Fotoausstellung „Der Schrei der Frauen“Bewusstseinsänderung à la Vatikan

Eine Fotoausstellung am Petersdom sollte die Lebensrealitäten von Frauen sichtbar machen. Ein künstlerisch wertvoller Beitrag, dessen päpstliche Interpretation allerdings einseitig wirkt.

Hilde Naurath, Redakteurin der Herder Korrespondenz

Es mutet schon etwas seltsam an, wenn eine Fotoausstellung „Der Schrei der Frauen“ genannt wird. Sie wurde den Mai über in den Bernini-Kolonnaden am Petersdom gezeigt und tritt nun ihre Reise nach Venedig, New York und Ruanda an. 26 Meisterwerke von acht Topfotografen präsentieren Frauen weltweit in Alltags- und Extremsituationen. Ein Foto zeigt drei vietnamesische Frauen, die Fischernetze flicken, ein anderes eine zusammengekauerte Greisin, die bunten Schmuck verkauft, eins ein junges indisches Seiltanztalent. Auf einem strahlt ein Mädchen am Bahnhof von Lemberg Richtung Kamera, über dessen Kopf hinweg Erwachsene Dokumente austauschen, eine Aufnahme hält den Augenblick fest, in dem eine Geflüchtete aus dem Mittelmeer gerettet wird. Diese wahrhaft hohe Kunst der Fotografie erreicht das Ziel, das Asaf Ud Daula, einer der Fotografen, so beschreibt: „Mein wesentliches Ziel ist es, Momente des Lebens einzufangen und ihnen Bedeutung zu verleihen, indem ich sie in der Zeit stillstehen lasse.“ Jedes der Fotos ist es wert, es mit Muße auf sich wirken, sich davon berühren zu lassen.

Das funktioniert nur nicht so ganz, wenn man sich den Trailer anschaut, der zu der Ausstellung veröffentlicht wurde. Papst Franziskus kommentiert darin die Bandbreite an Lebensrealitäten eigenwillig: „Frauen sind Harmonie, Poesie, Schönheit“, seine Anerkennung gilt vor allem Mütterlichkeit, und ja, er prangert auch die Ausbeutung von Frauen an. Zudem ist jedes der Fotos mit einem Satz aus seiner Enzyklika „Fratelli Tutti“ versehen: Die Hoffnung auf weltweite Brüderlichkeit prägt die vatikanische Interpretation der Augenblicke der Frauen.

Die Fotoausstellung kam in Zusammenarbeit der „World Union of Catholic Women’s Organizations“ und dem Kommunikationsdikasterium zustande. Sie setzt darauf, dass Sichtbarkeit zu Bewusstseinsänderungen führt. Die Fotografin Silvia Tenenti erklärt: „Meine Botschaft ist eine Botschaft des Innehaltens und Nachdenkens über die Lage von Frauen, über die Ungleichgewichte und Störungen, die es Frauen selbst in Gesellschaften mit weit verbreitetem Wohlstand, und nicht nur in extremen Gesellschaften, immer noch schwer machen, sich gesellschaftlich zu behaupten.“ Ob im Vatikan der Kunst die Kraft zugetraut wird, diese Botschaft zu verbreiten – oder ob schlicht darauf gesetzt wird, dass Fotos stumm sind?

Möge der Schrei der Frauen gehört – und auch nicht zerredet werden.

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