Zwei große Jubiläen feiern buddhistische Gemeinschaften 2025 in Deutschland und auf europäischer Ebene: Die „Deutsche Buddhistische Union e.V. – Buddhistische Religionsgemeinschaft“ (DBU) wird 70 Jahre alt, die „Europäische Buddhistische Union“ 50 Jahre. Wie sieht die aktuelle buddhistische Landschaft in Deutschland aus, welche Umbrüche sind zu verzeichnen und was ist der Stand und die Zukunft des christlich-buddhistischen Dialogs?
Die religiös-weltanschauliche Landschaft in Deutschland kennzeichnet eine große Pluralität. Die Vielfalt zeigt sich nicht nur in der Präsenz zahlreicher größerer und kleinerer Religionsgemeinschaften, sondern ebenso innerhalb dieser Religionen. Perry Schmidt-Leukel spricht von einer „fraktalen Struktur“ der Religionen (Das himmlische Geflecht. Buddhismus und Christentum – ein anderer Vergleich, 2022; vgl. HK, Mai 2023, 40–42).
Auch der Buddhismus ist in seiner Vielfalt im Westen angekommen und hat sich als authentischer Weg etabliert. Trotz mancher Anläufe wurde er in Deutschland, anders als in Österreich, bisher allerdings nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. Es wäre allerdings nicht angemessen, ihn in die Kategorie einer Wellness-Bewegung oder Esoterikgruppe einzuordnen. Oberflächlich buddhistische Adaptionen, oft kommerziell ausgerichtet, werden auch von buddhistischer Seite kritisiert.
In Deutschland sind die drei großen Strömungen des Buddhismus mit Gruppierungen und eigenen Zentren vertreten: die ursprüngliche Form Theravāda sowie die tibetischen Formen Mahāyāna und Vajrayāna. Zum Mahāyāna gehört der Zen-Buddhismus, der in verschiedenen Traditionslinien und mit zahlreichen Angeboten in Deutschland präsent ist. Der Begriff „Zen“ ist allerdings nicht geschützt. Er wird neben den in buddhistischen Traditionen wurzelnden Zugängen auf dem freien Markt mit dem Versprechen einer Steigerung der Leistungsfähigkeit oder eines höheren Wohlgefühls verzweckt.
Auch der tibetische Buddhismus ist mit Tempeln und Zentren verbreitet. Nach der Okkupation Tibets durch chinesische Truppen 1950 und nach der Niederschlagung des Tibetaufstandes 1959 flohen viele buddhistische Mönche und Lehrer nach Indien und in den Westen – ein Grund für die schnelle Ausbreitung des tibetischen Buddhismus hierzulande. Bedeutende Zentren in Deutschland sind das „Tibetische Zentrum“ in Hamburg und das „Tibethaus Deutschland“ in Frankfurt.
Neben den in asiatischen Traditionslinien gebundenen Gemeinschaften haben sich im Westen auch traditionsübergreifende, also keineswegs traditionslose, Gruppen und Bewegungen gebildet, wie zum Beispiel die „Buddhistische Gemeinschaft Triratna“, vormals „Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens“ (FWBO).
Die Anzahl der Buddhisten in Deutschland wird nach Angaben der Deutschen Buddhistischen Union auf etwa 270.000 geschätzt, die eine Hälfte mit westlichen, die andere mit asiatischen Wurzeln. Die Anzahl der mit dem Buddhismus Sympathisierenden ist höher als die Anzahl der mit einer buddhistischen Gemeinschaft Verbundenen. Viele, die sich im Westen dem Buddhismus zugewandt haben, verfügen über höhere Bildungsabschlüsse. Teils haben Konvertiten christliche, teils jüdische Wurzeln, teils waren sie religionslos und haben erst durch den Buddhismus einen Zugang zu einem religiös-spirituellen Weg gefunden.
Asiatische und europäische Gemeinschaften
Die Deutsche Buddhistische Union hat sich als stabile Dachorganisation mit aktuell 69 Mitgliedsgemeinschaften erwiesen. Sie hat manche Gemeinschaften nicht aufgenommen und andere ausgeschlossen, wenn diese ihren Grundsätzen nicht (mehr) entsprachen. Die von Ole Nydahl gegründete Gruppierung „Diamantweg-Buddhismus“ ist eigenen Angaben zufolge mit mehr als 130 Zentren in Deutschland die größte buddhistische Vereinigung. Sie trat nach Auseinandersetzungen um das ethische Verhalten und die Praxis von Nydahl aus der DBU aus.
