VatikanNun hat der Papst die Malteser wieder unter Kontrolle

Nach jahrelangen Konflikten scheint Franziskus den Malteserorden mit harter Hand befriedet zu haben. Als Schlussstein ernannte er nun seinen Mitbruder aus dem Jesuitenorden, Kardinal Gianfranco Ghirlanda, zum "Kardinalpatron" des Papstes bei den Maltesern.

Blick auf Rom
© Pixabay

Im Stadtbild von Rom überragt der Aventinhügel den jenseits des Tibers an der nächsten Biegung des Flusses gelegenen Vatikanhügel ein wenig. Aber die schiere Höhe des Petersdoms und seiner Kuppel sorgen dann doch dafür, dass schon optisch deutlich wird, wer am langen Ende das Sagen hat: Es ist nicht der auf dem beschaulichen Aventin residierende Großmeister des Souveränen Malteser Ritterordens (SMOM), sondern der Papst im Vatikan.

Neben der Topographie der Ewigen Stadt sind es vor allem kirchenrechtliche Bestimmungen, die keinen Zweifel daran lassen, wer Ober und wer Unter ist. Zwar kann der stolze Orden mit seiner tausendjährigen Tradition die für sein internationales Wirken wichtige völkerrechtliche Souveränität für sich geltend machen. Das tut er bis heute, obwohl er - anders als der Heilige Stuhl - seit dem Übergang der Insel Malta in britische Hände im Jahr 1800 kein eigenes staatliches Territorium mehr für sich beanspruchen kann.

Doch in kirchenrechtlicher Hinsicht untersteht der SMOM dem Papst. Ohne dessen Bestätigung ist die Wahl des Großmeisters nicht gültig. Anders als der Papst wird er auf maximal zehn Jahre gewählt, und bei Amtsantritt schwört er in die Hände des vom Papst entsandten "Kardinalpatrons", dass er sich an die (vom Papst im vergangenen September neu gefassten) Verfassung und den "Codex" des Ordens halten wird.

Mit der vergangenen Woche erfolgten Ernennung des Kirchenrechtlers und langjährigen Rektors der Päpstlichen Gregoriana-Universität, Kardinal Gianfranco Ghirlanda (80) zum neuen Kardinalpatron hat Papst Franziskus einen personellen Schlussstein nach einer langen Phase ordensinterner Turbulenzen sowie von Konflikten zwischen Orden und Vatikan gesetzt.

Die Auslöser der Querelen waren vielfältig. Zum einen war die alte Verfassung des Ordens offensichtlich nicht mehr zeitgemäß. Durch die Reservierung wichtiger Ämter für Adlige kamen nur Menschen aus einigen europäischen Ländern, in denen es adelige Familien gibt, überhaupt dafür in Frage. Augenfälligste Frucht der Neuerungen ist daher, dass mit dem Kanadier John Dunlap nun erstmals ein Nordamerikaner zum Großmeister gewählt wurde. Der lange in New York im Umfeld der UN wirkende Anwalt Dunlap ist, ebenso wie Ghirlanda, dem Papst treu ergeben.

Ein weiterer Grund für Spannungen und Konflikte im Orden waren nationale Rivalitäten und Feindseligkeiten. Prominente deutsche Mitglieder wie der langjährige Großkanzler, Albrecht Freiherr von Boeselager, lieferten sich interne Kämpfe mit Vertretern anderer Nationalitäten. Vorwürfe, dass die jeweils anderen ("die Italiener", "die Franzosen", "die Briten" usw.) unfähig, dem Alkohol verfallen oder in undurchsichtige Geschäfte verwickelt seien, machten die Runde. Unbewiesene Vorwürfe der letzteren Art gab es auch gegen Boeselager. Und am Schluss zog er, wie schon einmal zu Beginn der Querelen, den Kürzeren.

Zunächst hatte er es über Jahre hinweg verstanden, die Konflikte in der Außendarstellung auf eine andere Ebene zu heben. Da ging es um einen Kampf der Ultrakonservativen gegen die gemäßigt Konservativen im Orden, für die Boeselager stand. In der ersten Runde des Konflikts konnte der Freiherr den Papst davon überzeugen, dass er zu den Guten gehöre und deshalb 2017 von den konservativen Ultras abgesetzt worden sei.

Der Papst griff ein erstes Mal ein und setzte seinerseits den damaligen konservativen Großmeister Matthew Festing ab und entmachtete den noch konservativeren Kardinalpatron Raymond Leo Burke. Der durfte zwar den Titel behalten, doch als Sonderdelegaten entsandte der Papst den damals noch hoch im Kurs stehenden sardischen Kurienerzbischof Angelo Becciu - der inzwischen seinerseits wegen krummer Geschäfte vor Gericht steht.

Als der Papst - nach weiteren Runden interner Konflikte und zwei rasch hintereinander gestorbenen italienischen Großmeistern - im September 2022 erneut und diesmal radikal durchgriff, war auch Boeselager fällig. Er wurde abermals als Großkanzler abgesetzt, aber diesmal vom Papst. Franziskus setzte damals die gesamte Leitung ab und verpasste dem Orden eine modernere und effizientere Verfassung - unter anderem mit Begrenzung der Amtszeiten, weitgehender Frauengleichberechtigung und einer radikalen Beschneidung der Adelsprivilegien.

Die vom Papst eingesetzte Übergangsleitung unter Führung von Dunlap sorgte dann dafür, dass die neue Verfassung und der neue Codex akzeptiert und umgesetzt wurden. Dunlap (Jahrgang 1957) wurde gemäß den neuen Statuten am 4. Mai 2023 zum 81. Großmeister des SMOM gewählt. Bis seine Amtszeit 2033 endet, könnte es in dem traditionsreichen Orden, aber auch zwischen Aventin und Vatikan, erstmals seit langer Zeit wieder eine Phase der relativen Stabilität geben.

Von Ludwig Ring-Eifel
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