Getrennt lebende Eltern"Ich will Papa nicht sehen"

Kinder von getrennt lebenden Eltern können wie aus dem nichts eine Ablehnung gegen einen Elternteil entwickeln. Dieses Eltern-Kind-Entfremdungssyndrom wird PAS genannt (Parental Alienation Syndrom). Betroffene Eltern sollten sofort gegen die Entfremdung von Kindern anarbeiten.

Getrennt lebende Eltern: Ich will Papa nicht sehen
© nastia1983 - Fotolia.de

"Hau ab, Du Penner, ich will Dich nie mehr sehen!" ruft der fünfjährige Leon seinem Vater zu, als der ihn wie verabredet zum Wochenendbesuch abholen will. Leons Eltern sind seit einem halben Jahr getrennt. Der Junge lebt bei der Mutter, sein Vater holt ihn jeden Samstag Morgen ab und bringt ihn am Sonntag Nachmittag zurück. In den ersten Monaten nach der Trennung hat diese Regelung reibungslos geklappt, seit ein paar Wochen aber kommt der Junge nur noch zögernd mit. "Wenn er nicht mitgehen will, kann ich ihn nicht zwingen. Es ist sein eigener Wille.", sagt Leons Mutter.

Gute Mama - böser Papa

Viele Eltern - meistens Väter - , die von ihren Kindern getrennt leben, machen die Erfahrung, dass ihre Kinder sie ablehnen, beschimpfen und den Kontakt schließlich vollständig abbrechen. Manche sehen ihre Kinder jahrelang nicht wieder, obwohl vor der Trennung eine ganz normale Eltern-Kind-Beziehung bestanden hat. Für die abgelehnten Eltern ist diese Situation extrem schockierend und belastend. In den neunziger Jahren hat der amerikanischen Psychiater Richard A. Gardner diesem Phänomen einen Namen gegeben: PAS P(arental) A(lienation) S(yndrom) = elterliches Entfremdungssyndrom. Gemeint ist damit, dass sich ein Kind nach einer Trennung oder Scheidung von einem Elternteil abwendet und ihn radikal ablehnt, weil der andere Elternteil es (bewusst oder unbewusst) dahingehend manipuliert.

Folgende Symptome können auf eine aktive Entfremdung des Kindes hinweisen:

  • Beschimpfung und Abwertung: Der abgelehnte Elternteil wird mit Schimpfworten (Du Penner, Idiot, Verräter, Hure ...) belegt. Das Kind wertet voller Hass ab: "Du bist dumm, taugst zu nichts, kriegst nichts auf die Reihe."
  • Schwarz-Weiß-Denken: Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, wird idealisiert, der abgelehnte Elternteil schlecht gemacht. Alle guten Erlebnisse mit diesem Elternteil werden verdrängt oder nachträglich abgewertet: "Ich bin nur mit ins Kino gegangen, weil er mich dazu gezwungen hat."
  • der "eigene Wille": Häufig wiederholen die Kinder stereotyp "Ich will das so, das ist mein eigener Wille." Diese Äußerung ist besonders fatal, denn welcher Vater, Richter oder Jugendamtsmitarbeiter will sich schon über den Willen des Kindes hinwegsetzten.
  • keine kindgerechte Wortwahl: "Du belästigst mich, geh weg!", sagt da etwa ein fünfjähriger Junge zu seinem Vater. Die Kinder scheinen wie "programmiert" und gebrauchen Wörter, die ihrem Entwicklungsstand nicht entsprechen.

Kinder haben Angst, auch den anderen Elternteil zu verlieren

Nicht jeder Widerstand gegen ein Elternteil, nicht jede Ablehnung oder Wutäußerung eines Kindes muss Ausdruck einer Entfremdung sein. Sollte sich ein Kind weigern, Vater oder Mutter zu besuchen, kann dies unterschiedliche Gründe haben. Manchmal sagen Kinder, dass sie den anderen Elternteil nicht sehen wollen, um sich nicht ständig in die gefühlsmäßig schwierige Situation eines Loyalitätskonflikts zu begeben. Sie spüren die Traurigkeit der Mutter über die Trennung, wollen sie trösten und nicht allein lassen.

Manchmal schlagen sich Kinder auch auf die Seite des Elternteils, bei dem sie leben, weil sie große Angst haben, nach der Trennung auch noch den anderen Elternteil zu verlieren. "Papa ist von uns weggegangen, was ist, wenn Mama jetzt auch noch geht?" Kinder sind angewiesen auf Zuwendung und Versorgung und ergreifen aus dieser Abhängigkeit heraus manchmal Partei. Kommt dann bei dem betreuenden Elternteil noch eine psychische Unfähigkeit hinzu, die Trennung zu bewältigen, kann sich aus einer zeitweiligen Entfremdung ein völliger Kontaktabbruch entwickeln.

Was können Mütter und Väter tun, deren Kinder von ihnen entfremdet sind?

  • Warten Sie nicht bis sich die Situation wieder normalisiert! Jeder Tag ohne Kontakt zu Ihrem Kind entfremdet es immer mehr von Ihnen. Handeln Sie!
  • Suchen Sie nach verschiedenen Wegen mit dem Kind in Kontakt zu bleiben (Briefe, Telefon, E-Mail, Webseite mit Fotos).
  • Nutzen Sie Großeltern, Verwandte, Nachbarn und Freunde, um mit Ihrem Kind in Kontakt zu kommen.
  • Wenn Sie glauben, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Expartner eine Lösung des Problems finden können, schlagen Sie ihm eine Mediation zur Verhandlung der Besuchszeiten unter Leitung eines neutralen Dritten vor.
  • Scheint Ihnen eine gerichtliche Lösung der einzige Weg, dann wenden Sie sich ans Jugendamt und ans Familiengericht, um das Umgangsrecht einzuklagen.
  • Holen Sie sich fachliche und psychische Unterstützung durch Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Freunde.
  • Geben Sie die Hoffnung nicht auf! Möglicherweise brauchen Sie einen langen Atem, bis Sie wieder Kontakt zu Ihrem Kind bekommen. Manche Kinder finden zu dem abgelehnten Elternteil zurück, wenn sie auf der Suche nach ihrer eigenen Identität die Entfremdung erkennen.

Kinder, deren Eltern sich trennen, brauchen in dieser Lebenssituation die besondere Unterstützung beider Eltern, denn sie lieben weiterhin Vater und Mutter. Paare, die sich scheiden lassen, tragen deshalb gegenüber ihren Kindern eine große Verantwortung. Viel Zuwendung und ein intensiver Kontakt zu beiden Eltern hilft Kindern, nach einer Trennung Unsicherheiten zu überwinden und mit den neuen Lebensbedingungen zurechtzukommen.