Auch wenn nicht alle buddhistischen Gemeinschaften in der DBU vertreten sind, gilt sie neben der charismatischen Persönlichkeit des Dalai Lama und des 2022 verstorbenen vietnamesischen Mönchs Thich Nhat Hanh als Stimme des Buddhismus. Es fällt auf, dass ihr nur wenige asiatisch geprägte Gemeinschaften angehören. Auch die größte asiatisch-buddhistische Gemeinschaft, die in Hannover ansässige Pagode Viên Giác, ein kulturelles und religiöses Zentrum für vietnamesische Buddhistinnen und Buddhisten, ist kein Mitglied der DBU.
Eine Besonderheit zeigt sich in einem Bekenntnis, das die Mitgliedsgemeinschaften der DBU beschlossen haben. Es beinhaltet die vertrauensvolle Hinwendung zum Buddha als unübertroffenem Lehrer, zum Dharma, der Lehre des Buddha, und zum Sangha, der Gemeinschaft.
Ein Spannungsfeld eröffnet sich im Verhältnis von asiatisch und westlich geprägten Gemeinschaften. Die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten wurzelnden Wege führen auch nach mehreren Jahrzehnten nur zögerlich von einem Nebeneinander zu einem Miteinander. Ein Zusammenwachsen von asiatisch und westlich geprägten Vereinigungen, unter Wahrung kultureller Prägungen, bleibt eine Herausforderung.
In der Öffentlichkeit präsent ist der Buddhismus auch durch ein breites Spektrum buddhistischer Verlage und Zeitschriften wie „Buddhismus aktuell“, herausgegeben von der DBU, und „Tibet und Buddhismus. Das Magazin für tibetischen Buddhismus im Westen“. Beide Zeitschriften finden sich in Bahnhofsbuchhandlungen in einer Reihe mit christlichen, jüdischen und esoterischen Publikationen.
In den letzten Jahren wurden verstärkt buddhistische Studiengänge aufgelegt, die nicht nur der Ausbildung, sondern auch der Reflexion buddhistischer Wege dienen. Die 2001 gegründete „Buddhistische Akademie Berlin Brandenburg“ fokussiert auf eine zeitgemäße Vermittlung der Lehre Buddhas im westlichen Kontext. Auch die 2010 gegründete „Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg“ legt einen Schwerpunkt auf den Buddhismus. Seit 2018 hat dort die Buddhologin und Nonne Carola Roloff eine ständige Gastprofessor für „Buddhismus und Dialog in modernen Gesellschaften“ inne. Die DBU hat ein modulares Studienprogramm „Bhāvanā – Buddhismus in seiner Vielfalt“ entwickelt, in dem grundlegende Aspekte und Schwerpunkte der buddhistischen Lehren wissenschaftlich behandelt werden. Die Studienangebote wenden sich an Buddhistinnen und Buddhisten, an Ethik- und Religionslehrerinnen und -lehrer sowie weitere Interessierte.
Während in asiatischen Ländern Ordensgemeinschaften tragende Säulen des Buddhismus in Lehre und Praxis bilden, sind diese im Westen nur vereinzelt anzutreffen. Die Frage nach der Bedeutung von Klöstern im europäischen Buddhismus wird kontrovers diskutiert. Die „Deutsche Buddhistische Ordensgemeinschaft“(DBO), eine Gruppe deutschsprachiger Nonnen und Mönche aus verschiedenen Traditionen, widmet sich der Gründung und dem Erhalt von Klöstern in Deutschland sowie der Vernetzung der Mönche und Nonnen. Die Klöster werden von der DBO als Orte spirituellen Lebens bezeichnet, die zu geistlicher und geistiger Vertiefung einladen.
