80 Jahre Warschauer GettoaufstandUnbequeme Erinnerung

Die Erinnerung an 80 Jahre Warschauer Gettoaufstand stellt die deutsche Gedenkkultur vor Herausforderungen.

Wenzel Widenka, Volontär
Wenzel Widenka, Volontär bei Christ in der Gegenwart© Florian Nütten

Auf dem Jerusalemer Herzlberg liegt auf einem Militärfriedhof Hannah Szenesz begraben. Sie war nicht nur Lyrikerin, sondern auch Widerstandskämpferin und wurde 1944 in Budapest hingerichtet.

Dieser Tage jährt sich der Aufstand im Warschauer Getto zum 80. Mal. Die deutsche Erinnerungskultur verbindet damit vor allem das Bild des Kniefalls von Bundeskanzler Willi Brandt. Das Außergewöhnlich des Aufstands gerät jedoch schnell aus dem Blick, auch, weil die Geschehnisse aus der üblichen Erzählung ausbrechen: Juden wehren sich, sind nicht passive Opfer, sondern greifen ihre Henker und Folterer an. Lange Zeit war der Warschauer Gettoaufstand die Blaupause für die israelische Erinnerungskultur: Hier hatte das neue, hebräische Judentum seine Helden gefunden, die die Passivität, Lähmung und Erniedrigung des Gettos hinter sich gelassen hatten und sich heldenhaft opferten. Andere Überlebende der Shoa sahen sich in der neuen Heimat Israel oft mit dem Vorwurf konfrontiert, sie hätten sich „wie Lämmer zu Schlachtbank“ führen lassen. Ein ungerechtes Bild.

In Deutschland tut man sich mit der Heldenerinnerung schwerer. In den zahllosen Initiativen und Gedenkveranstaltungen, die sich der Erinnerungskultur verschrieben haben, kommen Juden normalerweise als rein passive Opfer der nationalsozialistischen Gewalt vor. Die Ohnmacht scheint unüberwindbar. Kämpfende, kräftige Juden, auch noch mit Gewehren in der Hand? Dieses Bild reserviert man normalerweise für exakt eine Gruppe: die israelische Armee. Und die existiert oft, und auch im kirchlichen Engagement für die Palästinenser, ausschließlich als Zerrbild der bedrückenden Besatzungsmacht in der Westbank. Die „eigenen“ Juden hat man am liebsten auf Gedenktafeln oder ernst schweigend.

Dieses Bild ist grotesk schief. Es ist mit dafür verantwortlich, dass es dem „Erinnerungsweltmeister“ Deutschland nicht gelingt, antisemitische Demonstrationen auf seinen Straßen wirksam zu verbieten. Solange die Erinnerungskultur fast ohne die Betroffenen stattfindet, solange diese und ihre Nachkommen nicht als handelnde, aktive Menschen wahrgenommen werden, bleibt das Bekenntnis zur Erinnerung ein literarisches. Hannah Szenesz schrieb im Gefängnis in Budapest: „Gesegnet das Streichholz, das sich verbraucht, indem es die Flamme entzündet.“ Dazu mahnt der Aufstand im Warschauer Getto.

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