Lärmbelästigung durch KinderWie viel Lärm dürfen Kinder machen?

Viele Kitas und Familien haben mit Nachbarn zu kämpfen, die alles über Zimmerlautstärke schon als Lärmbelästigung ansehen. Dabei ist Belästigung durch Kinderlärm schon vom Gesetz her kaum möglich. Wie kinderfreundlich ist unser Gesetz und wie kann man sich gegen groteske Beschwerden wehren?

Lärmbelästigung durch Kinder: Wie viel Lärm dürfen Kinder machen?
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"Kinder, jetzt seid doch bitte endlich leise, ihr wisst doch, die Fischers unter uns ..." Schon zum zweiten Mal ermahnt die Mutter von Paul und Anton ihre Söhne, die gerade in das schönste Spiel mit ihren Autos vertieft sind. Das geht natürlich nicht ohne laute und weniger laute Geräusche ab. Paul verzieht mürrisch sein Gesicht und knallt das Polizeiauto in die Ecke. Anton murmelt "Blöde Nachbarn". Die Mutter weist beide zwar zurecht, aber insgeheim kann sie die Wut ihrer Söhne gut verstehen. Dabei hatte das kinderlose Ehepaar Fischer die Familie bei ihrem Einzug vor drei Monaten noch so nett begrüßt. Doch seit dem ersten häuslich verbrachten Wochenende häufen sich die Beschwerden der gar nicht mehr so freundlichen Nachbarn - mal ist "der unerträgliche Lärm" der beiden Brüder der Grund, mal sind es die angeblich lauten Spielfreunde, mit denen sie sich im Innenhof treffen. Der Vermieter wurde auch schon in den Streit hineingezogen und neulich drohten die Fischers sogar mit einer Klage vor Gericht. Das hat den Eltern von Paul und Anton einen gehörigen Schreck eingejagt.

Familienfreundliche Justitia

Dabei könnten sie es - wenn sonst keine Verständigung möglich ist - tatsächlich auf einen Gerichtstermin ankommen lassen. Deutschland gilt zwar gemeinhin als eher kinderfeindlich, aber wenn es um nachbarschaftliche Auseinandersetzungen wegen des von Kindern verursachten Lärms geht, entscheiden die Richter in den allermeisten Fällen zugunsten der Familien. So meint beispielsweise das Amtsgericht München: "Den von Kleinkindern üblicherweise ausgehenden Lärm muss man hinnehmen - oder ausziehen" (412 C 23697/99). Und das Oberlandesgericht Düsseldorf legt fest, dass Kinderlärm "eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung des kindlichen Spielens" sei, die nicht generell unterdrückt oder auch nur beschränkt werden kann (OLG Düsseldorf AZ:9 U 51 /95). Typische durch das Spielen verursachte Geräusche wie Hopsen, Poltern, Schreien und Weinen lassen sich durch genervte Nachbarn nicht verbieten. Dazu kommt: Je jünger das Kind ist, desto mehr sollten sich geräuschempfindliche Mitbewohner in Verständnis üben. So halten sich Babys gemeinhin mit ihrem Geschrei nicht an die üblichen Ruhezeiten und das kann und will ihnen auch kein deutsches Gericht vorschreiben (OLG Düsseldorf, AZ:9 U 218/96). Außerhalb der Wohnung - beispielsweise im Innenhof, in der Garageneinfahrt, im Hinterhof - dürfen Kinder unbehelligt und durchaus mit hörbaren Lebensäußerungen spielen. Es ist ihnen zudem erlaubt, hausfremde Kinder einzuladen: Ihnen steht wie ihren Eltern das Recht zu, Besuch zu bekommen (Amtsgericht Solingen, AZ: WM 80, 112). Eine weitere Selbstverständlichkeit wurde ebenfalls wiederholt durch die Gerichte bestätigt: Spielplätze sind zum Spielen da! Was wiederum heißt: "Der von Kindern auf einem Kinderspielplatz verursachte Lärm muss hingenommen werden" (Verwaltungsgericht Münster AZ: WM 83, 176), es ist sogar gestattet, dort mittags zu spielen, weil beispielsweise Spielplätze sonst in der Winterzeit so gut wie nicht genutzt werden könnten.

Dass an der Behauptung, in Deutschland sei Kinderfreundlichkeit eher ein Fremdwort, etwas dran ist, davon zeugen die immer häufiger werdenden Klagen gegen Kindergärten und Kitas in Wohngebieten: Nachbarn beschweren sich über Lärmbelästigung, verlangen den Bau von meterhohen Schutzwänden, damit sie vom Lachen, Weinen, Schreien und Toben der Kleinen auf keinen Fall etwas mitbekommen. Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deshalb von der Bundesregierung, ein Gesetz zu verabschieden, dass die heute rechtlich mögliche Gleichsetzung des von Kindern verursachten Lärms mit Industrielärm unmöglich macht - und damit auch solche Klagen.

"Musik wird oft nicht schön gefunden ...

...weil sie mit Geräusch verbunden", spottete einst Wilhelm Busch. Und tatsächlich ist nicht jeder auf einem Instrument hervorgebrachte Ton ein wahrer Ohrenschmaus - das wissen auch Eltern, deren Kinder sich auf dem Klavier, der Geige oder Flöte versuchen. Aber Übung macht bekanntlich den Meister, deshalb ist das kindliche Musizieren unabhängig von seiner Qualität in Mietwohnungen erlaubt (Oberlandesgericht München, AZ: WuM 1988, 299). Wie lange die Übungseinheit oder die Darbietung dauern darf, darüber existieren viele einzelne Urteile, bei denen das jeweils strittige Instrument Verhandlungsgegenstand war. Fest steht jedenfalls, dass die Ruhezeiten immer beachtet werden müssen.

Grenzen der Toleranz

Womit dann auch die Grenzen der akustischen Belastbarkeit angesprochen sind. Auch wenn das Recht auf lebhaftes und lebendiges Spielen verbrieft ist - mutwillig verursachter, über das übliche Maß hinausgehender Lärm kann durchaus verboten werden oder eine berechtigte Mietminderung nach sich ziehen. So wurde etwa dauerndes Fahren mit Rollerskates in der Wohnung vom Amtsgericht Celle gerichtlich untersagt (AZ: 11 C 1768/01, 5). Zudem ist Toben und (lautes) Spiel in Kellern, Hausfluren, Fahrstühlen und auf Dachböden nicht akzeptiert. Vor allem sollten Eltern ihren dem Baby- und Kleinkindalter entwachsenen Nachwuchs dazu anhalten, die fast überall geltenden Ruhezeiten zu berücksichtigen - je nach Hausordnung liegen diese in der Zeit zwischen 13.00 und 15.00 Uhr sowie zwischen 20.00 bzw. 22.00 und 7.00 Uhr. Da heißt es dann, sich auch im Spiel so zu verhalten, dass die Nachbarn davon möglichst wenig mitbekommen.

Alles in allem gilt: Die rechtliche Situation ist die eine Seite, das menschliche Klima im Haus oder in der Reihenhaussiedlung die andere. Bevor also die Gerichte bemüht werden, sollten sich die in den Streit um "zu viel" Lärm verwickelten Parteien besser an einen Tisch setzen und reden. Manchmal hilft etwas Rücksichtnahme hier, ein wenig Entgegenkommen dort und insgesamt mehr Gelassenheit, dass Groß und Klein, Alt und Jung friedlicher und damit ruhiger miteinander leben können.

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