Auch den Buddhismus hat die sexualisierte Gewalt und der geistliche Missbrauch von Schülerinnen und Schülern durch Lehrende erschüttert. Schwere Vorwürfe wurden gegen den Gründer der internationalen Gemeinschaft Rigpa, Sogyal Rinpoche, und gegen Sakyong Mipham Rinpoche, Sohn des Gründers und Oberhaupt von Shambhala International, erhoben. Der Skandal des geistlichen Machtmissbrauchs erfordert Aufklärung und Aufarbeitung. In der DBU wurden als Konsequenz Vertrauenspersonen für Missbrauchsfälle im buddhistischen Kontext eingesetzt, die auch als Meldestellen fungieren. Des Weiteren werden systemische Gründe des Missbrauchs diskutiert, die etwa in teils kaum kontrollierten Machtpositionen der Lehrenden sowie im kritiklosen Schüler-Lehrer-Verhältnis gesehen werden.
Strukturfragen und finanzielle Probleme beschäftigen die DBU im Jubiläumsjahr. Inhaltlich steht die Frage nach der eigenen Identität im Raum: Worin besteht der nicht aufgebbare Kern der Lehre Buddhas jenseits kultureller Prägungen? Diese Frage ist in der Geschichte des Buddhismus keineswegs neu, sie stellt sich allerdings angesichts der Transformation im Westen drängend. Stephen Batchelors Ausführungen zu einem „Säkularen Buddhismus“ lösten eine innerbuddhistische Diskussion aus, die nach der spirituellen Kernbotschaft für die heutige Zeit fragt (Buddhismus für Ungläubige, München 2010).
Batchelor und andere vertreten die Auffassung, dass etwa Karma und Reinkarnation nicht essenziell zur Lehre gehörten, da sie im kulturellen Kontext der Zeit Buddhas verortet seien. Um für die westliche Moderne anschlussfähig zu werden, sollten diese Vorstellungen aufgegeben werden.
Diskutiert wird, wie und mit welchem Inhalt der Buddhismus, etwa in einem Religionsunterricht, an die nächste Generation weitergegeben werden soll. Reicht die Erziehung zu Toleranz und Mitgefühl, sicherlich wesentliche Aspekte der Lehre Buddhas, oder gehören auch weitere Inhalte zu einem Curriculum? Woraus besteht die gemeinsame Grundlage eines westlichen Buddhismus, der unterschiedliche Strömungen verbindet?
Der Buddhismus fordert das Christentum fundamental heraus, da er als eine „Religion ohne Gott“ ohne Bezug zu einem Schöpfergott, ohne die Lehre vom Sündenfall und von göttlicher Gnade auskommt. Darin zeigt sich der Buddhismus kompatibel zur Moderne, in der auch für eine wachsende Anzahl von Christinnen und Christen solche Überzeugungen äußerst fragwürdig geworden sind. Viele finden in spirituellen Übungen das Eintrittstor. Sie erleben in einer hektischen, lauten Welt die heilsame Erfahrung der Stille. Dadurch zeigt sich ein Defizit des Christlichen: die mangelnde Verortung einer christlichen Spiritualität im Leben sowie in der Kirche insgesamt, die allzu oft mit sich selbst und mit Strukturfragen beschäftigt ist.
Zur spirituellen Herausforderung für das Christentum müssen auch Wege eines „Zen für Christen“ in den Blick genommen werden. Die anfängliche Ablehnung eines „Zen im christlichen Kontext“ als „Verrat am christlichen Glauben“, wie es Hans Urs von Balthasar formulierte, ist innerhalb der Kirchen weitgehend überwunden. Einige katholische Exerzitien- und Bildungshäuser bieten, inspiriert von dem Jesuit und Zen-Meister Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, Zen-Übungen an.
Festzuhalten bleibt allerdings: Es kann nicht von dem christlichen Zen gesprochen werden, sondern es existieren unterschiedlich Formen nebeneinander. Das zeigt ein Vergleich der Zen-Wege des Pallottiners und Zen-Meisters Johannes Kopp (verstorben 2016) und seines Nachfolgers Paul Rheinbay mit dem 2020 verstorbenen Willigis Jäger, der die eigene Zen-Linie „Leere Wolke“ gründete. Das im Bistum Essen angesiedelte Programm „Leben aus der Mitte“ lädt seit mehr als 40 Jahren zur Zen-Kontemplation als einem christlichen Weg geistlicher Vertiefung ein.
