Liebe in getrennten HaushaltenZu mir oder zu Dir?

Immer mehr Paare und auch Familien führen heutzutage eine Fernbeziehung. Living apart together heißt das Neudeutsch und bietet Chancen, aber auch Risiken.

Zu mir oder zu dir
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Immer häufiger kommt es vor, dass Familien in zwei getrennten Haushalten leben. Unter ihnen sind Menschen, welche die Statistik als Alleinerziehende erfasst, etwa Mütter mit Kindern, die mit ihrem neuen Partner nicht zusammenleben, oder Verheiratete, die eine Wochenendehe führen. Vor rund 30 Jahren tauchte die Bezeichnung „Living apart togehter" für solche Paare, die trotz enger Beziehung nicht zusammenleben (Abkürzung LAT oder LAT-Beziehung), erstmals auf. Die Berliner Psychologin Berit Brockhausen fasst das Phänomen mit der Formel „Liebe auf Distanz" zusammen und entwickelte ein Beratungskonzept für „Distanzpaare".

Frau Brockhausen, was verbirgt sich hinter dem Begriff „Distanzpaare"?
Zunächst einmal muss man berücksichtigen, ob ein Paar freiwillig oder unfreiwillig nicht zusammenlebt. Wer freiwillig dauerhaft getrennt wohnt, lebt in der Regel in derselben Stadt. Es ist ein bewusst gewählter Lebensstil von Menschen, die sich ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Unabhängigkeit in einer verbindlichen Partnerschaft wünschen.

Bei anderen, und das ist eine sehr viel größere Gruppe, führten berufliche Gründe zur Trennung der Lebenswelten. Früher zogen über kurz oder lang Frau und Kind dem beruflich versetzten Mann nach. Heute fällt oft die Entscheidung, lieber zu pendeln. Das kann verschiedene Gründe haben. Man will die Kinder nicht aus der gewohnten Umgebung herausreißen, der neue Job ist nicht so sicher, und - sehr wichtig - viele Frauen sind selbst erwerbstätig und können oder wollen ihre Berufstätigkeit am Ort nicht aufgeben. Telefon, E-Mail und günstige Verkehrsbedingungen machen es heute leichter, Nähe und Intimität auch in der Distanz aufrechtzuerhalten.

Sind damit die Problemlagen nicht von Paar zu Paar ganz verschieden?
Einer Reihe von Schwierigkeiten müssen sich alle Paare stellen, die nicht zusammenleben, etwa: Wie halten wir die Verbindung? Wie und wann müssen wir aktiv werden, zum Beispiel telefonieren? Wie lange brauchen wir, um uns wieder aneinander zu gewöhnen? Wieviel Zeit sollten wir unbedingt dafür einplanen? Wie gestalten wir unsere gemeinsame Zeit?

Wie erleben Kinder diese Lebenssituation zwischen großer Nähe und räumlicher Distanz?
Generell kann ich aus meiner therapeutischen Praxis sagen, dass Kinder mit ganz vielen Dingen gut zurecht kommen, vorausgerecht ihre Eltern vermitteln ihnen: Das ist in Ordnung, damit kommen wir klar! Sind Eltern gezwungen, eine Wochenendehe zu führen, müssen sie ganz viel dafür tun, damit die Beziehung zum abwesenden Elternteil intakt bleibt. Dafür ist auch das anwesende Elternteil mit verantwortlich. Regelmäßige Anrufe sind wichtig, aber es gehört auch dazu, dass Kinder keine Lust zum Reden haben, wenn Papa gerade anruft. Diese Form des Familienlebens ist eine große Leistung und erfordert sehr viel Organisation und Planung. Ich nenne die Mütter, die das Woche für Woche leisten, Teilzeit-Alleinerziehende. Mit der Pendelei gehen für alle Beteiligten vielfältige Belastungen einher.

In ihrem Beratungskonzept weisen sie auch auf die Vorteile der „Liebe auf Distanz" hin. Welche sind das zum Beispiel?
Paare, die nicht zusammenleben, verbringen ihre gemeinsame Zeit, viel bewusster als Liebespaar. Sie müssen sich immer wieder neu entdecken. Das ist durchaus ein Vorteil gegenüber Paaren, die sich vor lauter Alltag gar nicht mehr als Liebespaar wahrnehmen und begegnen. Da die gemeinsame Zeit begrenzt ist, ist jedoch der Erwartungsdruck hoch. Ein entspanntes Nebeneinander, bei dem jeder etwas für sich macht, kann schwierig sein. Problematisch ist es auch, wenn Paare deshalb notwendige Auseinandersetzungen vermeiden oder immer wieder aufschieben.

Überwiegen am Ende also doch die Nachteile?
Jede Form von Partnerschaft hat Vor- und Nachteile - es kommt darauf an, wie man damit umgeht!

Das Gespräch führte Susanne Lindau.

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