stattdessen vor, gemeinsam auf Gespenstersuche zu gehen. Vielleicht wird Ihnen beim Suchen ja ein Wäschestück unterkommen, das Sie ihm mit der Feststellung zeigen: "Du hast recht, das sieht fast wie ein Gespenst aus. Aber guck mal, es ist nur dein Nachthemd."
  • Generell sollten Sie auf fantastische Erlebnisberichte Ihres Kindes eingehen, aber ohne die Existenz von Gruselgestalten zu bestätigen. Fordern Sie Ihr Kind auf, sein Erlebnis genau zu schildern. Das bietet Ihnen die Chance, etwas über die Hintergründe der wirklichen Angst zu erfahren.

So lernt Ihr Kind, mit Frust und Wut umzugehen

Schon das Trotzalter Ihres Kindes hat Sie wahrscheinlich zur Genüge gelehrt: Es ist gar nicht so einfach, auf Wutausbrüche gelassen zu reagieren. Doch Sie können Ihrem Kind am besten helfen, wenn Sie seinem Gefühlschaos mit Ruhe begegnen und ihm festen Halt bieten. Das kann durchaus wörtlich zu verstehen sein: Vielleicht gehört Ihr Nachwuchs ja tatsächlich zu den Kindern, die sich bei einem Gefühlsausbruch leichter beruhigen, wenn man sie fest in die Arme nimmt. Wenn nicht, respektieren Sie sein Bedürfnis - doch lassen Sie es in seinem aufgewühlten Zustand nicht allein.

  • Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie seine Gefühle verstehen, indem Sie diese ansprechen und ihm Ihre Unterstützung anbieten: "Ich weiß, du bist stocksauer, weil du dein Polizeiauto nicht mehr finden kannst. Das kann ich verstehen. Wenn du willst, helfe ich dir suchen."
  • Wenn es dem kleinen Zornbündel gelingt, seine Gefühle selbst auszudrücken - umso besser. "Ich ärgere mich so schrecklich, dass …" oder "Ich bin jetzt richtig wütend, weil …" : Zu solchen Äußerungen sollten Sie Ihr Kind ermutigen, anstatt sie zu unterbinden.
  • Oft hilft es dem Kind, wenn es seine Wut an einem Ersatzobjekt auslassen kann, etwa an einem Kopfkissen oder Boxsack. Es gibt noch andere tolerable Möglichkeiten, Dampf abzulassen: zum Beispiel, indem man einen "Rumpelstilzchen-Tanz" aufführt, einen Packen Altpapier zerreißt oder mit einem Kochlöffel auf eine Matratze schlägt.
  • Zeigen Sie Ihrem Nachwuchs, wie Sie selbst mit Wut umgehen. Stehen Sie zu Ihren Gefühlen, indem Sie sie authentisch äußern - mit erhobener Stimme und zorniger Miene. Zwingen Sie sich nicht zu einem freundlichen, liebenswürdigen Ton, wenn das nicht Ihrer Gemütslage entspricht. So erlebt Ihr Kind, dass es in Ordnung ist, seine Wut auszudrücken, und dass sie dann bald wieder verraucht. Ihr Kind darf ruhig wissen, dass auch Eltern nur Menschen sind.

kizz Buchtipp

Lesen Sie mehr darüber, wie sich Ihr Kind im Kindergartenalter entwickelt und wie Sie seine Entwicklung bestmöglich begleiten können, damit es glücklich und gesund heranwächst:

Rita Steininger, Auf kleinen Füßen in die Welt. So entwickelt sich Ihr Kind im Kindergartenalter. Verlag Herder 2010. 96 Seiten. 9,95 €

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