Digitale Überwachung in GottesdienstenChina is watching you

Isabel Barragán
Isabel Barragán, freie Journalistin© privat

Gottesdienstbesuch per Online-Reservierung? In der chinesischen 100-Millionen-Einwohner-Provinz Henan ist das bald Alltag. Wer an Andachten, Gottesdiensten oder gemeinsamen Gebeten teilnehmen will, muss sich nach Angaben der evangelikalen Organisation „ ChinaAid “ künftig in einer App namens „Smart Religion“ registrieren. Die Regelung gilt für Christen, Muslime wie auch Buddhisten. Die App stammt von der Kommission für ethnische und religiöse Angelegenheiten der Provinz Henan. Sie ist ein weiteres Beispiel für Versuche Chinas, Religionsausübung zu kontrollieren. Das Besondere an der Volksrepublik: die Verdrängung von Religion verlagert sich immer mehr in den digitalen Raum.

In China leben derzeit nach Schätzungen des US-Forschungsinstituts Pew Research Center etwa 70 Millionen Christen, die unter Verfolgung leiden. Auf dem Weltverfolgungsindex liegt die Volksrepublik nach Einschätzungen des internationalen evangelikalen Hilfswerks "Open Doors" auf Rang 16, noch vor Ländern wie Irak und Algerien. Besonders die digitale Überwachung ist inzwischen technisch wie auch in ihrem Umfang vorangeschritten wie in keinem anderen Land. Laut Recherchen der "New York Times" befindet sich die Hälfte von weltweit einer Milliarde Überwachungskameras in China.

2014 verkündete China bereits Pläne für sein sogenanntes „Sozial-Kreditsystem“. Die Bevölkerung wird seitdem in ihrem Lebenswandel mit einem Punktesystem bewertet, nach kommunistischen Kriterien. Wer Christ ist und seinen Glauben auslebt, bekommt Punktabzug. Die Konsequenz ist eine digitale Totalüberwachung: Per Kamera werden Gesichtsaufnahmen mit einer Datenbank abgeglichen. Auch in Kirchen sind Überwachungskameras Standard. Damit lässt sich dokumentieren, wer wann an welchem Gottesdienst teilnimmt – und wer gegen das Gesetz verstößt: Gottesdienstbesuche unter einem Alter von 18 Jahren etwa sind verboten. Niedrige Punktzahlen haben Konsequenzen: Sie erschweren unter anderem Reisen und Kreditvergaben.

Die Entwicklung ist alarmierend. Offiziell herrscht in China zwar Religionsfreiheit, Gottesdienste in Kirchen sind erlaubt. Kirchliche Symbole aber, wie zum Beispiel Kreuze, werden außerhalb von Kirchengebäuden bereits verbannt. Und auch aus dem digitalen Raum wird Religion immer weiter verdrängt. Umso wichtiger ist es nun für Christen, die noch verbleibenden Freiräume weiter zu nutzen. Der digitale Austausch der christlichen Gemeinschaft muss erhalten bleiben – so begrenzt er auch sein mag.

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