Wie es mit dem Glauben weitergehtAbschied von den Engeln?

Schwarz auf weiß bestätigt die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, dass der Glaube in Deutschland zurückgeht. Damit drohen auch die Brückenbauer zwischen Himmel und Erde zu verschwinden – vielleicht gibt es für sie aber doch noch eine Chance.

Thomas Brose
Thomas Brose, Religionsphilosoph© privat

Steht der Abschied von den Engeln unmittelbar bevor? Lange fanden diese spirituellen Mittler jenseits von Dorfkirchen und Domen im säkularen Fluidum ein bequemes Auskommen. Alle zeigten sie gern: Kino, Mode und Werbung schienen ohne diese Brückenbauer zwischen menschlicher und göttlicher Sphäre gar nicht auszukommen. Engel machten sich in der Popkultur breit; sie bevölkerten den Raum zwischen Himmel und Erde.

Aber die Zeiten, in denen Abba sang „We Believe in Angels“, scheinen jetzt endgültig vorbei zu sein – jedenfalls, wenn man der aktuellen KMU, der Kirchenmitgliederuntersuchung (vgl. HK, Dezember 2023, 13-16) Glauben schenkt. Die empirische Untersuchung zeigt, dass unser Land einen mächtigen Säkularisierungsschub erlebt und dass Verhältnisse, wie sie Christinnen und Christen früher aus Ostdeutschland kannten, in Zukunft wieder denkbar sind.

Die KMU geht aber noch einen Schritt weiter: Ihre zentrale These läuft auf ein Verschwinden der gesamten „Engel-Population“ hinaus. Warum? Weil sich Deutschland aufgrund immer ungünstiger werdender „religions-ökologischer“ Bedingungen – einem fortschreitenden Verlust von Transzendenz-Erfahrung – immer mehr in eine Glaubenswüste verwandelt.

„Jahresendpuppen mit Flügeln" – obwohl dieser, der DDR zugeschriebene Begriff für Engel wahrscheinlich eine Legende ist, macht er klar: Hier sollte nichts mehr an den Glauben erinnern. Aber gerade in der Endphase des Obrigkeitsstaates haben viele Menschen für sich das Recht in Anspruch genommen, ganz ohne äußeren Zwang, „auf den Spuren der Engel“ (Peter L. Berger) zu wandeln.

Die Spätmoderne, so Bergers der KMU entgegengesetzte Schlussfolgerung, verursacht nicht notwendig einen Rückgang der Religion, sondern ermöglicht ihre „vertiefende Pluralisierung“. Vielleicht müssen wir im kommenden Advent doch nicht auf diese geschickten Boten und Brückenbauer verzichten.

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