Worte statt GewaltSoziales Trainig für männliche Gewalttäter

Gewalt in der Ehe ist leider kein Einzelfall. Häusliche Gewalt geht meist von Männern aus und darf von den Frauen nicht verschwiegen werden. Oft hilft hier nur eine Therapie der Ehemänner.

Worte statt Gewalt: Soziales Trainig für männliche Gewalttäter
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"Sie hat mich beleidigt, vor den Kindern, immer wieder. Sie hat mich Versager genannt." Wolfgang T.* (35) schluckt. "Dann habe ich zugeschlagen, mehrmals, bis sie auf den Boden fiel."

Über das Geschehene sprechen

Verunsichert und wie um Zustimmung bittend schaut er in die Männerrunde. Es war nicht das erste Mal, dass Wolfgang zuschlug, aber heute hat er zum ersten Mal vor anderen darüber gesprochen. Er nimmt freiwillig an einem sechsmonatigen sozialen Trainingsprogramm für gewalttätige Männer teil, das das Männerbüro Hannover e.V. seit 1996 anbietet. Die meisten der neun Teilnehmer hat der Staatsanwalt geschickt. Sie alle müssen Worte finden, für das was geschehen ist. Nichts unter den Teppich kehren, sich auseinandersetzen statt verdrängen, auch wenn es noch so peinlich ist: Das ist der erste Schritt des Sozialtrainings. Gemeinsam erarbeitete Regeln, Vereinbarungen und Verträge bilden den Rahmen.

Wer sich nicht an sie hält, muss die Gruppe verlassen. Verbindlich ist etwa die regelmäßige Teilnahme an den Treffen. Außerdem besteht die Pflicht zur Vor- und Nachbereitung einzelner Themen mit Hilfe eines persönlichen Protokollbuches. Das Männerbüro nimmt vorab Kontakt zu der Partnerin auf, um ihre Sicht der Beziehung und der Vorfälle zu erfahren. Sofern sie einverstanden ist, finden zu Beginn und am Ende des Trainings mindestens ein Paargespräch statt. Jeder Teilnehmer muss die Schutzmaßnahmen der Partnerin oder Expartnerin akzeptieren.

Die eigenen Grenzen akzeptieren

Wie kam es zur Gewalt? Warum habe ich zugeschlagen? Welche Konflikte schwelen schon seit langer Zeit? Wolfgang muss sich vielen Fragen stellen. Er hat nie gelernt, über seine Gefühle und seine eigene Verletzbarkeit zu sprechen. Die Reaktionen des Therapeuten und der anderen Teilnehmer machen ihm Mut. Was immer auch passiert ist, hier gilt niemand als böses Ungeheuer. In diesem Raum darf alles ausgesprochen werden. Wolfgang erkennt bei anderen Gruppenteilnehmern ähnliche Verhaltensmuster. Sie sprechen auch über ihr Männerbild, ihre Vorstellung von Partnerschaft: keine Schwächen zeigen, ein ganzer Kerl sein, ewige Liebe. Viele hohe Erwartungen - das richtige Leben ist anders. Kritik von außen zulassen und kritisch über sich selbst nachdenken, das fällt allen schwer. Oberstes Lernziel: Nicht nach Ausflüchten suchen, sondern Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen.

Wege aus der Gewalt suchen

"Gewalt anzuwenden ist eine Willensentscheidung, also ist auch eine Entscheidung dagegen möglich", beschreibt Klaus Eggerding, der Geschäftsführer des Männerbüros, das Konzept des Sozialtrainings. Wer das verstanden hat, kann versuchen herauszufinden, welche anderen Verhaltensweisen möglich sind. Wolfgang erkennt, dass er ausrastet, wenn er sich unter Druck gesetzt oder provoziert fühlt. "Erst mal raus, eine Runde um den Block und dabei tief durchatmen", ist nun sein Rezept für den Notfall.

In der Gruppe erfahren viele Männer das erste Mal, dass es möglich ist, Konflikte gemeinsam zu lösen statt als Einzelkämpfer durchs Leben zu gehen. Wolfgang lernt, wie gut es tut, mit anderen über seine Probleme zu sprechen. Seine Frau äußert konkrete Trennungsabsichten. Als Wolfgang davon am sechsten Gruppenabend berichtet, ist er sehr aufgewühlt und aufgebracht. Die anderen zeigen Anteilnahme und überlegen, was er tun kann. Wolfgang will alles versuchen, um seine Ehe zu retten. Er verlässt die Gruppe ruhiger und mit dem Vorhaben, seiner Frau eine Paartherapie vorzuschlagen. Außerdem will er bis zum nächsten Gruppenabend jeden Abend ein anderes Gruppenmitglied anrufen und berichten, wie er den Tag überstanden hat - ohne zuzuschlagen.

"Der Einfluss der Gruppe und der Mitarbeiter ist sehr groß", berichtet Klaus Eggerding. "Davon profitieren die Partnerinnen. Die Gefahr, dass Konflikte eskalieren, ist deutlich geringer." Die Gespräche in der Gruppe tragen dazu bei, dass die Männer sich selbst und ihre Partnerschaft in einem realistischeren Licht sehen. Wolfgang hat verstanden, dass er sich verändern muss, dass er aber auch Grenzen hat. Er will mit seiner Frau, die einer Paartherapie zugestimmt hat, aktiv daran weiterarbeiten, Konflikte ohne Gewalt zu lösen.

*Name geändert