Theoretisch unvereinbar, praktisch kombiniert
Aufgeworfen ist damit die Frage nach der Möglichkeit einer doppelten Zugehörigkeit im Sinne der Maxime: eine Person, zwei Religionen („Double belonging: One person, two faiths“). Sowohl innerhalb des Christentums als auch des Buddhismus löst die Zugehörigkeit zu zwei Religionen, wie sie etwa von Paul Knitter vertreten und gelebt wird, Diskussionen aus. Knitter betont: „Ohne Buddha wäre ich kein Christ“ (Without Buddha I Could not be a Christian, Oxford 2009). Ein christlich-buddhistischer Glaubensweg erscheint zurzeit nur wenigen Menschen gangbar. Knitter indes sieht die Zukunft in einer interreligiösen Verortung, in einer neuen Art des Kirche-Seins, in der künftige Christen nicht nur, wie Karl Rahner prognostizierte, Mystiker, sondern vielmehr „interreligiöse Mystiker“ sein werden.
Das Eigene im Angesicht des anderen verstehen und benennen
Der christlich-buddhistische Dialog erweist sich weiterhin als ein Stiefkind des interreligiösen Dialogs. Während Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und für den christlich-muslimischen Dialog seit vielen Jahren bestehen, fehlt eine vergleichbare Einrichtung im Bereich des christlich-buddhistischen Dialogs. Die „Unterkommission für den interreligiösen Dialog“ der Deutschen Bischofskonferenz fokussiert sich ausschließlich auf die Begegnung von Christen und Muslimen sowie auf die Erarbeitung katholisch-kirchlicher Positionen zum Islam. Die Zeit für eine Institutionalisierung des christlich-buddhistischen Dialogs scheint nun reif zu sein. Die große Mehrheit der bislang Engagierten sieht ihr Ziel nicht in der Herausbildung einer neuen Religion, sondern in einem Begegnungslernen, welches das Eigene im Angesicht des anderen verstehen und benennen lässt. Dies gilt für beide Seiten. Die Deutsche Buddhistische Union hat eine eigene Arbeitsgemeinschaft „Interreligiöser Dialog“ eingerichtet.
Als weitere Dialogforen und Initiativen zu nennen sind Akademien wie das Haus am Dom in Frankfurt, die Buddhistische Akademie Berlin Brandenburg, die Wege eines innermonastischen Dialogs von benediktinischen und buddhistischen Mönchen sowie buddhistisch-christliche Studientage in der Erzabtei St. Ottilien. Das Lassalle-Haus in Bad Schönbrunn in der Schweiz bietet sowohl Zen-Angebote des Jesuiten und Zen-Meisters Niklaus Brantschen und der Zen-Meisterin Pia Gyger an als auch klassisch christliche Kurse wie Ignatianische Exerzitien. Im Erzbistum Köln besteht seit mehr als 20 Jahren ein christlich-buddhistischer Freundeskreis, den Begegnung und Begegnungslernen prägt. Jährlich finden seit mehr als 20 Jahren im Haus der Stille der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede Tage christlich-buddhistische Begegnungen und Dialoge statt.
Die Zukunft des interreligiösen Dialogs liegt jedoch nicht allein in Gesprächskreisen zu Aspekten der Lehren, sondern auch in einer Zusammenarbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Klimaschutz sowie in der stärkeren Wahrnehmung von Verantwortung für eine demokratische und friedliche Gesellschaft. Die jährlichen Botschaften des Vatikans zum Vesakh-Fest heben diesen Aspekt hervor.
Perspektivische Herausforderungen für den Buddhismus in Deutschland liegen in der Intensivierung des innerbuddhistischen und des interreligiösen Dialogs, in der Institutionalisierung von Studiengängen, in der Ausbildung von Lehrkräften wie auch von Menschen, die sich in der buddhistischen Seelsorge, ein im westlichen Kontext durchaus gebräuchlicher Terminus, engagieren. Die Zukunft des Buddhismus in Deutschland eröffnet sich weiterhin im Gehen; das gilt auch für christlich-buddhistische Begegnungen und Dialoge.